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Politik

Deutschland will mehr Internet

Kay-Alexander Scholz
7. März 2018

Endlich: Überraschend hat sich die neue Bundesregierung dazu entschlossen, das Thema Digitalisierung aufzuwerten. Dorothee Bär (CSU) bekommt den neuen Posten der Staatsministerin für Digitales - keine leichte Aufgabe.

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Koalitionsverhandlungen von Union und SPD Dorothee Bär
Bild: picture alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Digitalisierung ist schon länger ein Zauberwort. Wie ein Mantra mahnt Bundeskanzlerin Angela Merkel beständig, wie wichtig das Thema sei. Über den neuen Koalitionsvertrag ist das Wort großzügig verteilt: Auf 177 Seiten kommt es 93 Mal vor. Insgesamt aber fehle ein Plan, "wie wir vom analogen Heute zum digitalen Morgen kommen",heißt es dazu von der Bitkom, dem einflussreichen Dachverband der Digitalbranche.

International liegt Deutschland, was nicht verwundert, bei der Digitalisierung weit hinten. Seit Jahren schon kritisiert die OECD die mangelnde digitale Infrastruktur, die sogenannte Breitband-Versorgung. Die Vorgängerregierung hatte versprochen, bis 2018 schnelles Internet im ganzen Land garantieren zu können. Doch in ländlichen Gebieten hat nur jeder zweite Haushalt ein einigermaßen schnelles Internet.

Politische Fehler der Vergangenheit

Es gibt mehrere Gründe, warum Deutschland digital hinterherhinkt. Statt gleich den Glasfaser-Ausbau zu bündeln, wurden alte Kupferleitungen des ehemaligen Staatsmonopolisten Telekom mit der sogenannten Vectoring-Technologie aufgerüstet. Doch nur mit Glasfaser sind auch Gigabit-Raten möglich, die in anderen Ländern schon Standard sind.

Ein anderer Grund ist sicherlich, dass die jüngeren Digitale Natives bisher selten in Führungsetagen der Politik angekommen sind. Und viele ältere Politiker haben das Thema unterschätzt. Erinnert sei an das legendäre Zitat von Merkel aus dem Jahr 2013. Die Kanzlerin hatte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Ex-Präsident Barack Obama auf eine Frage zur Internetüberwachung gesagt, dass "das Internet für uns alle Neuland" sei und sich dabei auf die neuen technischen Möglichkeiten und Gefahren bezogen. Für den Spruch erntete sie Spott und Häme.

Viel zu zögerlich wurden in der Bundespolitik Strukturen für Digitalpolitik aufgebaut. Erst seit dem Jahr 2013 hat der Bundestag einen eigenen Ausschuss Digitale Agenda. Allerdings hat er wenig Macht und darf anderen Ausschüssen nur beratend zuarbeiten. Zur Erklärung: Im Bundestag werden Gesetze in der Regel an mehrere Ausschüsse parallel delegiert. Am Ende hat immer ein Ausschuss das letzte Wort - bisher durfte das nicht der Ausschuss Digitale Agenda sein.

Kein eigenes Ministerium

Bereits zum Amtsantritt der Vorgängerregierung im Jahr 2013 hatte es die Forderung nach einem eigenen Digitalministerium oder wenigstens nach einem Staatsminister für Digitales im Kanzleramt gegeben - vergeblich. Stattdessen wurde 2014 eine Digitale Agenda, eine Art Aufgabenheft, verabschiedet. Zuständig waren gleich drei Ministerien: das für Digitale Infrastruktur mit Alexander Dobrindt (CSU), das Innenministerium mit Thomas de Maizière (CDU) und das Wirtschaftsministerium unter Sigmar Gabriel (SPD). Das brachte auch Kompetenzwirrwarr.

Digitale Agenda der Bundesregierung PK 20.08.2014
Rückblick 2014: Drei Minister - eine Agenda?Bild: picture-alliance/dpa

Nun kam, relativ überraschend, der lange geforderte Schritt. Vor allem die CSU, bayerische Schwesterpartei der Christdemokraten (CDU), hatte sich für ein Digitalministerium stark gemacht, um den Breitband-Ausbau möglichst zentral steuern zu können. Das Ziel wurde nicht ganz erreicht, doch immerhin darf die Partei aus Bayern im Kanzleramt eine Staatsministerin für Digitales besetzen.

Dass gerade Bayern dabei treibende Kraft ist, überrascht wenig. Das reiche Bundesland im Süden Deutschlands gilt auch in digitalen Fragen als Vorzeigeland. 1998 lobte der damalige Bundespräsident Roman Herzog Bayern, weil die Region eine ungewöhnliche Wende vom Agrar- zum Hightech-Standort schaffte. Der Präsident sprach von einer "Symbiose aus Laptop und Lederhose" - also aus Zukunft und Tradition.

Starke Frau aus Bayern: Doch wie viel Macht hat sie wirklich?

Chefin für das Internet wird die 39-jährige Dorothee Bär, bereits stellvertretende Parteivorsitzende der CSU. Bär gilt als durchsetzungsstark, internetaffin und ehrgeizig. Sie soll für die gesamte Regierung den Bereich Digitalisierung koordinieren.

Bärs Büro wird direkt im Kanzleramt angesiedelt. Wie gut ihre Abteilung finanziell ausgestattet sein wird, wird man erst in der kommenden Woche, nach der Wahl der Bundeskanzlerin, wissen. Mit einem großen Team und viel Geld ist aber nicht zu rechnen. Außerdem ist schon jetzt bekannt, dass Bär nicht direkt für den Breitband-Ausbau zuständig sein wird. Darum kümmert sich, wie bisher, das Verkehrsministerium. Dort übrigens war Bär zuvor als Staatssekretärin für den Internet-Ausbau zuständig. 

Helge Braun
Helge Braun - baldiger Chef des BundeskanzleramtsBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Bär wird die dritte Staatsministerin im Kanzleramt sein. Sie wird - wie ihre beiden Kolleginnen für Kultur und Integration auch - dem Chef des Bundeskanzleramts, dem CDU-Politiker Helge Braun, unterstellt sein. Der könnte Bär ausbremsen, wenn er will. Als echte Ministerin wäre sie ihre eigene Chefin.

"Deutschland braucht digitale Visionen"

Die Personalie kam in der Netzgemeinde trotzdem ganz gut an. Die profilierte Netzpolitikerin der Linkspartei, Anke Domscheit-Berg, sprach auf Twitter von einem "Lichtblick". Zur Abwechslung hätte nun im Kanzleramt auch jemand mit Ahnung etwas zum Thema zu sagen. Sie hoffe, dass der Posten mit ausreichend Befugnissen ausgestattet werden könne. Sie wünsche sich von Bär, dass der Bundestagsausschuss Digitale Agenda in Zukunft mehr Kompetenzen bekomme.

Bär selbst sagte in ersten TV-Interviews dazu noch nichts und meinte nur: Ihr gehe die Digitalisierung viel zu langsam. Sie wolle Unternehmen dabei helfen und die Digitalisierung in den Bundesministerien voran bringen. Sie hoffe dafür auf genügend politische "Beinfreiheit", denn sie möchte dafür eigene "Visionen" aufzeigen. Sie kritisierte auch, dass die Digitalisierung bisher nur "zweitwichtigstes Thema" gewesen sei - mit anderen Worten: alles andere als wirklich wichtig.