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Wahlen in Polen

Ina Rottscheidt20. Oktober 2007

So mancher deutsche oder europäische Politiker mag wohl auf eine Wahlniederlage von Ministerpräsident Kaczynski hoffen. Die regierende PiS hat aber Chancen auf eine Wiederwahl - trotz überschaubaren Erfolgen.

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Wahlplakat mit Lech und Jaroslaw Kazcynski (l.) und Donald Tusk (r.)
Die Kaczynskis gegen Tusk - wer gewinnt die Wahlen?Bild: AP

Je näher der Wahlsonntag in Polen rückt, desto dramatischer werden Politiker-Appelle und Zeitungsschlagzeilen: Es gehe um die "wichtigsten Wahlen seit 1989", titelte das liberale Nachrichtenmagazin "Polityka" und mit "Wähl, so lange du noch kannst!", versuchte die Zeitschrift "Przeglad" den Wählern Beine zu machen: Vor zwei Jahren war die Beteiligung mit 40 Prozent so niedrig wie nie zuvor seit 1989.

Wahlplakat der oppositionellen Bürgerplattform (v.l.): Bronislaw Komorowski, Hanna Gronkiewicz-Waltz, Donald Tusk, Julia Pitera and Radoslaw Sikorski, Foto: AP
Lieblingskandidat der Europäer: Donald Tusk (Mitte)Bild: AP

Die Neuwahlen am Sonntag (21.10.2007) waren notwendig geworden, nachdem die Regierungskoalition von Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski zerbrochen war und das Parlament seine Selbstauflösung beschlossen hatte. Umfragen zufolge ist ein knappes Rennen der beiden großen Parteien - der regierenden konservativen Recht und Gerechtigkeit (PiS) und der oppositionellen Bürgerplattform (PO) - zu erwarten. Als dritte Kraft dürfte die Partei Linke und Demokraten (LiD) ins Parlament einziehen.

Magere Bilanz der Kaczynski-Politik

Die Regierungspartei liegt in den Umfragen bei rund 30 Prozent - erstaunlich, bei der mageren Bilanz ihrer Arbeit: Das Gesundheitssystem steht kurz vor dem Zusammenbruch. Die Privatisierungen sind praktisch zum Stillstand gekommen und auch sein Versprechen, drei Millionen Sozialwohnungen zu schaffen, hat Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski nicht gehalten. Die Bekämpfung der Korruption erfolgte vor allem auf Kosten der Rechtsstaatlichkeit und die polnische Wirtschaft blüht weniger wegen sondern eher "trotz der Regierungspolitik", so Professor Dieter Bingen vom Deutschen Polen-Institut: "Das Wachstum von 6,1 Prozent im vergangenen Jahr hat nichts mit der Politik der PiS zu tun", sagt er. Vielmehr sei der EU-Beitritt ein "großer Motor" gewesen.

Wahlplakat mit dem polnischen Premierminister Jaroslaw Kaczynski in Warschau, Foto: AP
Mit antideutschen und europaskeptischen Parolen in den WahlkampfBild: AP

"Es ist tatsächlich erstaunlich, wie stabil die Unterstützung für Kaczynski und seine PiS ist", findet auch Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Kaczynski ist zwar verhasst bei vielen Polen, aber er hat auch viele Anhänger im ländlichen Raum und im traditionell katholischen Milieu, die ihm bis zu einem Drittel der Stimmen sichern können."

Europas Hoffen auf den Wechsel

Auch in Europa hat sich Kaczynski wenig Freunde gemacht: "Niemand sagt das offen, aber natürlich drücken hier viele Leute die Daumen für einen neuen Ministerpräsidenten mit einer neuen Mehrheit", sagt Stephen Bastos von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die Kaczynskis sind gegen eine schnelle Einführung des Euro und betrachten die USA als wichtigsten Partner Polens. Mit ihren aggressiven Tönen gegen die Nachbarn Russland und Deutschland haben sie alte Gräben wieder aufgerissen und in ihrer kurzen EU-Karriere schon für so manche Blockade gesorgt. Sie unterhalten zudem enge Verbindungen zum radikal-katholischen Sender Radio Maria, der gerne anti-semitische Parolen verbreitet und erst kürzlich machte sich die Regierung in Brüssel zum Gespött, als sie eine Untersuchung verlangte, ob die Kinder-Fernsehserie "Teletubbies" Homosexualität fördert.

Mit Donald Tusk von der liberal-konservativen Bürgerplattform PO als Ministerpräsident könnte es hingegen auf europäischer Ebene wieder zu einem "zivilisierteren Umgang" kommen, hofft Dieter Bingen. Tusk ist das Gesicht der PO, für seine Anhänger steht er für ein weltoffenes Polen, das seine Traditionen schätzt, sich aber nicht in Europa isolieren will. Er ist zwar, wie sein wichtigster Gegner Kaczynski, in der Tradition der polnischen Arbeiterbewegung "Solidarnosc" verwurzelt, sieht aber Wirtschaftsliberalismus, nicht den Schutz eines starken Staates als wirksamstes Mittel für Wirtschaftsaufschwung und gegen Arbeitslosigkeit und Massenemigration.

Die Brüder Jaroslaw (l) und Lech Kaczynski (Archivfoto vom 01.08.2005), Quelle: dpa
Einer bleibt auf jeden Fall: Die Kaczynski-ZwillingeBild: picture-alliance/ dpa

"Mit Tusk wird sich das Klima ändern", vermutet auch Kai-Olaf Lang. Der Politiker unterhalte gute Beziehungen zur CDU und zu Angela Merkel und er werde Polen zurück in die Mitte Europas führen - jedoch ohne damit wichtige politische Positionen aufzugeben, wie etwa in den offenen Fragen um die Ostseepipeline oder die Vertriebenen in Deutschland. "Das wird keine grundlegende Wende in den deutsch-polnischen Beziehungen", so Lang.

Auf Partnersuche

Doch derzeit sagen Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Dass Jaroslaw Kaczynski mit seiner PiS eine eigene Mehrheit im Parlament bekommt, halten beide Wissenschaftler für unwahrscheinlich. "Es besteht eine reelle Chance, dass die oppositionelle, liberal-konservative Bürgerplattform (PO) als stärkere Partei aus den Wahlen hervor geht", sagt Bingen. In diesem Fall könnte Jaroslaw Kaczynski gezwungen sein, den Posten des Regierungschefs für einen Kompromisskandidaten freizumachen.

Bleibt aber immer noch der andere Zwilling, Lech Kaczynski, dessen Mandat als Staatspräsident erst 2010 ausläuft und der gegen alle vom Parlament verabschiedeten Gesetze sein Veto einlegen kann. Um ein Veto zu überstimmen, bräuchte eine solche Koalition drei Fünftel und damit 276 der 460 Sitze im Parlament: Eine solche Konstellation könnte die polnische Regierungsarbeit lähmen, fürchtet Kai-Olaf Lang: "Dann werden wir vermutlich eine sehr zerbrechliche Regierung haben."

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