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Politik

Diffuse Drohung aus Ankara

22. März 2017

Gehörte es bislang zum Politikstil des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan seine Gegner zu beschimpfen, bedroht er nun offen die Bürger in Europa und will Ängste schüren. Die Kanzlerin bleibt gelassen.

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Rosenmontag am Rhein - Düsseldorf
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gambarini

In einer erneuten Verbalattacke warnt Erdogan die Europäer vor einer weiteren Eskalation des Streits mit seinem Land. "Wenn ihr Euch weiterhin so benehmt, wird morgen kein einziger Europäer, kein einziger Westler auch nur irgendwo auf der Welt sicher und beruhigt einen Schritt auf die Straße setzen können", sagte er in Ankara. "Wenn Ihr diesen gefährlichen Weg beschreitet, werdet Ihr selbst den größten Schaden davon nehmen."

Erdogan rief die europäischen Länder dazu auf, "Demokratie, Menschenrechte und Freiheiten zu respektieren". Erneut übte er Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel, sparte sich diesmal aber Nazi-Vergleiche. Er warf Merkel ein weiteres Mal vor, sich im Streit um Auftrittsverbote türkischer Minister in Rotterdam an die Seite der Niederlande gestellt zu haben. "Du bist also auf der Seite Hollands? Gut. Und ich bin auf der Seite meines Volkes und des Rechts. So werden wir auch weitermachen", sagte der Präsident, der schon seit längerem zum Du als Anrede für Merkel übergegangen war.

"Kriminelle"

Im Hinblick auf den inhaftierten "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel sagte er: "Niemals werden wir Zugeständnisse vor jenen machen, die sich Medienvertreter nennen, aber Aktivismus für Terrororganisationen betreiben oder für ausländische Dienste spionieren." Erdogan wies bei seiner Ansprache vor Verlegern Kritik aus dem Westen an Inhaftierungen von Journalisten in seinem Land zurück. Auf einer Liste "vom Ausland" seien in diesem Zusammenhang 149 Inhaftierte genannt worden. Die meisten davon säßen aber wegen Terrorismusvorwürfen im Gefängnis, andere würden krimineller Taten beschuldigt. "Das einzige, was nicht auf der Liste steht, sind Journalisten", sagte Erdogan. "Unter ihnen ist alles vertreten, vom Mörder bis zum Räuber, vom Kinderschänder bis zum Betrüger."

Wartet ab: Bundeskanzlerin Angela Merkel
Wartet ab: Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: Reuters/K. Pfaffenbach

Bundeskanzlerin Angela Merkel geht weiterhin gelassen mit den ständigen Entgleisungen des türkischen Präsidenten um. "Deutschland hat kein Interesse an einer Eskalation der Beziehungen zur Türkei", sagte Merkel dem "Saarländischen Rundfunk". Es bleibe auch dabei, dass Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland genauso als Bürger aufgefasst würden, mit denen man gut zusammenleben wolle. Zugleich vertrete die Bundesregierung aber ihre Interessen und Werte und suche dazu weiter das Gespräch und auch die Auseinandersetzung mit der Türkei, machte die Kanzlerin deutlich.

Ob der Verzicht auf die Politikerauftritte im Vorfeld des türkischen Verfassungsreferendums ein Beitrag zur Deeskalation sein solle, könne sie nicht bewerten, sagte Merkel. Mit Blick auf die von dem türkischen Präsidenten Erdogan geplante Verfassungsreform verwies die Kanzlerin auf Kritik der sogenannten Venedig-Kommission des Europarats: "Das ist ein Schritt weg von der Demokratie", sagte Merkel.

Klare Kante bei Steinmeier

Deutliche Worte zur türkischen Politik kommen vom neuen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. An die Adresse des türkischen Präsidenten gerichtet, sagte er anlässlich seiner Vereidigung in Berlin: "Beenden Sie die unsäglichen Nazi-Vergleiche." Zudem forderte er die Freilassung des deutsch-türkischen Journalisten Yücel.

Attackierte Erdogan: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Attackierte Erdogan: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Bild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

"Wochenlange Querelen"

Seit Wochen richten Erdogan und Minister seiner Regierung scharfe Angriffe gegen Deutschland und andere EU-Staaten, die unter anderem darin gipfelten, Bundeskanzlerin Merkel persönlich "Nazi-Methoden" vorzuwerfen. Anlass ist der Streit um die Verhinderung von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland, die für das von Erdogan geforderte Präsidialsystem in der Türkei werben wollten.

Die Türken sind am 16. April aufgerufen, in einem Referendum über die Verfassungsänderung abzustimmen, die Erdogans Macht deutlich ausbauen und die Befugnisse des Parlaments beschneiden würde. In Deutschland leben fast 1,5 Millionen stimmberechtigte Türken.

cgn/wl (afp, dpa)