1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ein Teenager als Freestyle-Hoffnung

Olivia Gerstenberger3. Februar 2014

Waghalsige Sprünge und akrobatische Stunts auf Skiern - Lisa Zimmermann beherrscht die neue olympische Sportart Slopestyle mit ihren 17 Jahren schon ziemlich gut. Sie gilt als Geheimfavoritin.

https://p.dw.com/p/1B1YC
Lisa Zimmermann Wintersport Ski Alpin Freestyle
Bild: picture-alliance/dpa

Die langen blonden Haare lugen unter einer Mütze hervor, lächelnd schaut Lisa Zimmermann in die Runde der Journalisten, deren Fragen sie ehrlich beantwortet. Der Medienrummel scheint sie nicht einzuschüchtern. Dabei ist sie gerade einmal 17 Jahre alt und war bis vor kurzem außerhalb der Freeski-Szene relativ unbekannt. Doch jetzt steht sie im Mittelpunkt. Denn die Olympia-Novizin ist die erste deutsche Siegerin eines Slopestyle-Wettbewerbs. Und damit nun auch Medaillenkandidatin bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi. "Ich will nicht behaupten, dass ich um Gold oder Silber mitfahren kann. Ich versuche so zu fahren wie immer, und dann werde ich sehen, wievielte ich werde", versucht sie zwar abzuwiegeln. Aber sie weiß auch, dass sie bereits eine der besten Slopestylerinnen weltweit ist: "Ich versuche meine Tricks umzusetzen, die technisch schwierig sind. Wenn ich das schaffe, dann dürfte es auch immer eine gute Platzierung geben."

Highspeed-Akrobatik

Locker versucht sie zu bleiben, genauso wie im Funpark. Slopestyle, das ist eine der neuen olympischen Sportarten: spektakulär, frech, jung und bildstark. Dabei zeigen Ski- oder Snowboarder in einem mehrere hundert Meter langen Hindernispark Tricks, Drehungen und Sprünge über Schanzen und Eisenstangen, "kreative Runs", wie Lisa Zimmermann es formuliert. Die Junioren-Weltmeisterin hat viele hochwertige Tricks auf Lager: Vorwärts und rückwärts fahren und springen, Links- und Rechts-Drehrichtungen - dazu gehören neben Koordination vor allem Körperbeherrschung und eine große Portion Mut. "Überkopf-Umdrehungen geben die meisten Punkte", sagt sie. Dreh-Techniken beherrschte Zimmermann schon früh, denn eigentlich war sie Eiskunstläuferin. "Das Eislaufen hat mir sicher viel gebracht. Weil ich dadurch das Drehen gelernt habe, Drehgefühl habe, wie viel Geschwindigkeit ich brauche. Ohne das Eislaufen wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin."

Lisa Zimmermann im Funpark
Gleiten, springen, fliegen - Lisa Zimmermann liebt ihre neue Sportart SlopestyleBild: Getty Images

Doch das Eiskunstlaufen war nicht so wirklich ihre Sache. Die Gelenke schmerzten, die Lust verging beim Training, "weil es so stressig war. Am Wochenende war ich dann mit meinem Bruder Skifahren, das war lockerer. Da habe ich mir gedacht, ich fange jetzt damit an." Ein Ausflug in die Berge reichte aus, um die damals 14-Jährige für die neue Sportart zu begeistern. Statt im engen Glitzerkleidchen aufs Eis ging es fortan mit stylischen Klamotten in den Schnee. Ein ganz neues Lebensgefühl. "Es ist eigentlich das genaue Gegenteil vom Eislauftraining. Eigentlich fährt man mit seinen Freunden rum und lernt neue Tricks."

Learning by doing

Im Freestyle-Skifahren herrschte lange das Prinzip "Learning by doing" ohne Coach, ohne strenges Training. Auch Lisa hat sich vieles selbst beigebracht. "Beim Eiskunstlauf ist es ein Training, wie man es kennt von den Sportarten. Beim Freeski ist es einfach etwas anderes." Nachdem sie auch ihre zunächst kritische Mutter überzeugt hatte, legte Lisa Zimmermann los, probierte einfach mal auf eigene Faust Sprünge und Tricks aus und maß sich bei Wettbewerben mit anderen Frauen. Von schweren Verletzungen blieb sie verschont. "Ich hatte bisher mal eine Gehirnerschütterung oder Außenbandrisse in den Füßen, aber das war nach zwei Wochen auch wieder in Ordnung. Stürze gibt es öfter mal, sind aber nicht halb so schlimm, wie sie aussehen. Ich komme eigentlich fast aus jedem Skitag ohne blauen Fleck raus."

Die Sportart steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Weil sie nun olympisch ist, hofft Lisa Zimmermann auf eine positive Entwicklung und noch bessere Trainingsmöglichkeiten. "Im Sommer war ich auf einer Wasserschanze. Da springt man mit den Skiern in das Wasser rein. Das klingt zwar so, als ob es leichter wäre, aber es tut genauso weh wie im Schnee. Wenn man von drei, vier Metern auf das Wasser klatscht, ist das auch nicht ohne." Im Winter trainiert sie in den USA oder in Kanada. In Sotschi gibt es insgesamt zehn Freestyle-Goldmedaillen zu gewinnen, vier mehr als in Vancouver vor vier Jahren. Insgesamt zehn deutsche Athleten sind am Start, eine Medaille ist das ausgegebene Ziel. Der sportliche Leiter Heli Herdt setzt auch auf die junge Lisa Zimmermann: "Bei den Slopestylern hat Lisa Zimmermann mit ihrem Weltcup-Sieg in Gstaad gezeigt, dass sie ganz vorne dabei sein kann. Als Weltcupführende nach Sotschi zu kommen, spiegelt ihren Leistungsstand wider."

Die neue Olympia-Disziplin Slopestyle

So schnell kann es gehen. Ihr Mut und ihre halsbrecherischen Manöver brachten Lisa Zimmermann ins Freestyle-Geschäft. Per Internet verbreiteten sich ihre Videos, Sponsoren wurden aufmerksam. Spätestens, als sie Historisches schaffte und als erste Frau einen Sprung stand, den selbst nur wenige Männer beherrschen: Den Double Cork 1260. Dabei dreht man sich dreieinhalb Mal teilweise über Kopf in der Luft, also um insgesamt 1260 Grad. Schwer zu beschreiben sei das, sagt sie, man solle sich das im Internet anschauen. Videos zeigen ihren waghalsigen Sprung dort auch aus der Hubschrauberperspektive. Mit dem Double Cork 1260 gewann sie im vergangenen Jahr den renommierten Freeski-Wettbewerb "Nine Queens". Und mit diesem Trick könnte sie nun sogar Olympiasiegerin werden.