Ein Leben als Mandelas Weggefährte
11. Juni 2010Schon als Schulkind hatte Denis Goldberg begriffen, dass die Geschichtsbücher in Südafrika logen. Es herrsche keine Demokratie in einem Land, so der zehnjährige Denis zur seiner Mutter, wenn tatsächlich nur Weiße wählen gehen dürften. Heute erklärt Denis Goldberg ohne Eitelkeit, sein Bedürfnis nach Gleichberechtigung sei sein Leben lang die ihn treibende Kraft gewesen. Stattdessen quält den 77-jährige, dass er wegen des Kampfes gegen die Apartheid in Südafrika seine Familie vernachlässigen musste. Denn erst arbeitete er als einer der wenigen weißen Freiheitskämpfer im Untergrund, dann musste er jahrzehntelang ins Gefängnis.
Familientherapie nach Haftentlassung
Nach seiner Haftentlassung, erinnert sich Goldberg, habe er seinem inzwischen erwachsenen Sohn gegenübergesessen und versucht, ihm zu erklären, warum er für den Kampf seine Familie verlassen musste. "Ich hatte erkannt, dass Millionen Kinder in Südafrika durch die Apartheidgesetze ihre Väter nicht sehen können. Und mir war es unmöglich, meine Kinder wichtiger als alle anderen zu nehmen." Es sei für ihn unerlässlich gewesen, sich gegen diese Ungerechtigkeit aufzulehnen, so der Bürgerrechtler weiter. "Da hat mein Sohn mich angeschaut und mit seinen 28 Jahren angefangen zu heulen wie ein Sechsjähriger." Mit seiner Tochter, so berichtete der heute stolze Großvater weiter, habe es eine Psychotherapie und viele Jahre gebraucht, sich einander wieder anzunähern.
Ein Mann, eine Stimme
Mehr als 20 Jahre hatte Goldberg seine Familie nicht gesehen, weil er als studierter Bauingenieur im Untergrund die Munition für den Kampf gegen das Apartheid-Regime vorbereitete. Allerdings erst, als der Afrikanischen Nationalkongress (ANC) verboten wurde und der bewaffnete Flügel entschied, nicht mehr nur gewaltlos kämpfen zu wollen. Im öffentlichen Rundfunk verkündet Nelson Mandela damals: "Die Afrikaner fordern das Wahlrecht: Ein Mann, eine Stimme. Viele von uns spüren, dass es sinnlos ist, Frieden und Gewaltlosigkeit von einer Regierung zu erwarten, die auf jede Forderung nur mit brutalen Übergriffen auf Unbewaffnete reagiert." Man sei gezwungen, die bisher friedliche Strategie zu überdenken.
Viermal lebenslänglich
Gemeinsam mit Nelson Mandela und sechs anderen wurde Denis Goldberg im legendären Rivonia-Prozess der Verschwörung zum bewaffneten Putsch angeklagt. Allen Beschuldigten drohte der Tod am Galgen. Erst nach Druck der internationalen Öffentlichkeit hieß das Urteil im Juni 1964 schließlich "viermal lebenslänglich". Der Freiheitskämpfer beschreibt diesen Augenblick in seiner Autobiografie als einen intimen Moment, in dem er sich im Gerichtssaal an seine Mutter wendet, die ängstlich im Zuschauerraum saß. "Es war ein ganz wunderbarer Moment der Erleichterung. Wir hatten ernsthaft erwartet, dass wir hingerichtet werden", erinnert sich Goldberg und fügt eindringlich hinzu: "’Leben ist wunderbar!’ - habe ich meiner Mutter zugerufen. ‚Life, life is wonderful!’"
22 Jahre hinter Gittern
Zu seinem Leben, so berichtet Denis Goldberg weiter, gehörte eine lange und entbehrungsreiche Zeit hinter Gittern. Als Weißer war er nicht wie seine "Comrades" – wie sich die Freiheitskämpfer des ANC gegenseitig nannten – auf der Gefängnisinsel Robben Island inhaftiert, sondern in einer Haftanstalt in Pretoria. Dagegen habe er sich erfolglos gewehrt, beschreibt Goldberg: "Denn wir wollten eigentlich beweisen, dass wir Comrades, dass wir Genossen waren. Wir wollten alle die gleichen Haftbedingungen." Heute ist sich der 77-jährige sicher, dass diese Entscheidung mit Unverständnis und Furcht der Apartheid-Behörden zu begründen ist: "Sie konnten einfach nicht begreifen, dass ich mich Nelson Mandela unterordne und nicht andersherum."
Anerkennung als Menschen
Erst nach 22 Jahren wird Denis Goldberg schließlich begnadigt. Er selbst sieht diesen Moment als Wiedergeburt. Und obwohl er jetzt zurück bei der Familie ist, geht der Kampf für Gleichberechtigung der Geschlechter und Hautfarben weiter. Auch, indem er aktuelle Entwicklungen, wie den Mord an dem Rechtsextremisten Eugène Terre’Blanche im April dieses Jahres, kommentiert. Die Berichterstattung über den Fall habe gezeigt, wie tief die Feindseligkeiten nach wie vor sitzen. "Wenn ein junger Schwarzer durch einen Weißen ermordet wird, schreibt kein Mensch von Rassismus. Wenn es umgekehrt ist, berichtet die ganze Welt darüber", so die die Beobachtung des Bürgerrechtlers. Aus diesem Grund habe er jetzt seine Autobiografie veröffentlicht. "Ich kämpfe für die Anerkennung der afrikanischen Bevölkerung als Menschen."
Autorin: Stefanie Gebert
Redaktion: Dirk Bathe
Denis Goldberg: „Der Auftrag – Ein Leben für die Freiheit in Südafrika“, Assoziation A, ISBN 978-3-935936-90-3