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Kurden im Irak

16. März 2010

Der kurdische Nordirak wirkt fast wie ein eigener Staat. Und die Region ist sicherer als der Rest des Landes. Welche Rolle spielen die Kurden heute überhaupt im Irak?

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Stadtansicht auf Erbil im Nordirak (Foto: dpa)
Die Stadt Erbil im Nordirak zieht auch Investoren anBild: picture-alliance/dpa

Das Problem der Kurden nicht nur im Irak begann mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg: Wie viele andere Völker auch erhofften sie sich von der Niederlage der Osmanen Freiheit und politische Selbstbestimmung. Und sie sahen sich in dieser Forderung unterstützt durch den amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson, der solche Selbstbestimmung für alle forderte. Die internationale Gemeinschaft schloss sich dieser Forderung an. Aber nicht lange: 1920 versprach man in Sèvre den Kurden noch einen eigenen Staat. Drei Jahre später, in Lausanne, wurde das kurdische Gebiet zwischen der neu entstandenen Türkei, dem Iran, Syrien, der Sowjetunion und dem britisch kontrollierten Irak aufgeteilt. Wenigstens beschlossen die Briten nach einer Reihe gewaltsamer Auseinandersetzungen mit den Kurden, ihnen weitgehende Autonomie zuzugestehen. Ein Modell, das ein dreiviertel Jahrhundert später - mit Unterbrechungen zwar und in Abwandlungen - auch heute noch praktiziert wird.

Staat im Staat?

Der kurdische Nordirak wirkt fast wie ein eigener Staat: Mit eigener Fahne, eigener Hymne, eigenem Militär, eigener Polizei, einer eigenen Regierung und einem eigenen Präsidenten. Gleichzeitig aber ist ein Kurde - Jalal Talabani - auch Staatspräsident des Irak. Diese Konstruktion soll zeigen, wie ein künftiger irakischer Staat im Inneren aussehen könnte: Mit weitgehender Autonomie, aber keine Selbständigkeit der verschiedenen Volksgruppen. Der Präsident des kurdischen Nordirak, Masud Barzani, sagt, dass es nach dem Sturz des Regimes sie Kurden waren, die die Einheit des Irak schützten. "Bis heute sind wir der Hauptgrund dafür, dass der Irak noch ein Staat ist. Wir haben die größten Anstrengungen gemacht, die Erfahrungen der Kurden auch auf die anderen Regionen des Irak zu übertragen. Aber ich bedaure sagen zu müssen, dass unsere Brüder dort von unseren Erfahrungen nicht profitiert haben", sagt Barzani.

Jalal Talabani und Masud Barzani (Foto: AP/DW-Montage)
Jalal Talabani und Masud BarzaniBild: AP / picture-alliance / dpa / DW-Montage

Die Kurden machen etwa ein Sechstel der irakischen Bevölkerung aus. Sie haben die Wirren seit dem amerikanischen Einmarsch genutzt, ihr Gebiet im Norden zu entwickeln und zur Brücke in den Rest des Irak gemacht. Aber sie sind auch dem Argwohn der anderen Iraker und der Nachbarn ausgesetzt: Diese Nachbarn haben selbst kurdische Minderheiten und sie befürchten, dass das Beispiel der irakischen Kurden auf diese abfärben und separatistische Bestrebungen wiedererwecken könnte. Und im Irak wirft man den Kurden vor, sie wollten ihr Gebiet der Kontrolle Bagdads entziehen, weil diese Gegend reich an Öl- und Gasvorkommen ist.

Reiche Region

Besonders, wenn auch noch Kirkuk hinzugezählt wird, dann verfügten die Kurden über mehr als ein Drittel des Erdölverkommens des Landes. Unter Saddam Hussein waren Kurden von dort systematisch vertrieben worden. Sunnitische Araber wurden angesiedelt und die Kurden möchten das rückgängig machen. Sie warten auf eine Volksabstimmung zu der Frage. In Bagdad scheint man an einem Ausbau der kurdischen Macht aber nicht interessiert zu sein. Und in Ankara auch nicht. Lange Jahre erhob die Türkei zwar selbst Anspruch auf Kirkuk, aber heute will sie keinen starken kurdischen Nachbarn haben. Obwohl dieser versichert, nur friedliche Ziele zu verfolgen, wenn er heute vom Recht auf einen eigenen Staat spricht. "Dies ist das legitime Ziel des kurdischen Volkes. Dieses Ziel sollte erreicht werden, aber ohne Gewalt. Ich unterstütze nicht die Anwendung von Gewalt", sagt Barzani.

Grenzgebiet Türkei Irak (Foto: AP)
Immer wieder kommt es an der türkisch-irakischen Grenze zu KonfliktenBild: AP

Vor Gewalt gefeit ist der kurdische Nordirak aber nicht: Es kommt immer wieder zu Anschlägen und auch militärischen Spannungen mit der Türkei. Und selbst das vor einigen Jahren eingegangenem Bündnis der Bewegungen von Barzani und Talabani, der "Demokratischen Partei Kurdistans" (DPK) und der "Patriotischen Union Kurdistans" (PUK), ist brüchig. Es könnte leicht zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen beiden kommen. Allerdings ist niemandem daran gelegen. Nicht im Irak und erst recht nicht im Ausland. Und es ist diese Furcht vor neuer Gewalt, die den Chor derer stärkt, die zwar vom Selbstbestimmungsrecht sprechen, den Kurden aber empfehlen, ihre Zukunft anders zu gestalten. Etwa der ehemalige US-Präsident George W. Bush, der einer Exilkurdin in den USA empfahl: "Hier ist meine Botschaft. Hier ist meine Botschaft an Ihre Verwandten im irakischen Parlament: Arbeiten Sie für die Bildung einer Einheitsregierung. Einer Regierung, die die Minderheiten im Land einschließt: Schiiten, Kurden und Sunniten…"

Autor: Peter Philipp
Redaktion: Diana Hodali