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Drehscheibe Balkan

1. August 2002

Der internationale Menschenhandel mit Kindern und jungen Mädchen hat erheblich zugenommen. Inzwischen sind die Kinder oft das letzte Kapital, das die Familien im Kampf ums Überleben einsetzen.

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Verraten - Vergessen - VerkauftBild: AP

Die Zahlen der aktuellen Studie des UN-Kinderhilfswerkes und des UN-Kommissariats für Menschenrechte sprechen eine deutliche Sprache: Neun von zehn Frauen, die auf dem Balkan als Prostituierte tätig sind, wurden von Menschenhändlern dazu gezwungen. Jährlich würden schätzungsweise rund 120.000 Frauen und Kinder in die Staaten der Europäischen Union verkauft.

Nach bisher vorliegenden Statistiken seien beispielsweise 1997 bis zu 175.000 Mädchen und Frauen aus Osteuropa in den Westen gebracht worden. Die meisten Opfer aus Ost- und Südosteuropa würden über den Balkan geschleust. Bis zu 80 Prozent der aus Albanien verschleppten Menschen seien noch keine 18 Jahre alt.

Die "Ware Frau"

"Die Gewinne von Schleppern und Bordellbesitzern sind astronomisch", heißt es weiter. Eine 16-Jährige aus dem Kosovo berichtet in der Studie, sie sei mit 15 Jahren von einem Mann aus der Nachbarschaft vergewaltigt worden. "Ich ging zur Polizei, das ganze Dorf wusste, was passiert war, ich bekam Probleme mit meiner Familie und schämte mich furchtbar." Da habe ihr ein Bekannter einen Job in Mazedonien versprochen. Doch dort musste das Mädchen dann mit Gleichaltrigen in einer Nachtbar als Prostituierte arbeiten.

"Der Zusammenbruch des Kommunismus, der Balkankrieg und die wachsende Armut in der Region haben die Entstehung krimineller Netzwerke des Menschenhandels in Südosteuropa ermöglicht", sagte Hans Koschnick, ehemaliger EU-Administrator in Mostar in Bosnien-Herzegowina und Vorstandsmitglied von UNICEF Deutschland in Köln. "Die Regierungen müssen endlich entschlossen gegen diese schmutzigen Geschäfte vorgehen."

Opferschutz angemahnt

Opfer bräuchten Schutz und Hilfe und dürften nicht länger als Kriminelle behandelt werden. Eine UNICEF-Sprecherin sagte, für die aktuelle Studie sei die Situation in neun südosteuropäischen Staaten untersucht worden. Es seien "Berge von Material zusammengetragen und zahlreiche Prostituierte befragt" worden.

Dabei habe sich gezeigt, dass immer mehr Mädchen im Teenager-Alter zur sexuellen Ausbeutung verkauft würden. Auch der Handel mit jüngeren Kindern nehme zu. Sie würden zum Betteln oder zur Arbeit gezwungen. Häufig seien es Nachbarn oder Schlepper aus dem eigenen Ort, die Eltern mit Geld oder falschen Jobangeboten täuschten. Teenager würden per Zeitungsanzeige oder Mund-zu-Mund-Propaganda gelockt.

Gesetze und Polizeischutz

Die Studie gibt Empfehlungen an Regierungen und Hilfsorganisationen. Polizei und Justiz müssten die Drahtzieher und Schlepper bestrafen, heißt es. Bislang werde der Menschenhandel nur unter dem Gesichtspunkt der illegalen Einwanderung gesehen. Opfer müssten als solche anerkannt werden. Dies sei bislang bei schätzungsweise zwei Drittel der verschleppten Frauen und Kinder nicht der Fall.

In nationalen Gesetzen müssten eindeutige Verbote von Menschenhandel verankert, das Behördenpersonal entsprechend ausgebildet werden. Als eine ihrer letzten Amtshandlungen forderte Menschenrechtskommissarin Mary Robinson die Regierungen zur engeren Zusammenarbeit auf. "Der Kampf gegen den Menschenhandel erfordert schnelles, wirksames und übereinstimmendes Handeln." (dpa/arn)