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EKD-Chef Schneider geht vor der Zeit

Stefan Dege30. Juni 2014

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche tritt aus persönlichen Gründen zurück. Seine Frau ist an Krebs erkrankt. Nikolaus Schneiders Rücktritt kommt für die Protestanten zu einem ungünstigen Zeitpunkt.

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Gottesdienst unter freiem Himmel beim 34. Evangelischen Kirchentag in Hamburg 2013 (Foto: DW/Dege)
Bild: DW/Dege

Schneider möchte mehr Zeit für seine an Krebs erkrankte Frau Anne haben, mit der er seit 44 Jahren verheiratet ist. "Unserem gemeinsamen Weg will ich alle Zeit widmen", teilte er in Berlin mit. Das mache den Rücktritt vom Amt des EKD-Ratsvorsitzenden unerlässlich. "Die Liebe zu meiner Frau geht vor den Dienst."

Es ist die zweite Krebserkrankung, die die Familie Schneider trifft. Die jüngste der drei Töchter des Ehepaars starb im Jahr 2005 an Leukämie.

Vertreter beider christlichen Kirchen reagierten mit großem Mitgefühl. D'ie Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer, sagte: "Unsere Gedanken und Gebete begleiten Anne und Nikolaus Schneider in der kommenden Zeit." Der Vorsitzende der Katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, zollte Schneider Respekt für seine Entscheidung. Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz sei er dankbar für die bisherige Zusammenarbeit mit dem Ratsvorsitzenden der EKD. "Nikolaus Schneider ist ein verlässlicher Brückenbauer in der Ökumene", erklärte Marx.

Präses Nikolaus Schneider (Foto: picture-alliance/dpa)
Gibt sein Amt vorzeitig auf - der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus SchneiderBild: picture-alliance/dpa

Schneider will "geordneten Amtswechsel"

Der EKD-Ratsvorsitzende tritt ein Jahr vor Ablauf der Wahlperiode im November zurück. Eigentlich wäre seine Amtszeit im Herbst 2015 zu Ende. Doch nun wird Nikolaus Schneider nur noch bis zur EKD-Synode im November in Dresden an der Spitze der Kirche stehen. Dort soll dann ein Nachfolger gewählt werden. Dessen Amtszeit jedoch soll zunächst nur bis zum Ablauf der Legislaturperiode im Herbst 2015 laufen.

Mit seinem Rücktritt lässt Schneider auch die - mit zunehmend harten Bandagen geführte - Kontroverse um das protestantische Familienbild hinter sich. Der Streit hatte sich im Sommer 2013 an dem von Schneider als "Orientierungshilfe" mit verfassten "Positionspapier zu Ehe und Familie" entzündet und war dann eskaliert. Wertebewahrer stehen seither gegen Werteveränderer, Konservative gegen Liberale. Ein liberales Papier zur Sexualethik wurde erst gar nicht veröffentlicht, um keine neuen Debatten zu entfachen.

Kontroverse um das Familienbild der Protestanten

Selbst der sperrige Titel "Zwischen Autonomie und Angewiesenheit - Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken" lenkt von der Sprengkraft des Positionspapiers nicht mehr ab. Seit 2009 hatte es ein Expertengremium das Grundsatzpapier für den Dachverband der 20 evangelischen Landeskirchen erarbeitet. Tenor: Die EKD erkennt alle Formen des familiären Familienlebens an, inklusive homosexueller Lebenspartnerschaften und sogenannter Patchwork-Familien. Die Ehe könne nicht als einzige Form gelten.

Beifall kam vor allem von liberalen Kirchenvertretern. Ihr Argument: Die Kirche passt sich – längst überfällig - an die moderne Gesellschaft an. Kritiker beklagen hingegen eine "Desorientierung". Theologisch konservative Kreise monierten ein "fehlendes Bekenntnis zum christlichen Leitbild von Ehe und Familie".

Zwischen den Fronten

Der EKD-Vorsitzende Schneider geriet unter Rechtfertigungsdruck. Der Konflikt ist nicht ausgestanden, sondern schwelt weiter und hat nach Einschätzung von Beobachtern das Zeug zum "größten kirchenpolitische Streit der letzten Jahre." Sicher ist: Auch ein Jahr nach dem ersten Schlagabtausch sind die 23 Millionen evangelischen Gläubigen noch immer gespalten.

EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider bei seiner Audienz bei Papst Franziskus (Foto: Reuters)
Ökumenisches Highlight - der Besuch bei Papst FranziskusBild: Reuters

Der in Duisburg geborene Schneider war bis 2013 auch Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und gehört seit 2003 dem Rat der EKD an. Wirtschafts- und Sozialethik, Ökumene von evangelischer und katholischer Kirche sowie der Dialog der Religionen stellen Schwerpunkte seines theologischen und kirchlichen Arbeitens dar. Von 1977 bis 1984 war er Pfarrer in Duisburg-Rheinhausen, wo er sich für die Erhaltung von Arbeitsplätzen in der Kohle- und Stahlindustrie einsetzte. 2012 wurde Schneider mit der Buber-Rosenzweig-Medaille, 2013 mit dem Leo-Baeck-Preis ausgezeichnet.