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Drogenwirtschaft floriert

26. Juni 2012

Der Mohnanbau ist für Afghanistans Bauern eine unschlagbare Einkommensquelle. Nicht nur korrupte Beamte, auch die Taliban profitieren vom Drogengeschäft. Es zu bekämpfen scheint aussichtslos.

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In this Tuesday, May 3, 2011 photo, Afghan police officials and local villagers destroy an opium poppy field during an eradication campaign in Sherzad, Nangarhar province east of Kabul, Afghanistan. Afghanistan supplies most of the world's opium. (Foto:Javid Ahmad/AP/dapd)
Bild: AP

Nirgendwo wird mehr Schlafmohn angebaut als in der südafghanischen Provinz Helmand an der pakistanischen Grenze. Fast jeder Landwirt dort baut die Pflanzenart an, aus der Opium und später Heroin gewonnen wird. Anlässlich des Welttages gegen den Missbrauch von Drogen (26.06.2012) blicken Experten mit Sorge auf das wachsende Geschäft mit den Drogen: Im vergangenen Jahr (2011) hat sich der Wert der Opiumproduktion gemäß Erzeugerpreisen um unglaubliche 133 Prozent auf 1,4 Milliarden US-Dollar erhöht. Das sind knapp zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts Afghanistans. Den Bauern bleiben davon nur etwa 800 Millionen Dollar, immerhin rund 10.000 Dollar pro Familie. Viel Geld für arme Landwirte, die kaum andere Einnahmequellen haben, wie dieser Bauer aus Helmand berichtet: "Wir haben viele Ausgaben. Allein für die Energiekosten müssen wir sehr viel Geld aufbringen. Unsere laufenden Kosten können wir nur decken, wenn wir Opium anbauen."

Opium für Bauern konkurrenzlos

Ähnlich argumentieren viele Landwirte in Afghanistan. Sie sind entweder Pächter oder besitzen nur einen relativ kleinen landwirtschaftlichen Betrieb. Mit dem Anbau und Verkauf von anderen Feldfrüchten wie Weizen oder Reis verdienen sie nicht genug, um sich und ihre Familien zu ernähren. Der Opiumanbau hat für diese Bauern mehrere Vorteile, erklärt der Wirtschaftsexperte Sayfuddin Sayhoon. "Wer Opium anbaut, braucht sich keine Sorgen um den Verkauf seiner Ernte zu machen. Die Opiumhändler garantieren jedem Landwirt, dass seine Ernte zu guten Preisen gekauft wird. Meist wird das Geld sogar im Voraus bezahlt."

Bessere Bedingungen könnten sich die Landwirte gar nicht wünschen, sagt Sayhoon. Hinzu kommt, dass die Opiumbauern sich vor einer strafrechtlichen Verfolgung, mangels fehlender staatlicher Strukturen, relativ sicher fühlen können. Die Provinzregierung von Helmand ist zum Beispiel nicht einmal in der Lage, ein funktionierendes Polizeinetzwerk außerhalb des Provinzzentrums aufzubauen. In vielen Außenbezirken, wo das meiste Opium angebaut wird, greift die Provinzregierung auf die so genannte "Lokalpolizei" zurück. Schlecht bewaffnete und schlecht organisierte Männer, die sich kaum in der Lage sehen, gegen die übermächtige Drogenmafia vorzugehen. Ein Polizist aus dem Dorf Nad-Ali berichtet: "Wir bekommen nicht einmal unseren monatlichen Sold pünktlich bezahlt. Kaum jemand kümmert sich darum, dass wir schlecht ausgerüstet sind und meist in provisorisch aufgebauten Zelten unsere Checkpoints untergebracht haben".

Die Opiumernte aus Nad-Ali und vielen anderen entlegenen Dörfern wird in vielen kleinen "Heroin-Küchen" entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze weiterverarbeitet und in Ein-Kilo-Tüten exportiert. So gelangt das afghanische Heroin über Pakistan, Iran und Zentralasien in alle Welt, vor allem nach Russland und Europa, aber auch nach Nordamerika, Afrika und China.

Die Karte zeigt die wichtigsten Routen des Drogenhandels aus Afghanistan (Infografik: Per Sander/Simone Hüls)

Afghanische Behörden überfordert

Die afghanische Regierung erklärt zwar offiziell, dass der Kampf gegen die Drogenmafia bislang erfolglos gewesen sei, doch Verantwortung für die gescheiterte Drogenpolitik will keine Behörde übernehmen. Selbst das Ministerium für Drogenbekämpfung wäscht seine Hände in Unschuld. Sein Sprecher Qayum Samer erklärt, warum: "Unser Ministerium ist nur für die strategischen Fragen zuständig. Wir planen und entwerfen Konzepte, die aber nicht von uns, sondern vom Innenministerium umgesetzt werden müssen."

Das afghanische Innenministerium lehnt es aber ab, allein für die Drogenbekämpfung verantwortlich zu sein. Kabul verlangt von den jeweiligen Provinzregierungen, ihrer Verantwortung nachzukommen. Der Gouverneur von Helmand, Gulab Mangal, versteht aber die Forderungen der Zentralregierung nicht ganz: "Es ist zu viel, was von uns verlangt wird. Wir können nicht die Grenzen kontrollieren. Sie müssen aber kontrolliert werden, damit kein Drogenhändler das Land verlassen kann. Wir können auch nicht allein gegen die mächtige Drogen-Mafia kämpfen."

Ein Drogenabhängiger in Kabul kocht Heroin in einem Löffel (Foto: AP)
Obwohl der größte Teil des Opiums ins Ausland geht, gibt es auch in Kabul DrogenabhängigeBild: AP

Außerdem: Solange es Absatzmärkte im Westen für Opium und Heroin gebe, werde es auch Bauern geben, die Schlafmohn anbauen, so der Gouverneur. Er verlangt mehr Hilfe von der internationalen Gemeinschaft. Die ISAF fühlt sich aber für den Kampf gegen die Drogenmafia nicht verantwortlich. Von diesem Zuständigkeitswirrwarr profitiert die gut organisierte Drogenindustrie. Ihre Erträge und damit auch ihre Macht steigen von Jahr zu Jahr.

Autor: Ratbil Shamel
Redakteur: Hans Spross