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Eine Reihe russischer Oligarchen will sich mit den Journalisten von TW-6 um die ehemalige Sendelizenz dieser Fernsehgesellschaft bewerben

21. Februar 2002

– Jewgenij Kisseljow gibt Prinzipien bekannt, auf die nicht verzichtet werden kann

https://p.dw.com/p/1sFQ
Moskau, 20.2.2002, WREMJA NOWOSTEJ, KOMMERSANT

WREMJA NOWOSTEJ, russ., Maksim Maksimow

Gestern (19.2.) ist zum ersten Mal die Liste der Investoren veröffentlicht worden, die bereit sind, mit der Mannschaft von Jewgenij Kisseljow am Wettbewerb um die ehemalige Sendelizenz von TW-6 zusammenzuarbeiten. Wie der Chef der "Metalloinvest"-Holding, Oleg Kisseljow, der ebenfalls zu dieser Gruppe gehört, bei Radio ECHO MOSKWY mitteilte, seien der Gouverneur des Autonomen Bezirkes der Tschuktschen, Roman Abramowitsch, der Chef der Russischen Aktiengesellschaft "EES Rossiji", Anatolij Tschubajs, der Gründer der Gesellschaft "Wympelkom", Dmitrij Siminin, der Generaldirektor der Aktiengesellschaft "Objedinjonnyje maschinostroitelnyje sawody", Kacha Bendukidse, das Mitglied des Vorstandsbüros des Russischen Industriellen- und Unternehmerverbandes, Aleksandr Mamut, der Generaldirektor der Aktiengesellschaft "Russkij Aljuminij", Oleg Deripaska, und der Vorsitzende des Direktorenrates der MDM-Bank, Andrej Melnitschenko, bereit, Geld in die neue Fernsehgesellschaft zu investieren.

Herr Kisseljow versprach, dass die Gruppe der Unternehmer "alles tun wird, damit keine staatlichen Strukturen oder Unternehmen mit hohem Staatsanteil an dieser Aktiengesellschaft beteiligt sein werden". Er hob besonders hervor, dass Herr Tschubajs an diesem Projekt als Privatinvestor teilnehmen werde, dass es nicht um Mittel von RAO EES gehe. Kisseljow zufolge soll eine möglichst große Gruppe von Investoren gebildet und deren Zahl um das Zwei- bis Dreifache erhöht werden, "damit keiner der Teilnehmer dominieren und irgendwelche Bedingungen stellen kann". Auf die Frage des Moderators, ob es möglich wäre, dass Jewgenij Kisseljow zum Generaldirektor der neuen Gesellschaft ernannt werde, sagte er: "Auf der ersten Etappe der Formierung der Gesellschaft werden wir in erster Linie Kandidaturen in Betracht ziehen, die von den Journalisten selbst vorgeschlagen werden." (...) (lr)

KOMMERSANT, russ., 20.2.2002

(...) "Mit mir hat der Kreml keine Verhandlungen geführt"

Der Chef der "Metalloinvest"-Holding, Oleg Kisseljow, berichtet der KOMMERSANT-Korrespondentin Arina Borodina, wie sich die Allianz aus Unternehmern und der Mannschaft des ehemaligen TW-6-Senders bildet. (...)

Frage:

Jewgenij Kisseljow gab bei ECHO MOSKWY fünf Prinzipien bekannt, an die sich die Journalisten halten werden. Gehen sie auf deren Bedingungen ein?

Antwort:

Wir nehmen diese Bedingungen voll und ganz an. Wir sind der Ansicht, das ist für ein effizientes Fernsehen absolut notwendig, das Millionen Bürger des Landes sehen werden.

Frage:

Ist denn ein offizielles Dokument darüber unterzeichnet worden, dass sie die Aktionäre der neuen Fernsehgesellschaft sind?

Antwort:

Die wichtigsten Dokumente einer Aktiengesellschaft sind ein Abkommen der Aktionäre und das Statut. Diese Dokumente werden vorbereitet, sind vorläufig nicht unterzeichnet. Ich glaube, dass sie in der kommenden Woche unterzeichnet werden können.

Frage:

Dem Konsortium gehören sehr bekannte Persönlichkeiten an. Wie reagiert der Kreml auf ihr Vorgehen? Haben Sie keine Angst?

Antwort:

Ich persönlich habe vor nichts mehr Angst. Ich bin 48 Jahre alt und habe den größten Teil meines Lebens in der Sowjetunion gelebt. Ich fürchte nur eins: einzuschlafen und erneut in jenem Land aufzuwachen. Natürlich bedauere ich, dass die Sowjetunion zerfallen ist, ich möchte aber nicht in einem Land leben, wo Scheinheiligkeit und Heuchelei regierten.

Frage:

"Rotes Licht" haben sie dann doch vom Kreml bekommen, bevor sie die Verhandlungen aufnahmen?

Antwort:

Ich habe keine Verhandlungen mit dem Kreml geführt. Ich habe mit den Journalisten verhandelt, mit meinen Kollegen über die Gründung der Aktiengesellschaft. Der Kreml hat auch keine Verhandlungen mit mir geführt.

Frage:

Aber fast jeder Teilnehmer des Konsortiums hat Zugang zum Kreml...

Antwort:

Dann stellen Sie ihnen diese Frage. Ich verfüge über keine Information darüber, dass sie ihre Position mit dem Kreml abgestimmt haben.

Frage:

Wie wird Ihrer Meinung nach die Macht darauf reagieren?

Antwort:

Wenn Sie das Ministerium für Angelegenheiten der Presse, des Fernsehens und der Massenkommunikationsmittel meinen, so wird der Wettbewerb um die Sendelizenz alles offenbaren.

Frage:

Und die Reaktion der Präsidentenadministration und des Präsidenten selbst?

Antwort:

Wollen Sie, dass wir uns die positive Reaktion des Kremls sichern?

Frage:

Es ist aber schwer, sich vorzustellen, dass die Gründung der neuen Fernsehgesellschaft, deren Mannschaft dabei ist, zum dritten Mal wieder geboren zu werden, ohne Genehmigung des Kremls verläuft.

Antwort:

Schreiben Sie Artikel ohne Genehmigung des Kremls?

Frage:

Ja, wir schreiben.

Antwort:

Das bedeutet, dass einiges bei uns auch ohne Billigung des Kremls getan wird. Die Zeitung KOMMERSANT erscheint doch auch ohne Genehmigung des Kremls.

Frage:

Ist Anatolij Tschubajs tatsächlich die wichtigste Person im Konsortium?

Antwort:

Wissen Sie, Anatolij Borissowitsch Tschubajs ist von Geburt her ein Führer, in unserem Konsortium ist er aber einer der Aktionäre. Er ist eine Person, deren Meinung Gehör geschenkt wird. Bei uns ist es jedoch so, dass der Meinung eines jeden Mitglieds dieser Mannschaft Gehör geschenkt wird.

Frage:

Uns vorliegenden Information zufolge wird der ehemalige Exekutivdirektor der Moskauer unabhängigen Rundfunkgesellschaft (MNWK), Pawel Kortschagin, zum Generaldirektor und Jewgenij Kisseljow zum Chefredakteur der neuen Fernsehgesellschaft ernannt werden...

Antwort:

Wir werden jedem vernünftigen Vorschlag zustimmen, den die Mannschaft der Journalisten unterbreiten wird.

Frage:

Das heißt, Sie haben nichts gegen Jewgenij Kisseljow?

Antwort: Jewgenij Kisseljow wird in der Gesellschaft bleiben. Welchen Posten er bekleiden wird, das ist eine Sache der Mannschaft. (...)

Frage:

Wie stellen Sie sich die neue Fernsehgesellschaft vor?

Antwort:

Als eine Aktiengesellschaft mit einer ausreichend hohen Zahl von Teilnehmern, Aktionären, die nicht erlauben werden, dass einer in der Gesellschaft dominiert, als Gesellschaft, in der die Aktionäre nur Business-Politik betreiben und sich nicht in die Redaktionspolitik einmischen. (...)

Welche Prinzipien kann Jewgenij Kisseljow nicht aufgeben

Wir haben uns entschieden, am Wettbewerb um die ehemalige Sendelizenz von TW-6 teilzunehmen, um in den Äther zurückzukehren. Es gibt aber Dinge, die wir nicht außer Acht lassen werden, es gibt Prinzipien, die wir nicht aufgeben können:

  1. Wir werden Nachrichten in unserem Land als Beruf wieder aufleben lassen, wir werden über alles berichten, was in unserem Land und der Welt geschieht – schnell, ehrlich, objektiv, ohne Kürzungen und Propaganda, ohne Rücksicht auf die Unzufriedenheit auch der aller höchsten Chefs.
  2. Wir werden ein Spiegel sein, in den die Machthabenden jederzeit gucken können, um zu sehen, wie sie tatsächlich in den Augen der Wähler aussehen.
  3. Wir werden kein Partei-Fernsehen sein, wir werden bei Wahlen nicht den einen oder anderen Kandidaten bedienen, die eine oder andere politische Kraft. Wir werden alle Teilnehmer der Ereignisse zu Wort kommen lassen, alle Standpunkte vorstellen.
  4. Wir werden keine "Informations-Schleifmaschine" in jemandes Händen sein, nicht erlauben, dass man uns zum Instrument für die Lösung von "Streitigkeiten unter wirtschaftlichen Subjekten" macht, sogar wenn die Beteiligten unsere Aktionäre, Kreditgeber sind.
  5. Wir werden liberale demokratische Werte, die Priorität der Interessen und Rechte der Menschen, die Prinzipien der bürgerlichen Gesellschaft, der Marktwirtschaft, des aufgeklärten Patriotismus verteidigen.

Wir sind bereit mit den Investoren zusammenzuarbeiten, die diesen Standpunkt teilen. (lr)