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Entspannte Bahnkunden

Sabrina Pabst 5. Mai 2015

Gestrandete Reisende, ausgefallene Züge: Seit Dienstagmorgen um zwei Uhr streiken die Lokführer im Personenverkehr der Deutschen Bahn. Trotz des Mammutausstands bleibt das Chaos am Kölner Hauptbahnhof aus.

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Leerer Bahnsteig im Kölner Hauptbahnhof - Foto: Sabrina Pabst (DW)
Bild: DW/S. Pabst

Da, wo sonst hunderte Menschen von Bahnsteig zu Bahnsteig hetzen und kurz vor Abfahrt in einen Zug hechten, herrscht entspannte Langsamkeit. Der Hauptbahnhof in Köln, einer der fünf größten Bahnhöfe Deutschlands, ist leer. Geradezu ruhig. Kein hektisches Treiben, kein dichtes Gedränge. Nur wenige gestrandete Bahnkunden sind an diesem Morgen hier.

Eine junge Frau Mitte zwanzig sitzt auf einem der verlassenen Bahnsteige, die Füße hat sie auf ihren Koffer hochgelegt. Die Anzeigetafel ist leer. "Ich muss nach Stuttgart und sitze hier seit halb acht", sagt sie und nippt an ihrem Kaffee-Pappbecher. Der nächste Zug in diese Richtung soll um kurz vor zehn fahren. "Wenn der kommt, habe ich Glück. Falls der ausfällt, habe ich mir noch eine Mitfahrgelegenheit im Internet gebucht. Die fährt um zwei Uhr", erzählt sie und fügt hinzu: "Man weiß ja nie."

"Entschleunigt" fühlt sich ein Geschäftsmann und lächelt. Er steckt sein Handy in die Tasche. "Wir sind zum Warten gezwungen." Ein Anderer, mit französischem Akzent, sagt, er wäre bereits am Vortag gut informiert gewesen und hätten seine Reise dementsprechend planen können. Aus seiner Heimat sei er "andere Verhältnisse" gewöhnt.

Chaos bleibt aus

Plötzlich wird es hektisch. Für einen einfahrenden Zug wird per Lautsprecher eine Gleisänderung bekannt gegeben. Die wartenden Menschen eilen zum benachbarten Bahnsteig. Den Zug zu verpassen hätte an diesem Tag fatale Folgen. Bis Sonntag streiken die bei der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) organisierten Mitarbeiter der Deutschen Bahn - zum achten Mal. Nur jeder dritte Fernzug fährt. Per Internet informiert die Deutsche Bahn ihre Kunden über Zugausfälle sowie abweichende Ankunfts- und Abfahrtszeiten. "Ich bin heute pünktlich in Mainz abgefahren und nach knapp einer Stunde und dreißig Minuten in Köln angekommen", freut sich ein Mann. Damit ist er schneller an seinem Ziel, als gedacht. Vier Stunden bleiben ihm jetzt noch bis zu seinem Termin. Mit seinem Trolley verlässt er das Bahnhofsgebäude.

Bahnhofshalle in Köln - Foto: Sabrina Pabst (DW)
Bild: DW/S. Pabst

Auf einem Bahnsteig am anderen Ende stehen mehrere Menschen. Ein Regionalzug der privaten DB-Konkurrenz fährt ein: pünktlich, weil die Lokführer bei diesem Unternehmen nicht streiken. Ein Pendler meint, den Vorteil des ganzen Streiks hätten die privaten Bahnen. "Das ist zwar ein Vorteil für viele Pendler, aber so bringt der ganze Streik doch nichts."

Die Stimmung kippt

Der Arbeitskampf der Lokführer sorgt in einer kleinen Reisegruppe für heftige Diskussion. "Verstehen kann man natürlich beiden Seiten: die Bahn und die Gewerkschaft. Aber dass der Streik jetzt so lange dauert, ist schon extrem und ungewöhnlich", sagt eine ältere Frau. Sie will mit dem nächsten Zug nach Berlin fahren. Ihre Freundin nickt. Bisher hatten sie Verständnis für die Streiks des Bahnpersonals, jetzt nicht mehr. "Es geht ja nicht nur um mehr Gehalt, sondern um einen Machtkampf der Gewerkschaften. Dieser Streik ist völlig unnötig."

Diese Aussage bestätigt auch eine junge Bahnmitarbeiterin, die an einem Informationsstand vorbeiläuft, wo sich wenige Bahnkunden in die kurze Warteschlange einreihen. Die Streiks träfen besonders die Bahnkunden, aber auch das Personal, das an diesen Tagen arbeiten müsse. Sie ist aufgebracht: "Meine Kollegen streiken und wir müssen uns dafür hier vor unseren Kunden rechtfertigen." Sie berichtet von wütenden Reisenden, die für den Arbeitsstreik kein Verständnis hätten. Viele seien frustriert, weil angekündigte Züge nicht so fahren, wie geplant. "Auf so ein Krisenmanagement sind wir nicht vorbereitet. Wir haben heute Glück, dass es nicht die Massen sind, wie noch bei den ersten Streiks."

Solidarität unter Reisenden

Während auf den Bahnsteigen und in der Bahnhofshalle also kaum Leute unterwegs sind, sieht es im Kölner Reisezentrum der Deutschen Bahn ganz anders aus - dort, wo neue Tickets gekauft und in den kommenden Tagen auch umgetauscht werden können: Es ist völlig überfüllt. "Der Bahnstreik verbindet", lacht eine wartende Frau. Dass sie mit einer kleinen Gruppe hier zusammenstehe und sich gut unterhalte, sei purer Zufall. Von Duisburg kommend saßen sie gemeinsam im Zug und teilen ein ähnliches Schicksal. Köln Hauptbahnhof ist für sie erst mal Endstation. "Eigentlich schwanke ich zwischen Verzweiflung und Resignation", fügt sie hinzu.

Leerer Bahnsteig im Kölner Hauptbahnhof - Foto: Sabrina Pabst (DW)
Bild: DW/S. Papst

Die Österreicherin hat auf ihrer Hinreise schon den vorherigen Bahnstreik erlebt, doch da hätte sie Glück gehabt und einen der durchfahrenden Züge nehmen können. Jetzt will sie zurück nach Bregenz. Normalerweise brauche sie für die Strecke acht Stunden. Heute wird es deutlich mehr. Wann sie dort heute ankomme? Sie zuckt mit den Schultern. Ein Zug solle bald nach München fahren. Wie es von dort weitergeht, könne ihr noch niemand sagen. Für den Streik des Bahnpersonals hat sie kein Verständnis: "Die Deutschen sind immer so korrekt und strukturiert. Gerade die Deutsche Bahn steht doch für diese typisch deutschen Tugenden", sagt sie. Dass der fast eine Woche dauernde Streik zulasten der Bahn-Kunden geht, kann sie nicht verstehen. "Es wird alles so unzuverlässig."

Draußen, nur wenige Meter vom Bahnhofsgebäude entfernt, steht ein Ehepaar an der Haltestelle einer Fernbusgesellschaft. Sie wollen zum Frankfurter Flughafen und von dort in ihren Urlaub starten. Ein Zug fährt heute nicht dorthin. "Als wir gehört haben, dass das Bahnpersonal wieder streiken will, haben wir uns vorsichtshalber Tickets für Fernbusse gekauft." Das sei eine Alternative, die sie zum ersten Mal ausprobieren. "Not macht erfinderisch", zwinkert die Ehefrau zu. Über ihren Rückweg haben sie sich noch keine Gedanken gemacht. "Wenn wir in einer Woche zurück sind und wieder zur Arbeit pendeln müssen, hat hoffentlich der ganze Spuk ein Ende."