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Dürre in Uruguay: Das Trinkwasser wird knapp

7. Juli 2023

In Montevideo herrscht die schlimmste Trockenheit seit mehr als 70 Jahren. Die Trinkwasservorräte für die Hauptstadt reichen noch bis Mitte Juli. Ähnliche Szenarien könnten auf viele Städte der Welt zukommen.

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Uruguay Paso Severino Trinkwassertalsperre
Der Stausee Paso Severino, der den Großraum Montevideo versorgt, ist ausgetrocknetBild: Nicolas Celaya/Xinhua/picture alliance

In dem Land, das als erstes weltweit 2004 das Recht auf sauberes Trinkwasser in der Verfassung verankerte, hilft jetzt nur noch Hilfe von ganz oben. Deswegen fasste sich Kardinal Daniel Sturla, der Erzbischof von Montevideo, vor einigen Tagen ein Herz und schickte per Twitter ein Stoßgebet gen Himmel: "Gott unser, wir bitten Dich, dass Du uns den notwendigen Regen bewilligst."

Viele in der Metropole mit 1,3 Millionen Einwohnern bedankten sich für das kirchliche Hilfegesuch; andere schrieben, der allmächtige Vater lese leider kein Twitter.

Immerhin hat es in der erst Juliwoche im Großraum Montevideo geregnet. Aber die Niederschlagsmengen reichten gerade einmal aus um die Krise zu "lindern", aber nicht zu lösen, so das uruguayische Institut für Meteorologie (Inumet). 
Das Wetterphänomen "La Niña" hat Uruguay und vor allem die Hauptstadt in den letzten Jahren mehr und mehr in eine Wüste verwandelt.

Stausee für Montevideo nur noch eine Pfütze

"Wir hatten eine zwei Jahre lange Dürre, die in den letzten Monaten von einer extremen Dürre abgelöst würde. Es ist eine absolute Ausnahmesituation für Uruguay", sagt die uruguayische Biologin, Forscherin und Umweltexpertin Mariana Meerhoff.

Meerhoff entnimmt von einem Schlauchboot Wasserproben aus einem Fluss
"Ministerien wie das für Umweltschutz brauchen mehr Gelder, um die Infrastruktur auszubauen", meint Mariana MeerhoffBild: Privat

Der Rückgang des Niederschlags sei historisch. "So wenig Regen hatten wir noch nie", erklärt Meerhoff. "Die Situation in Montevideo ist deshalb so dramatisch, weil dort natürlich sehr viele Menschen auf Trinkwasser angewiesen sind."

Das kostbare Trinkwasser geht in der Hauptstadt und im Großraum, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung Uruguays lebt, langsam zur Neige. Denn die wichtigste Versorgungsquelle, der Stausee Paso Severino etwa 70 Kilometer nördlich von Montevideo, mit einer Kapazität von 67 Millionen Kubikmetern Wasser, ist nur noch weniger als zwei Prozent gefüllt. Experten warnen, dass die Trinkwasserversorgung der Hauptstadt noch für höchstens zehn Tage sichergestellt sei. 

Run auf Trinkflaschen in Supermärkten

Uruguays Präsident Luis Lacalle Pou hat den Wassernotstand für die Hauptstadt und den Großraum Montevideo ausgerufen. Das in Flaschen abgefüllte Mineralwasser ist deshalb vorerst von den Steuern befreit. Die ärmere Bevölkerung, die besonders unter dem Notstand leidet, erhält immerhin zwei Liter pro Tag kostenlos zur Verfügung.

Die Sechs-Liter-Kanister mit Trinkwasser sind derzeit das neue Gold in den Supermärkten und werden auch aus anderen Landesteilen herangekarrt. Dreimal so viele Wasserflaschen wie üblich gehen in Uruguay gerade über die Ladentheke, die Hamsterkäufe erinnern an Corona-Zeiten.

Lacalle in Anzug und Krawatte umringt von anderen Anzugträgern und Journalisten
In der Kritik: Uruguays Präsident Luis Lacalle Pou, hier auf dem CELAC-Gipfel in Buenos AiresBild: Agustin Marcarian/REUTERS

"Die Politik hat viel zu spät auf diese Situation regiert, obwohl die Wissenschaft schon seit fast drei Jahrzehnten vor der Trinkwasserproblematik in Uruguay gewarnt hat. Sie weigert sich anzuerkennen, wie dramatisch die Situation unserer Trinkwasserressourcen tatsächlich ist", kritisiert Meerhoff, "und Wasserkrisen wie diese werden in der Zukunft zunehmen und noch heftiger werden."

In der Stadt, die sich früher rühmte, eine der besten Wasserqualitäten Südamerikas in den Leitungen zu haben, dreht nach Umfragen nicht mal mehr jeder Zweite zu Hause den Hahn auf. Und das hat Gründe: Wer heute einen Schluck davon nimmt, dürfte das Gefühl haben, Wasser aus dem Atlantik getrunken zu haben. Die kläglichen Reste aus dem Stausee wurden mit dem Wasser des mit Pestiziden kontaminierten Río de la Plata vermischt und gestreckt. In dem Mündungstrichter der Ströme Rio Paraná und Rio Uruguay mischen sich Fluss- und Meerwasser. Ein erhöhter Chlor- und Salzgehalt im Leitungswasser sind die Folge, weit über dem Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation.

Interessen der Industrie vor denen der Bevölkerung?

Der Wassernotstand in Uruguay hat sich längst zu einer politischen Krise ausgeweitet, mit zahlreichen Kundgebungen auf den Straßen. "Es ist keine Dürre, es ist Plünderung", protestiert die Umweltschutzorganisation "Redes - Amigos de la Tierra". Und verweist darauf, dass privatwirtschaftliche Zellulosefabriken, Firmen für Reisanbau und Sojabauern in der Landwirtschaft Unmengen an Wasser verbrauchen, ohne dafür auch nur einen Peso berappen zu müssen.

Menschen hocken mit leeren Wassercontainern auf der Straße
Proteste gegen die Wasserkrise am 31. Mai in MontevideoBild: Matilde Campodonico/dpa/AP/picture alliance

"Beinahe 80 Prozent des Süßwassers wandert in die Land- und Forstwirtschaft, wir können also schon davon sprechen, dass die Ausbeutung der Ressource Wasser in Uruguay sehr hoch ist", sagt Mariana Meerhoff. "Weil so viel Wasser in die Industrie fließt, ist die Menge für den persönlichen Gebrauch und die Natur natürlich sehr begrenzt."

Montevideo nicht die erste Stadt mit Wassermangel

Krankenhäuser und Schulen in Montevideo bekommen jetzt Trinkwasser aus zwei Brunnen im Zentrum der Metropole, die im Schnellverfahren wegen des Notstandes gebohrt wurden. Ein weiterer Stausee mit Wasserleitungen in der Nähe von Montevideo ist seit einem halben Jahr in Arbeit. Und dann dürfte auch bald die Reparatur der alten maroden Rohre, die häufig bis zur Hälfte des Wassers verlieren, auf die To-Do-Liste der Politik kommen.

Doch diese Maßnahmen sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Uruguay benötigt -wie viele Länder und Städte weltweit- dringend eine Wasserstrategie. Umweltexpertin Meerhoff sagt: "Das, was hier in Montevideo passiert, kann in allen Städten der Welt geschehen. Es ist sogar schon passiert, wie vor einigen Jahren in Kapstadt in Südafrikaoder Curitiba in Brasilien: eine extreme Dürre, durch die die Menschen kein Trinkwasser mehr haben. Mit dem Klimawandel werden diese Szenarien weltweit immer wahrscheinlicher."

 

Dieser Artikel wurde zuerst am 1. Juli veröffentlicht, und am 7. Juli aktualisiert. 

Porträt eines blonden Manns im schwarzen Hemd
Oliver Pieper DW-Reporter und Redakteur