Ein Blick durch die Kamera der Staatssicherheit
Die DDR-Staatssicherheit war menschenfeindlich und gefürchtet - und wirkt im Rückblick doch bizarr. Der Berliner Künstler Simon Menner durfte in den Stasi-Archiven recherchieren: Sein Fotoband bietet einmalige Einblicke.
Fundstücke, die Geschichte erzählen
Vor 24 Jahren war es vorbei: Die DDR hörte fast über Nacht auf zu existieren - und mit ihr die Stasi, einer der größten und menschenfeindlichsten Geheimdienste der Welt. Der Berliner Künstler Simon Menner hat zwei Jahre lang im Stasi-Archiv recherchiert und präsentiert in seinem Fotoband "Top Secret" einmalige Bilder - dieses stammt aus einem "Verkleidungs-Seminar" für Stasi-Mitarbeiter.
"Zielperson" im Visier der Spitzel
Dieses Bild stammt aus einem Überwachungsfilm. Eine Person wurde tagelang beschattet. Bild für Bild wurde der Beschattete mit einem Pfeil markiert. Mit über 90.000 hauptamtlichen Mitarbeitern und über 100.000 inoffiziellen Mitarbeitern ("IMs") verfügte die Staatssicherheit über eines der weltweit dichtesten Spionagenetze der damaligen Zeit.
Nachgestellte Observation
Auch die Spionage ist letztendlich ein Handwerk: Nachgestellte Observationsbilder wie diese finden sich oft in den Archiven der Staatssicherheit. Sie wurden zu "Schulungszwecken" erstellt - um den Spitzeln beizubringen, worauf sie besonders achten müssen. Ganz genau zu beobachten war etwa, wann, wo und mit wem sich ein Verdächtiger trifft…
Verdächtige Lektüre
…oder aber, was er liest. Für dieses Bild hat die Stasi womöglich ein Buch aus der hauseigenen Bücherei verwendet: "Das ABC des großen Geldes, Macht und Reichtum in der Bundesrepublik" von Bernt Engelmann. Der westdeutsche Autor war - wie sich nach der Wende herausstellte - inoffizieller Mitarbeiter der Stasi.
Verdächtiger Briefwechsel
Dem Briefwechsel der zu observierenden Personen galt natürlich besonders hohe Aufmerksamkeit. Übrigens: Bei allen erkennbaren Personen, die in Simon Menners Fotoband "Top Secret" zu sehen sind, handelt es sich um ehemalige Mitarbeiter der Staatssicherheit. Alle übrigen Personen wurden unkenntlich gemacht.
Von der Theorie zur Praxis
Dieses ungestellte Bild zeigt an einem kleinen Gegenstand das wahre Ausmaß des Stasi-Überwachungswahns: Jede Person, die sich einem von der Stasi überwachten Briefkasten näherte, wurde fotografiert. Auf weiteren Bildern sieht man, wie in Zivil gekleidete Personen nach der Observation den Kasten leeren. Später wurden die Briefe den fotografierten Personen zugeordnet.
"Das Leben der Anderen"
Aus dem Gruselkabinett der Staatssicherheit: dieses Polaroidbild entstand vor einer heimlichen Wohnungsdurchsuchung. Es wurde gemacht, um alles genau so zu hinterlassen, wie es vorgefunden wurde. "Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich solche Aufnahmen verwenden möchte", gibt Simon Menner zu. "Ich bin aber mit dem Archiv übereingekommen, dass es wichtig ist, auch diese Bilder zu zeigen."
Spielzeug oder geplante Republikflucht?
Dieses Flugzeugmodell wurde bei einer heimlichen Durchsuchung fotografiert - neben westlichen Zeitschriften, Zigaretten und Whisky-Flaschen. Hat man etwa gedacht, der Eigentümer plant einen "ungesetzlichen Grenzübertritt"? Aber so bizarr und lustig das auch alles klingen und aussehen mag: Für viele DDR-Bürger war es das nicht. Der "Grenzübertritt", die Ausreise also, wurde schwer bestraft.
Ein geplündertes Westpaket
Etwa 25 Millionen Geschenksendungen mit Lebensmitteln und Kleidungsstücken kamen pro Jahr aus dem Westen in der DDR an. Jede Sendung aus Westdeutschland wurde von Stasi-Mitarbeitern geöffnet, oft wurde der Inhalt fotografisch dokumentiert oder teilweise konfisziert. Vieles erreichte die eigentlichen Empfänger also niemals.
Kostümparty der Spitzel
Diese Bilder, die bei einer privaten Geburtstagsparty eines Stasi-Mitarbeiters entstanden, gehören zu den skurrilsten im ganzen Buch. Zum feierlichen Anlass haben sich die Spitzel als ihre Opfer verkleidet: etwa als Künstler, kirchliche Würdenträger oder Sportler.
Ritterschlag für eine erfolgreiche Abhöraktion
Hier schlägt ein Stasi-Mitarbeiter einen anderen zum Ritter. Der verliehene Orden hat die Form eines Telefonhörers, der Geehrte hat also besonders eifrig Gespräche abgehört. Auch dieses eigentlich private Bild bekam eine Nummer und landete im Archiv - die Stasi war ein sammelwütiger Geheimdienst, der riesige Datenberge anhäufte und von den "Staatsfeinden" sogar Geruchsproben archivierte.
Lebewohl, mein lieber Schwan…
Einige Bilder aus dem Stasi-Archiv geben bis heute Rätsel auf. Dieses Foto eines toten Schwans wurde nach der Wende im Büro des Stasi-Chefs Erich Mielke gefunden. "Manche Bilder muss man einfach so stehen lassen, in ihrer ganzen Skurrilität und Befremdlichkeit", sagt Simon Menner.