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Eine Stadt mit drei Geschichten

Ingo Mannteufel29. Januar 2003

Die heutige russische Stadt Wolgograd trug in ihrer gut 400-jährigen Geschichte drei Namen. Und tatsächlich stehen die drei Namen auch für unterschiedliche Epochen in der russischen Geschichte.

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Allgegenwärtige VergangenheitBild: AP

Die rund 900 Kilometer von Moskau entfernte südrussische Stadt Wolgograd ist heute eine wichtige Industriemetropole am Unterlauf der Wolga. Über 70 Kilometer zieht sich die Stadt in einem schmalen Streifen am rechten Ufer der Wolga entlang. Mit einer Million Einwohnern zählt sie zu den 15 größten Städten des Landes.

Zarizyn

Gegründet wurde die Stadt im 16. Jahrhundert, und damals trug sie den Namen Zarizyn. Die Bezeichnung hat nichts mit den russischen Zaren zu tun, sondern entstand aus den tatarischen Begriffen "saey" (gelb) und "su" (Wasser). Im Russischen Reich entwickelte sich Zarizyn zu einem Industriezentrum mit Anlagen zur Erdölverarbeitung, Fischfabriken, einer Holzindustrie und Handelsagenturen.

Stalingrad

60. Jahrestag von der Schlacht um Stalingrad
Am 25. Januar 1943 geben zwei Soldaten der deutschen Wehrmacht auf.Bild: AP

In der frühen Sowjetzeit entstand in der Stadt mit Hilfe des amerikanischen Automobilkonzerns Ford ein riesiges Traktorenwerk. Im Jahre 1925 wurde die Stadt zu Ehren des sowjetischen Diktators Stalin in Stalingrad umgetauft. Und unter diesem Namen wurde die Stadt schließlich weltweit bekannt.

Im Zweiten Weltkrieg stießen deutsche Soldaten im Juli 1942 bis Stalingrad vor und besetzten die Stadt. In den folgenden Monaten kam es zu einer der grausamsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs mit mehr als einer Million Toten. Die Stadt war auch deshalb von beiden Seiten so hart umkämpft, weil sie den Namen des sowjetischen Diktators trug. Die Schlacht endete mit der Einkesselung der deutschen VI. Armee und deren Kapitulation am 2. Februar 1943.

Wolgograd Mamajew Kurgan Mutter Heimat
Denkmal "Mutter Heimat" in WolgogradBild: DW

In der Nachkriegszeit wurde Stalingrad völlig neu aufgebaut und mit ihr auch die Industrie. Das Stadtzentrum ist dem Baustil der damaligen Zeit entsprechend von pompösen neoklassizistischen und neobarocken Bauten geprägt. Das Bild der Außenbezirke ist eher durch die typischen sowjetischen Plattenbauten bestimmt.

Wolgograd

Aufgrund der mit Stalin verbundenen Verbrechen in der Sowjetunion ließ der sowjetische Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow den Namen der Stadt 1961 im Zuge der Entstalinisierung erneut ändern: in Wolgograd - Stadt an der Wolga.

Bis heute ist die blutige Vergangenheit auf Straßen und Plätzen in Wolgograd gegenwärtig. An vielen Stellen erinnern ausgestellte T34-Panzer und Kampfflieger sowie Heldendenkmäler an den Sieg der Roten Armee in der Schlacht um Stalingrad. Im kommunistisch regierten Gebiet Wolgograd ist ein wirtschaftlicher Aufschwung bis heute kaum spürbar. Zahlreiche Staatsbetriebe wie das berühmte Traktorenwerk stecken seit dem Zerfall der Sowjetunion in der Krise. Denn die Last der Vergangenheit machte den Start in eine andere Zukunft nach dem Ende der Sowjetunion 1991 nicht leichter.

Traktoren aus Volgograd
Rote Traktoren aus dem roten WolgogradBild: AP