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Gesellschaft

"Ehrenamtliche leben länger": Die Deutschen und ihre Vereine

Anna Seibt
6. September 2017

Gleich und gleich gesellt sich gern und die Deutschen am liebsten im Verein. Das Haus der Geschichte in Bonn widmet dem Verein nun eine Ausstellung – und verschweigt auch nicht die negativen Seiten der Vereinsmeierei.

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Ausstellung Mein Verein
Bild: Schwind‘ Agentur für Medienkommunikation

"Grundsätzlich sind wir allen Menschen gegenüber offen", betont Günter Ebert. Er ist seit 25 Jahren Mitglied der "Roten Funken". Den Kölner Karnevalsverein gibt es seit 1823. Wie andere Karnevalsvereine auch, machen sich seine Mitglieder über die Soldatenzunft lustig. Mit Spielmannszug und in Uniform parodieren die Mitglieder das Militär. Und deshalb, gibt Günter Ebert zu, stehen sie eben doch nicht allen Menschen offen: "Frauen haben da nix zu suchen." Trotzdem, beeilt er sich zu betonen, sei sein Verein alles andere als frauenfeindlich. Nur gab es im 19. Jahrhundert eben noch keine Frauen im Militär.

Vereins- und Mitgliederzahlen steigen stetig

Seit Jahren steigt die Zahl der eingetragenen Vereine in Deutschland an. 2016 wurde erstmals die Marke von 600.000 Vereinen überschritten. Rund 44 Prozent der Deutschen sind in mindestens einem Verein Mitglied. Am beliebtesten sind Sportvereine. Das hat der Stifterverband "Zivilgesellschaft in Zahlen" in einer repräsentativen Befragung von über 6.300 gemeinnützigen Organisationen herausgefunden. 2017 gaben die meisten Vereine außerdem an, dass sie stabile oder sogar steigende Mitgliederzahlen verzeichnen. Die Mitgliedschaften in Parteien, Gewerkschaften und Kirchen seien zwar seit den 90er Jahren zwar rückläufig, das bedeute aber nicht, dass sich die Menschen ins Private zurückziehen. Immer mehr würden sich stattdessen zivilgesellschaftlich engagieren, betonen die Autoren der Umfrage.

Ein Aufzug mehrerer Vereinsmitglieder in Uniform
Die "Roten Funken" sind ein Kölner TraditionsvereinBild: picture-alliance/Geisler-Fotopress/C. Hardt

Ausstellung "Mein Verein"

Von diesem Strukturwandel hat sich das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn zu einer Ausstellung mit dem Titel "Mein Verein" inspirieren lassen. Sie widmet sich verschiedenen Aspekten der deutschen Vereinskultur. Traditionsvereine wie die "Roten Funken" aus Köln oder Schützenvereine, die sich im 19. Jahrhundert aus Bürgerwehren entwickelten, werden vorgestellt. Ein Teil der Ausstellung befasst sich auch mit den Vereinigungen in der DDR. Diese standen zwar unter der Aufsicht der SED; die "Neue Bachgesellschaft" beispielsweise schaffte es aber dennoch, ihre Vereinsstrukturen aufrechtzuerhalten und Menschen aus Ost und West auch während der Teilung Deutschlands zusammenzuführen.

Ein Schütze mit angelegtem Gewehr
Schützenvereine gehören zu den deutschen TraditionsvereinenBild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Vereinstreue von der Geburt bis in den Tod

Auch der wohl beliebteste Vereinstyp, der Fußballverein, fehlt nicht in der Ausstellung. "Wir haben uns für Schalke 04 entschieden, weil er der mitgliederstärkste Fußballklub in der Bundesliga ist, der noch immer als Verein strukturiert ist. Auch die Profimannschaft ist Teil des Vereins", erklärt Angela Stirken, Projektleiterin der Ausstellung. Auch ihr Lieblingsausstellungsstück hat im weitesten Sinne mit Fußball zu tun: Ein Schalke 04 Grabstein, der extra für die Ausstellung gefertigt wurde. Über ihm hängt eine Luftaufnahme vom Schalker Fan Feld – einem Friedhof nur für Schalke Fans. Daneben ist ein blauer Fan-Babystrampler ausgestellt, ebenso wie das Foto einer Familie, die ihr Neugeborenes in der Schalke-Kapelle hat taufen lassen.

Babystrampler von Schalke 04
Manche Menschen können sich ein Leben ohne ihren Verein nicht vorstellenBild: FC Schalke 04/Haus der Geschichte/Axel Thünker

Die negativen Seiten

Vereine stiften Gemeinschaftsgefühl. Menschen organisieren sich in Vereinen, um gemeinsame Interessen zu verfolgen. Doch eben diese Vereinsmeierei kann auch negative Folgen haben. Zwei Drittel der deutschen Vereine geben an, dass ihre Mitglieder eine ähnliche kulturelle Herkunft haben. Das deutet daraufhin, dass Menschen mit Migrationshintergrund eher selten Zugang in die Vereine finden. Projektleiterin Stirken weißt außerdem darauf hin, dass Vereine nicht nur integrierend wirken, sondern auch die Grüppchenbildung innerhalb einer Gesellschaft befördern.

"Ehrenamtliche leben übrigens auch länger"

Handschlag einer alten und einer jüngeren Hand
Vereine führen die Menschen zusammen, können aber auch ausgrenzend wirkenBild: picture-alliance/dpa/W. Anspach

Günter Ebert von dem Karnevalsverein "Rote Funken" ist dennoch von der positiven Kraft des Vereinswesens überzeugt. Er investiere nur deshalb soviel Freizeit in den Verein, weil das Zusammensein eben Spaß mache. "Und schlussendlich kommt ganz viel zurück an Wertschätzung." Die Ausstellung im Haus der Geschichte in Bonn endet mit einem Videozusammenschnitt. Darin werden Ausschnitte aus Ansprachen deutscher Bundespräsidenten gezeigt, in denen sie das bürgerschaftliche Engagement loben. Unter ihnen ist auch der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff, der betont: "Ehrenamtliche leben übrigens auch länger."

Die Schau "Mein Verein" im Bonner Haus der Geschichte läuft bis zum 4. März 2018.