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Bislang galt der ägyptische Milliardär Samih Sawiris vor allem im arabischen Raum als Visionär für Tourismusprojekte. Nun soll er das Schweizer Bergdorf Andermatt vor dem endgültigen Untergang retten.
Panoramablick auf Andermatt
Samih Sawiris stapft durch den Schnee von Andermatt und begutachtet sein neues Reich. Auf den ersten Blick erinnert der ägyptische Milliardär durchaus ein wenig an Numerobis, den kleingewachsenen ägyptischen Architekten aus "Asterix und Kleopatra", der einen Palast für Caesar bauen muss. In seiner Verzweiflung bittet er um Hilfe bei seinen gallischen Freunden Asterix und Obelix. Und wie der Zufall so will, muss auch Numerobis dabei durch Schnee stapfen.
Damit hat es sich dann aber auch mit den Parallelen zwischen der Comicfigur, deren Paläste oft schnell wieder zusammenbrechen, und Sawiris, dessen Projekte eine unglaubliche Erfolgsgeschichte schreiben. Anders als bei Asterix sucht hier nicht das Morgenland um Hilfe beim Abendland, sondern umgekehrt.
Anfang vom Ende
Samih Sawiris: Von der Wüste in den Schnee
Eigentlich war Andermatt am Gotthard ein Schweizer Bergdorf, das alle Voraussetzungen gehabt hätte, ein mondäner Wintersport- und Kurort zu werden. Der Ort war über mehrere Pässe einfach zu erreichen und lag lange vor den Gotthardtunnels an einer der wichtigsten Nord-Süd-Ost-West-Achsen der Alpen. Durch den Durchgangsverkehr zu Wohlstand gekommen, entwickelte sich Andermatt Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem beliebten Tourismusziel mit Grandhotels und dem zweiten Skilift der Schweiz. Doch der Niedergang begann mit dem Aufstieg zur Schweizer Militärfestung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Um sich vor eventuellen Übergriffen feindlicher Staaten zu schützen, entwickelten konservative Schweizer Kräfte den paranoiden Gedanken des "Reduit" genannten Rückzuges. Die Idee war, sich im Falle einer Invasion in die Berge des Gotthard zu verkriechen. Dafür wurden Berge ausgehöhlt, mit Straßen und Bunkern durchzogen und zur Verteidigung mit Geschützen aller Art bewaffnet. Andermatt wuchs zum wichtigsten Militärstützpunkt der Schweizer. Damit verbunden war erneut ein Wohlstandsschub für das gemütliche Bergdorf. Die Geschäfte, Werkstätten und Restaurants boomten. Das Interesse der Andermatter, ihr touristisches Angebot weiter auszubauen, erlahmte indes völlig.
Der Niedergang
Bagger rollen auf Andermatt zu
Mit dem Abzug des Schweizer Militärs Ende der 80er Jahre begann dann auch der endgültige Niedergang des Dorfes. Bis zum Jahr 2000 verlor Andermatt in etwa 20 Jahren rund 20 Prozent seiner Einwohner durch Wegzug. Zuletzt lebten hier gerade noch 1200 Menschen. Tendenz stark fallend. Die Zukunft lag woanders. "Die Alternative zu diesem Projekt heißt schlicht wegziehen", erklärt dann auch Banz Simmen, der die gelegentlichen Tagestouristen aus der Züricher und Luzerner Gegend durch den alten Ortskern gleich unterhalb des legendären 3000 Meter hohen Gemsstock führt.
"Dieses Projekt", das den Andermattern nun aber wieder Hoffnung gibt, Anschluss an den lange vernachlässigten Tourismusmarkt zu bekommen, heißt "Andermatt Swissalps". Rund 1,25 Milliarden Euro will der ägyptische Milliardär Samih Sawiris, der mit einem Familienvermögen von 20 Milliarden Dollar zu den reichsten Menschen der Welt gezählt wird, in Andermatt investieren.
Vom Sand in den Schnee
Der ägyptische Milliardär vor einem Modell seines Luxusdorfes
Seit dem Sommer wird gebaut. Und wenn dann bis 2020 alles fertig ist, sollen sechs Luxushotels, 490 Appartements sowie 25 Luxusvillen mit einem Stückpreis von zehn bis 20 Millionen Franken entstanden sein. Neben 3800 Gästebetten sollen 1800 Arbeitsplätze entstehen. Dazu kommen Geschäfte, Restaurants, ein Golfplatz, Sportanlagen sowie die komplette Restaurierung des umliegenden Skigebiets für 125 Millionen Schweizer Franken.
Entstanden war die Idee zu Andermatt Swissalps bereits 2005. Dem Schweizer Botschafter in Kairo stach nach seinem Wechsel zum Schweizer Militär die prekäre Situation der Andermatter durch den Armeeabzug ins Auge. Da musste der Diplomat an seinen Freund Samih Sawiris denken, der bereits in den 90er Jahren aus dem Wüstensand die luxuriöse Ferienstadt El Gouna am Roten Meer geschaffen hatte. Heute leben dort mehr als 20.000 Menschen vom Tourismus, der als einer der umweltverträglichsten weltweit gilt. "Als man mich gefragt hat, fand ich das witzig", erzählt Sawiris die Geschichte der ersten Kontaktaufnahme: "Die Schweiz holt sich einen Afrikaner, um sie zu belehren, was hier zu machen ist."
PR in eigener Sache
Die Klötzchen stellen das geplante Luxus-Feriendorf dar
Ein Gedanke, der ihm gefällt. Das Land, das Ende 2009 per Volksentscheid die Minarette auf den Moscheen verbieten ließ, holt sich einen Entwicklungshelfer aus dem Morgenland. Doch Sawiris Erfahrungen sind überraschend positiv: "Ich habe die Schweizer überzeugen können, dass nicht alle Araber einen Riesenbart und vier Frauen mit Schleier haben", schmunzelt der Ägypter über seine ersten Begegnungen mit den Eidgenossen.
Allerdings hat Sawiris auch viel getan, um eventuellen Vorurteilen vorzubeugen, erinnert sich Dörte Wenger vom Sportgeschäft "Sport4You": "Anfangs gab es schon Gerüchte, dass da ein Ölscheich kommt. Aber Sawiris hat jedem nett zugelächelt, immer schön gegrüßt und sich die Zeit genommen, bei den Bürgerversammlungen jede Frage persönlich zu beantworten." Die Andermatter vertrauen dem immer freundlichen Kopten mit dem perfekten Deutsch, der abends gerne mal beim "Ochsen" zum Käsefondue einlädt.
Doch Dörte Wenger erhofft sich von Sawiris mehr als Käse: "Das ist Zukunft, vor allem für unsere Kinder." In zwei Jahren soll die Zukunft dann erstmals etwas abwerfen für die Andermatter. Am 1. Dezember 2013 wird das luxuriöse Chedi-Hotel seine ersten Gäste aufnehmen.
Autor: Taufig Khalil
Redaktion: Rolf Wenkel