1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Glaube

„Du sterben, weil für Gott“

8. Februar 2019

„Hitler, ein Nero auf deutschem Thron“: Benediktinerpater Edmund Pontiller bezahlte am 9. Februar 1945 in München-Stadelheim für seine Meinung mit dem Tod. Christian Feldmann von der katholischen Kirche erinnert an ihn.

https://p.dw.com/p/3D0TB
Deutschland Klostergang der Abtei Niederaltaich in Bayern
Gang in der Klausur der Benediktinerabtei Niederaltaich: hier wirkte Pater Edmund Pontiller in den Jahren 1930 bis 1932.  Foto: Alfred HerrmannBild: Alfred Herrman

„Hitler, ein deutscher Nero“ – das war sein Todesurteil. Der österreichische Benediktinerpater Edmund Pontiller wurde von den Nazis durch halb Europa gejagt, schließlich aufgrund einer Denunziation verhaftet und am 9. Februar 1945 auf das Schafott geschickt. Verglichen mit „prominenten“ Widerständlern wie Dietrich Bonhoeffer, Alfred Delp, Sophie Scholl blieb Pater Pontiller ziemlich unbekannt. Doch gerade diese frommen Querköpfe am Rande, die sich ihre eigenen Gedanken machten und ihrem individuellen Gewissen vertrauten, gerade die dürfen nicht vergessen werden.

Als Seelsorger muss er eine Wucht gewesen sein, der 1889 in Osttirol geborene und mitten im Ersten Weltkrieg 1916 zum Priester geweihte Ordensmann. Kinder und Jugendliche liebten seine Religionsstunden, seine Predigten waren berühmt, in der oberösterreichischen Arbeitergemeinde Stadl-Paura gründete er eine Werkschule für arbeitslose Jugendliche und einen Hort für Vorschulkinder, sorgte für ein warmes Mittagessen, vermittelte dem Nachwuchs aus mittellosen Familien Ferienplätze, ging für eine arme Familie mit elf Kindern so lange auf Betteltour, bis er den Habenichtsen eine Kuh und ein Kalb schenken konnte.

Verfolgt und verraten

Nach Deutschland in die niederbayerische Abtei Niederaltaich und in das Klostergut der Abtei in Kirchschletten bei Bamberg versetzt, geriet der freimütig seine Meinung sagende Pontiller schon 1933, im Jahr der Machtübernahme Hitlers mit der Gestapo in Konflikt. Als ihm die Verhaftung drohte, versetzten ihn seine Oberen von Ort zu Ort, um seine Verfolger zu verwirren, zunächst nach Oberösterreich und nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten schließlich ins zunächst sichere Ungarn. Die Mitbrüder, die seine Aufenthaltsorte kannten, hielten dicht. Doch 1944 verrieten volksdeutsche Kreise in Ungarn, so vermutet man, den Priester an die Nazis, die mit ihrer Wehrmacht einmarschiert waren und Jagd auf Juden und Andersdenkende machten.

Bei der Verhandlung vor dem Volksgerichtshof in Salzburg diente ein Weihnachtsbrief an einen ungarischen Abt als belastendes Indiz. Darin hatte Pontiller Ende 1942 von den Morden an Geisteskranken und Widerstand leistenden Mitbrüdern berichtet: „Alte Ordensleute werden als unproduktiv getötet und verbrannt. Ihre Asche kann man für vier Mark erhalten.“ Entsetzt äußerte sich Pontiller über Katholiken und Priester, die – Zitat – „diesem Nero auf deutschem Thron Weihrauch streuen, ihn verteidigen und seine Christenverfolgung als harmlos hinstellen möchten“[1].

Zur Hauptverhandlung am 15. Dezember 1944 kam der berüchtigtste Blutrichter des 20. Jahrhunderts, der Gerichtspräsident Dr. Roland Freisler, nach Salzburg, um Pontiller persönlich in den Tod zu schicken. Er warf ihm „hasserfüllte Greuelhetze“ vor, nannte ihn einen „Propagandabüttel unserer Kriegsfeinde“, erfand Devisenschiebereien und homosexuelle Übergriffe auf Lehrlinge, für die sich auch bei gründlichen Recherchen nach dem Krieg nicht der geringste Beleg fand.

„Sterben, weil Führer so will“

Großzügig gestand man dem Angeklagten ein Schlusswort zu, das Freisler, wie es seine Art war, sofort brüllend unterbrach: „Sie müssen sterben, damit das deutsche Volk leben kann!“ [2] Nach dem Todesurteil brachte man den Priester in seine Zelle zurück, wo er ab sofort Tag und Nacht Fesseln tragen musste. Bibel und Rosenkranz nahm man ihm ab. Ein Mithäftling, ein französischer Kommunist, versuchte ihm die Schmerzen an den gefesselten Handgelenken mit kaltem Wasser zu lindern und sinnierte: „Ich sterbe, weil gegen Gott. Du sterben, weil für Gott. […] In Deutschland nur immer sterben, alles sterben, weil Führer so will.“ [3] Pater Edmund lächelte – und bat Gott um Verzeihung für seine Richter.

Jetzt musste es schnell gehen; das Ende des Krieges und von Hitlers Herrschaft zeichnete sich ab. Hitler selbst interessierte sich für Pontillers Schicksal. Am 9. Februar 1945 starb der Priester im Gefängnis München-Stadelheim unter dem Fallbeil; ganz ruhig ging er nach den erhaltenen Akten in den Tod.

1998, fast ein halbes Jahrhundert nach Pater Edmunds Märtyrertod, hob das Wiener Landesgericht für Strafsachen endlich das skandalöse Todesurteil auf. 1962 hatte man seine Gebeine in die Krypta der bayerischen Benediktinerabtei Niederaltaich überführt, wo er als Erzieher gewirkt hatte. Am dortigen Gymnasium erforschte die zehnte Jahrgangsstufe 2016 in einem ambitionierten Projekt die Lokalgeschichte im Dritten Reich – und auch das Schicksal von Pater Edmund Pontiller.

[1] zitiert nach: Michael Pontiller, „Märtyrer der Heimatkirche. P. Edmund Pontiller OSB – als Zeuge Christi hingerichtet“, in: Osttiroler Heimatblätter, 68. Jahrgang, 2/2000.
[2] ebd.
[3] aus einem Brief von Alexander Ritter von Negrelli, Zellengenosse von Pater Edmund Pontiller, zitiert nach: Michael Pontiller, „Märtyrer der Heimatkirche. P. Edmund Pontiller OSB – als Zeuge Christi hingerichtet“, in: Osttiroler Heimatblätter, 68. Jahrgang, 2/2000.

 

Deutschland Christian Feldmann
Bild: privat

Christian Feldmann, Theologe, Journalist, Rundfunkautor, 1950 in Regensburg geboren, publizierte mehr als 50 in viele Sprachen übersetzte Bücher, vor allem Porträts klassischer Heiliger und frommer Querköpfe aus Christentum und Judentum.