1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ein Haus steht Kopf

Rosalia Romaniec3. September 2008

"Die Welt steht Kopf" in Trassenheide auf Usedom. Dort wird in diesen Tagen ein Haus seine Türen öffnen, in dem alles am richtigen Platz angebracht ist und dennoch kann dort niemand wohnen, denn das Haus steht Kopf.

https://p.dw.com/p/FAfw
Im Ostseebad Trassenheide steht ein Haus auf dem Kopf (26.08.2008/AP)
Ein Haus steht KopfBild: AP

"Die Welt steht Kopf" lautet das Motto in Trassenheide, einem kleinen Ostseekurort auf Usedom, nahe der deutsch-polnischen Grenze. Dort wird in diesen Tagen ein Haus seine Türen öffnen, in dem alles am richtigen Platz angebracht ist und dennoch kann dort niemand wohnen, denn das Haus steht Kopf und das nicht nur auf den ersten Blick.

Wo bei einem normalen Haus der Eingang sein sollte, liegt in Trassenheide das Elternschlafzimmer, denn hier ist unten oben und umgekehrt. Angrenzend liegt aber – wie bei einem normalen Haus - das Bad, weiter das Kinderzimmer und im oberen der eigentliche Eingang, die Garderobe, die Gästetoilette und die Küche.

Verkehrte Welt

Boot vor der Seebrücke auf Usedom (20.12.2002)
Neben der Seebrücke ist das umgekehrte Haus eine weitere TouristenattraktionBild: AP

Nicht nur die Fundamente schauen zum Himmel, auch die gesamte Ausstattung, die sonst auf den Boden gehört, hängt dementsprechend an den Decken. Schon bei einer kurzen Führung durch das Bauwerk bekommen die Besucher Schwindelgefühle. Denn das 120 Quadratmeter große Haus steht nicht nur Kopf, sondern hat auch leichte Schräglage.

Die Küchenausstattung, Stühle und Tische, Waschbecken, alles ist da, wo es hingehört und doch eignet sich nichts zum Gebrauch. Wenn man Wasser aufdreht, fließt es von oben und wer im Bett liegen will, muss sich fest anschnallen. Für den Bauplaner Helmut Schulze ist das Werk in Trassenheide eine Herausforderung und Spielwiese zugleich. Es sei ein absolutes Neuland, denn man könne auf keine Erfahrungswerte zurückgreifen und müsse alles ausprobieren. Es sei einfach verrückt, aber lustig.

Bildung, die Spaß macht

ein Haus auf dem Kopf mit Bauzaun und Schaulustigen (Romaniec)
Schon vor der offiziellen Öffnung stehen Schaulustige vor dem HausBild: DW / Rozalia Romaniec

Die Idee kommt von einem jungen polnischen Ingenieur, der in Hamburg studierte und sich heute "Edutainer" nennt. Klaudiusz Golos hat schon einige verrückte Projekte in Polen umgesetzt und verbindet gerne Erlebniswelten mit Bildungsreisen. Das umgekehrte Haus ging ihm schon seit Jahren durch den Kopf:

Zum ersten Mal habe er so etwas in Orlando gesehen, berichtet der Edutainer. Es habe ihn beeindruckt, dass man so viele alltägliche Sachen in einem ganz anderen Zusammenhang sehe. Es sei ein interessanter Perspektivenwechsel. Damals habe er mit einem Geschäftspartner zusammen überlegt, dass so etwas auch in Europa toll wäre. Sie wollten aber auch vor dem Haus ein kleines Feld für Vorführungen und Experimenten einrichten, damit Kinder mehr über die Bautechnik, Physik und über Architektur lernen könnten. Das Projekt solle Spaß machen und zugleich bilden.

Haus sucht neues Zuhause

Deutsche Bundespolizisten an der Deutsch-Polnischen Grenze in Ahlbeck, Insel Usedom. (19.12.2007/AP)
Statt der Grenze gibt es jetzt grenzübergreifende Kunstprojekte zwischen Deutschland und PolenBild: AP

In Polen gibt es schon ein ähnliches Haus in der Nähe von Danzig, weshalb Golos nach einem Platz in Deutschland suchte. Nachdem er in mehreren Gemeinden in den alten Bundesländern auf taube Ohren gestoßen ist, kam der polnische Ingenieur nach Trassenheide und traf dort den Bürgermeister Peter Schwarze. Dieser fand die Idee geradezu ideal für seine 1000-Seelen-Gemeinde auf Usedom.

Die Insel Usedom brauche nicht das 100. Hotel, auch nicht die 3000. Ferienwohnung, aber sie brauche Anlaufpunkte, die einmalig sind, schließlich sei es eine gemeinsame Insel für Polen und Deutsche, so Schwarze.

Das Gemeinsame betont der Bürgermeister gerne, denn nur wenige Kilometer weiter ist die deutsch-polnische Grenze. Für ihn hat die polnische Investition auch eine besondere Bedeutung. Er wolle dokumentieren, dass die Polen zur Insel gehören, sagt Schwarze. Besonders toll fände er, dass die osteuropäischen Nachbarn auf der deutschen Seite investieren, obwohl es früher immer andersherum war.

Tiefe verkehrte Einblicke

Mann vor umgedrehtem Haus (Romaniec)
Wer steht hier Kopf?Bild: DW / Rozalia Romaniec

Das Haus steht auf einem kleinen Grundstück im ehemaligen Industriegebiet Kopf. Direkt in der Nachbarschaft gibt es eine Schmetterlingsfarm, bald sollen dort weitere Ausstellungen entstehen. Der Bürgermeister will eine ganze Spiel- und Museumslandschaft einrichten. Wenn nur 20.000 Gäste pro Jahr den Eintritt für die Hausbesichtigung bezahlen, dann würde sich die Investition nach wenigen Jahren lohnen und die Gemeinde würde von den Steuereinnahmen profitieren.

Über mangelndes Interesse kann sich das Bauwerk jedenfalls nicht beklagen. Denn noch bevor die Türen offen waren, versammelten sich davor täglich viele Touristen und diskutierten darüber, ob das Haus als Kunstobjekt oder als schräge Idee zu betrachten sei.

Ob als Kunstobjekt, als Bildungseinrichtung oder als Geschäftsidee - der Perspektivenwechsel animiert zum Nachdenken. Wer das Haus betritt, wird sich nicht zwangsläufig sofort wohl fühlen, doch er bekommt einen klaren Eindruck davon, wie es ist, wenn man in eine verkehrte Welt eintaucht. Und bei manchem kann es auch zu tieferen Erkenntnissen führen, über die man dann im Ostseeurlaub viel nachdenken kann.