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Digitale Posträuber gesucht

13. Oktober 2002

In vielen Büros herrscht E-Mail-Flut-Alarm. Deshalb gibt es erste radikale Schutz-Maßnahmen.

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Verflucht, schon wieder Post!Bild: AP

In der Nestle-Schokoladenfabrik im britischen York bleiben die elektronischen Postfächer freitags leer. Für eine Arbeitsabsprache oder die Verabredung zum gemeinsamen Mittagessen greifen die Beschäftigten zum Telefon. Oder sie gehen in guter alter Manier persönlich vorbei. E-Mails sind tabu. Unternehmenssprecherin Marie Fagan sagt, die Kommunikation klappe viel besser im direkten Kontakt - egal ob hausintern oder mit Kunden. Die Mitarbeiter seien von der Regel begeistert.

31 Milliarden E-Mails landen Tag für Tag in den elektronischen Postkästen der 500 Millionen Weltbürger mit Internetzugang. "Diese Masse übersteigt unsere Möglichkeiten, erfolgreich durch die Informationsflut hindurch zu navigieren", sagt Mark Levitt vom US-Marktforscher IDC, der sich mit dem Thema E-Mail-Flut beschäftigt hat.

Die Effizienz der Arbeit leidet

Zu viel Zeit geht beim Lesen und Schreiben von E-Mails drauf. Statt eines kurzen Telefonats gehen Dutzende von Mails über den Draht. "40 Prozent der deutschen Führungskräfte beschäftigen sich täglich mehr als eine Stunde mit ihrer elektronischen Post", sagt Jörg Forthmann vom Marktforschungsinstitut Mummert Consulting. Geplagte Mitarbeiter gehen dazu über, Mails einfach zu ignorieren: Bei einem Drittel der Banken und Versicherungen in Deutschland blieben elektronische Kundenanfragen unbeantwortet liegen, so die Analyse von Mummert.

Das ist die Kehrseite des Siegeszuges der E-Mail, die den Büro-Alltag revolutioniert hat. Um Botschaften schnell und nahezu kostenlos um den Globus zu schicken ist der elektronische Brief heute nicht mehr weg zu denken. "Ein riesiger Vorteil ist die zeitversetzte Kommunikation. Im Gegensatz zum Telefon, müssen nicht beide Gesprächspartner gleichzeitig kommunizieren", erklärt Christoph Huneke vom Deutschen Multimedia Verband. Per E-Mail kann man darüber hinaus einen Brief problemlos an einen großen Adressatenkreis schicken, Dokumente und andere Anlagen einfügen.

Der E-Mail-freie Freitag bei Nestle hat zwar seine Nachahmer gefunden - etwa bei der Stadtverwaltung Liverpool, ist aber keine Vorgabe für den Schweizer Konzern. "In den meisten Niederlassungen versuchen die Mitarbeiter per Delegation, mit überlaufenden Postfächern umzugehen, und Sekretärinnen sortieren die elektronische Post vor", sagt Hans-Jörg Renk aus der Nestle-Zentrale.

Filter sind gefragt

"Was wir brauchen, sind neue, leicht zu bedienende Filtertechnologien", fordert hingegen Marktbeobachter Levitt. Eine Software müsste wichtige von zweitrangigen Nachrichten unterscheiden können und unerwünschte Mails sofort löschen. Wie sie genau arbeiten soll, kann er nicht erklären. Schon heute zweifeln viele Menschen am Nutzwert von Filtern gegen unerwünschte Werbe-E-Mails (Spam): Viel zu
häufig werden harmlose Nachrichten gelöscht, weil sie versteckt indexierte Wörter enthalten.

Vielen Menschen wäre aber in der Tat geholfen, wenn sie von Werbemüll verschont blieben. "Zwei von drei E-Mails in Deutschland sind Spam", sagt Torsten Schwarz vom Verband der deutschen Internetwirtschaft in Köln. Weltweit entstehen durch unerwünschte E-Mail-Werbung nach Schätzungen der Europäischen Kommission Kosten von zehn Milliarden Euro. "Die Arbeitszeit für das Öffnen und Wegschmeißen von unerwünschten E-Mails lässt sich gar nicht berechnen", sagt Schwarz. (dpa/kas)