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PolitikAfrika

Ein Jahr Luanda Leaks

Antonio Cascais
19. Januar 2021

Angolas Ex-Präsidententochter Isabel dos Santos galt als die reichste Frau Afrikas. Die Enthüllungen rund um die Luanda-Leaks-Affäre brachten ihr Kartenhaus vor einem Jahr zum Einstürzen.

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Unternehmerin Isabel dos Santos
Bild: Miguel Riopa/AFP

Mehr als 700.000 geleakte Dokumente machte der portugiesische Hacker und Whistleblower Rui Pinto, der in Portugal unter Hausarrest steht, vor einem Jahr der Öffentlichkeit zugängig: E-Mails, Verträge und Memos, die beweisen, wie sich die älteste Tochter des langjährigen Präsidenten von Angola, José Eduardo dos Santos, mit illegalen Geschäftspraktiken, Korruption und Nepotismus jahrelang bereicherte. Ihr Vermögen wurde zeitweise auf über drei Milliarden Dollar geschätzt.

"In Angola wussten wir schon vorher, dass wahrscheinlich nicht alles mit rechten Dingen vor sich ging. Dann aber kamen plötzlich unerhörte Dinge ans Tageslicht: Echte Dokumente, Beweise. Das hat uns sehr aufgewühlt", erinnert sich der angolanische Journalist und politische Analyst, Alexandre Neto Solombe.

Für viele Angolaner besonders überraschend: Regierung und die Staatsmedien Angolas schwiegen die Affäre keinesfalls tot. "Das staatliche angolanische Fernsehen griff das Thema auf und maß der Sache sogar eine große Bedeutung bei. Das war neu für viele Angolaner", so Solombe.

Kleptokratie mit internationaler Hilfe

Die geleakten Dokumente, die im Januar 2020 dem Internationalen Netzwerk Investigativer Journalisten (ICIJ) zur Verfügung gestellt wurden, brachten schnell ans Licht, dass die internationalen Milliardengeschäfte von Isabel dos Santos über ein Geflecht von mehr als 400 Firmen und Scheinfirmen in 41 Ländern abgewickelt worden waren - viele davon mit Sitz in Steueroasen wie Malta, Zypern, Mauritius oder Hongkong. Dem Dos-Santos-Clan ging es offenbar darum, Gelder aus dem lukrativen Öl-, Diamanten- und Mobilfunkgeschäft in Angola in großem Stil ins Ausland zu schaffen. Isabel dos Santos konnte dabei stets auf die Hilfe von Banken, Beratern und Anwaltskanzleien in Europa zählen, vor allem in Portugal, der alten Kolonialmacht, wo sie an unzähligen Unternehmen und Gesellschaften, unter anderem im Banken-, Energie- und Telekommunikationsbereich, beteiligt war.

Whistleblower Rui Pinto
Whistleblower Rui Pinto hat den Skandal aufgedecktBild: AFP/F. Isza

Mindestens eine Spur führt auch nach Deutschland: Eine Tochtergesellschaft der deutschen Förderbank KfW gab der Getränkefirma Sodiba einen Kredit über rund 50 Millionen Euro. Schon damals war bekannt, dass Sodiba zum Imperium der Präsidententochter gehörte - und dass die vermittelnde angolanische Bank als teilstaatliches Unternehmen der Weisung des Präsidenten-Vaters unterstand. 

"Luanda Leaks ist ein Beispiel dafür, wie sich in Ländern des globalen Südens Eliten bereichern. Und dabei auch auf ausländische Hilfe zählen können, dieses Geld anschließend abzuleiten, in Steueroasen zu verstecken, zu waschen und zu reinvestieren", bestätigt Daniel Düster, Journalist und Ko-Autor des Berichts "Paradise Watch - Luanda Leaks" der Bonner "Informationsstelle Südliches Afrika".  

Hexenjagd gegen Dos-Santos-Clan?

In Angola selbst war Isabel dos Santos schon vor Luanda Leaks in Ungnade gefallen, nämlich 2017, als ihr Vater nach fast vierzig Jahren im Amt die Macht an seinen langjährigen Weggefährten João Lourenço abgab. Der schlug plötzlich ganz neue Töne an, versprach Vetternwirtschaft und Korruption zu bekämpfen und entließ Isabel dos Santos noch im selben Jahr als Chefin des staatlichen Ölunternehmens Sonangol - ein Posten, auf den sie im Jahr zuvor von ihrem eigenen Vater gehievt worden war.

João Lourenço, Präsident von Angola
Präsident Lourenco griff erst mit harter Hand durch, nun soll in seinem Umfeld aber auch einiges im Argen liegenBild: DW/M. Luamba

Die Luanda-Leaks-Papiere gaben Lourenço im Nachhinein Recht, denn sie zeigten, wie Isabel dos Santos am Morgen nach ihrer Entlassung 58 Millionen Dollar von Sonangol an eine Beratungsfirma in Dubai überwies; Grund genug für die angolanische Justiz, die Vermögenswerte und Konten von Isabel dos Santos in Angola einzufrieren. Auch in Portugal und in den Niederlanden ordneten Gerichte die Sperrung von Konten der ehemaligen Präsidententochter an.

Isabel dos Santos verteidigt sich seitdem vehement gegen jegliche Vorwürfe aus den Luanda Leaks. Diese seien haltlos. Sie sei das Opfer einer orchestrierten Attacke des aktuellen Präsidenten Lourenço. Der Präsident sei dabei, selbst ein eigenes Patronagenetz aufzubauen.

Hat Lourenço Angola verändert?

Kurz nach der Veröffentlichung der Luanda-Leaks-Dokumente, vor einem Jahr, konfrontierte die DW Lourenço mit dem Vorwurf, er sei selbst über Jahrzehnte Teil der Regierung gewesen, die die Machenschaften des Dos-Santos-Clans gedeckt habe. "Ich war tatsächlich viele Jahre lang unter meinem Vorgänger José Eduardo dos Santos, unter anderem als Minister an der Macht beteiligt. Ja, auch ich war Teil des Systems", entgegnete Lourenço im DW-Exklusivinterview. "Aber gerade deshalb bin ich der Richtige, Veränderungen herbeizuführen, weil ich das System von Innen kenne."

Protest gegen Arbeitslosigkeit
Die Menschen in Angola sind unzufrieden, die Proteste häufen sichBild: Borralho Ndomba/DW

In Angola zweifelt man derweil zunehmend an der Integrität des Präsidenten. Seit Luanda Leaks haben eine Reihe von Korruptionsaffären Lourenços Regierung überschattet. Gegen den Präsidialamtschef sowie gegen mehrere Minister wurden Korruptionsvorwürfe laut. Auch die Tochter Lourenços, Cristina Dias Lourenço, stand zeitweise unter Druck, weil auch sie mit lukrativen Staatsposten bedacht wurde. Doch keiner dieser Fälle wurde bisher konsequent verfolgt.

Kommt Isabel dos Santos bald zurück?

Isabel dos Santos bezeichnet die Luanda-Leaks-Anschuldigungen über ihre Sozialen Netzwerke immer wieder als "politisch motiviert". In mehreren Statements schloss sie außerdem nicht aus, aus London nach Angola zurückzukehren, um bei den für 2022 anberaumten Wahlen als Präsidentschaftskandidatin anzutreten.  

Ganz chancenlos wäre sie nach Meinung von Beobachtern nicht. "Die Wut auf Isabel dos Santos ist verflogen. Sie ist der Wut auf die derzeitigen Machthaber gewichen", sagt Journalist Solombe. "Die meisten Menschen hier in Angola haben ein Hauptproblem: Hunger. Und der Hunger hat all den Enthusiasmus weggewischt, der vor einem Jahr noch da war."

Und auch in Europa scheinen kaum Lehren aus den Leaks gezogen worden zu sein, sagt Journalist Düster. "Solange es hier in Europa keine Regulierung gibt, wird es immer wieder solche Isabel dos Santos' geben, oder andere Leute, die die Lücken im System finden werden und Geldwäsche betreiben und ihre Steuern hinterziehen werden."