Ein Jahr des Streits bei Schwarz-Gelb
27. Oktober 2010Am Dienstag (26.10.2010) vor genau einem Jahr haben CDU/CSU und FDP den Koalitionsvertrag unterzeichnet. Zwei Tage später nahm die schwarz-gelbe Regierung ihre Arbeit auf. Die Stimmung zu Beginn ihrer Regierungszeit war ausgesprochen aufgeräumt und zuversichtlich. Doch in den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel schwang schon damals die Befürchtung mit, dass es mit dem Wunschpartner FDP vielleicht doch nicht so leicht werden könnte. Sie erklärte, man habe "lange dafür gearbeitet, eine solche Koalition zu schmieden, und das sollte uns auch in den Tagen tragen, wenn es mal ein bisschen schwieriger wird."
Ein bisschen schwieriger wurde es in der Tat. Die Koalition blickt auf ein Jahr des Streits und der Auseinandersetzungen zurück. Kaum ein Gesetzesvorhaben konnte ohne Konflikte zwischen den Regierungsparteien vorangetrieben werden. Die Streitereien machten auch vor persönlichen Beschimpfungen und Verunglimpfungen nicht halt.
Steinmeier: "Alptraum für die Bürger"
Aus dem Traumpaar Union und FDP sei ein Alptraum für die Bürger geworden, kritisierte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. "So kann man nicht regieren", bekräftigte der Oppositionsführer. Das seien keine Startschwierigkeiten, sondern "etwas, was auf Dauer nicht funktionieren kann". Die Koalition verbinde nicht wirklich etwas miteinander. "Da ist kein gemeinsames Projekt, das ist keine Idee, da ist kein innerer Zusammenhalt."
Diverse Streitfälle
Beispiel Steuerentlastungen: Für die FDP war dies eines ihrer wichtigsten Ziele, sie wollte die Steuern senken. Die Union sah dafür in Zeiten der Wirtschaftskrise und des Rekorddefizits keine Spielräume. Erst ein Machtwort der Kanzlerin beendete den Streit. Beispiel Rente mit 67: CDU und FDP wollen an ihrer Einführung festhalten. Diesmal war es CSU-Chef Horst Seehofer, der damit drohte, der Koalition die Gefolgschaft zu verweigern. Beispiel Euro-Stabilitätspakt: FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte öffentlich die Regelung, die Kanzlerin Merkel mit dem französischen Präsidenten Nikolas Sarkozy ausgehandelt hatte.
Westerwelle sieht Regierung trotzdem auf gutem Weg
Dennoch zieht der FDP-Chef und Vize-Kanzler am Ende des ersten Jahres eine positive Bilanz: "Ich stelle fest, die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit sinkt." Das hänge auch mit politischen Rahmenbedingungen zusammen. Die Regierung habe die Chancen und Möglichkeiten bei Bildung und Forschung deutlich verbessert.
Auch bei den Themen Sicherheit und Bürgerrechten sei die Regierungskoalition gut vorangekommen - und "auch ganz wesentlich in der Reform der sozialen Sicherungssysteme". Zudem könnten außenpolitische Erfolge nicht geleugnet werden, erklärte der Bundesaußenminister.
Regierungsparteien im Umfragetief
In den Meinungsumfragen spiegeln sich diese Erfolge jedoch nicht wider. Beide Koalitionspartner sind regelrecht abgestürzt. Vor allem die FDP müsste, wenn jetzt Bundestagswahl wäre, um ihren Wiedereinzug in den Bundestag bangen. Von der Enttäuschung über die Regierung konnten bislang vor allem die Grünen profitieren. Sie drohen in manchen Gegenden Deutschlands der SPD inzwischen den Rang als zweitstärkste Partei abzulaufen.
Die Sozialdemokraten aber wollen sich in diesen Tagen nicht mit sich selbst beschäftigen. Stattdessen verweisen sie auf die ihrer Meinung nach katastrophale Bilanz der Regierung am Ende ihres ersten Jahres. SPD-Fraktionschef Steinmeier wettert: "Dieses eine Jahr war Pfusch, das war nichts, das wird nichts und ich sage voraus, das wird nicht der Herbst der Entscheidungen, sondern das wird der Herbst der Regierung, und weitere Blätter werden fallen."
Autorin: Bettina Marx
Redaktion: Ursula Kissel