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Schärfere Gangart

Martin Schrader25. September 2006

Die Schweiz bekommt eine der schärfsten Asylregelungen in Europa. Bei der Volksabstimmung sprachen sich mehr als zwei Drittel der Bürger für eine deutliche Verschärfung des Asyl- und Ausländerrechts aus.

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Schweizer Grenze
Härter: Die Schweizer GrenzeBild: dpa

In zwei Volksabstimmungen votierten die Schweizer am Sonntag (24.9.2006) mit klarer Mehrheit für ein deutlich schärferes Asyl- und Ausländerrecht. Die beiden Vorlagen erreichten eine Zustimmung von 67,8 und 68 Prozent. Die Stimmbeteiligung lag mit 48 Prozent ungewöhnlich hoch. Vertreter linker Parteien und Kirchen zeigten sich enttäuscht von dem Ergebnis der Abstimmung. Experten sehen darin einen deutlichen Stimmungswandel in der Bevölkerung, nachdem die Schweizer vor vier Jahren eine Änderung der Asylgesetze noch abgelehnt hatten.

Das soll passieren

Das veränderte Gesetz sieht vor, dass Asylsuchende, die sich vor der Einreichung des Gesuches in einem "sicheren" Drittstaat aufgehalten haben, also etwa in der EU, zurückgewiesen werden. Asylsuchende müssen innerhalb von 48 Stunden Dokumente wie Pass- oder Personalausweis vorlegen, sonst wird ihr Gesuch nicht angenommen. Wer abgewiesenen Asylbewerbern hilft, kann belangt werden.

Nach dem neuen Ausländergesetz wird jetzt auch der Familiennachzug von Ausländern geregelt. Die 1,5 Millionen Menschen ohne Schweizer Pass sollen zügig integriert werden. Betroffen sind vor allem Menschen, die nicht aus der Europäischen Union kommen. Aus Drittstaaten werden künftig nur noch Führungskräfte, Spezialisten und andere beruflich qualifizierte Arbeitskräfte zugelassen. Zudem werden die Strafandrohungen für unwahre Angaben vor den Behörden, für Schlepper oder für Arbeitgeber von Schwarzarbeitern erhöht.

Verstoß gegen UN-Konvention?

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat das neue Asylgesetz als eines der restriktivsten in ganz Europa kritisiert. UNHCR-Sprecher Ron Redmond sagte, obwohl die Zahl der Asylsuchenden ständig gesunken sei und sich mittlerweile auf dem tiefsten Stand seit 1987 befinde, werde das Asylgesetz weiter verschärft. Die neue Bestimmung, wonach Flüchtlinge ohne Papiere künftig kein Asyl mehr erhalten, verstoße gegen die UN-Flüchtlingskonvention von 1951. Menschen, die auf der Furcht um ihr Leben auf der Flucht seien, hätten oft nicht die Möglichkeit, gültige Papiere zu bekommen.

Justizminister Christoph Blocher von der Schweizerischen Volkspartei macht Stimmung gegen Ausländer (Archiv-Foto)
Justizminister Christoph Blocher von der Schweizerischen Volkspartei macht Stimmung gegen Ausländer (Archiv-Foto)Bild: AP

Der Schweizer Justizminister Christoph Blocher, ein Hardliner und vehementer Verfechter strenger Ausländerregeln, verteidigte die Maßnahmen. "Künftig wird man nicht mehr jahrelang nach der Identität suchen wie nach Ostereiern", sagte er im Gespräch mit der "Neuen Zürcher Zeitung".

Minderjährige in Haft

Die Caritas Schweiz greift die geplante Verschärfung der Haftbestimmungen an. Minderjährige im Alter von 15 bis 18 Jahren sollen dem neuen Gesetz zufolge bis zu einem Jahr in Haft genommen werden können, ältere Asylsuchende können bis zu zwei Jahre inhaftiert werden. Dadurch sollen sie bewogen werden, bei der Suche nach Dokumenten zu helfen, die ihre Herkunft belegen. Dorthin können sie anschließend abgeschoben werden.

Stimmung schüren

Das Referendum wurde überschattet von einer Vergewaltigung unter kosovarischen Einwanderern, die seit mehreren Jahren Bleiberecht in der Schweiz haben oder schon eingebürgert sind. Die Tat geschah bereits im Juli, wurde jedoch erst Wochen später bekannt. Damals vergewaltigten ein dreizehnjähriger und ein zehnjähriger Junge eine fünfjährige Spielkameradin. Justizminister Christoph Blocher griff diese Untat in seinen ausländerpolitischen Reden auf. Die Gegner der neuen Gesetze werfen ihm deshalb vor, die Vergewaltigung instrumentalisiert zu haben, um damit die Mehrheit der Schweizer hinter sich zu bringen.