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Frauen im Islam

12. Februar 2012

Sie geben Koranstunden, sind Ansprechpartner in religiösen Fragen und Seelsorgerinnen. Die Predigerinnen der Türkisch-Islamischen Union in Deutschland haben für viele Migrantinnen eine Vorbildfunktion.

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Tagung mit Predigerinnen
Tagung der PredigerinnenBild: DW

Es geht um vorherrschende Rollenbilder von Frauen innerhalb der muslimischen Gemeinde, um mehr Teilhabe am öffentlichen Leben und um konservative Verhaltensmuster, die teils überdacht werden sollen. Idealbild sei die starke Frau. Gebildet soll sie sein und mit einer Lebensaufgabe betraut. "Vielfach sind die Frauen in den Moscheegemeinden noch zu sehr in der Opferrolle", kritisiert eine Predigerin. Man müsse darüber aufklären, dass diese Rolle nicht von der Religion vorgegeben sei. Ali Dere, Vorsitzender der Türkisch-Islamischen Union (Ditib), legt Wert darauf, den Islam grundsätzlich nicht mit falschen Rollenbildern zu verbinden. "Wir müssen wahrscheinlich über die Rollenwahrnehmung als Mann und als Frau innerhalb der Gesellschaft und Familie aufklären", sagt er. Manche Dinge seien unklar.

Predigerin mit Vorbildfunktion

Bei der Vermittlung von religiös angemessenen Frauenrollen haben die Predigerinnen der Ditib eine Schlüsselfunktion. Sie kommen aus der Türkei, haben dort Theologie studiert und werden als Religionsbeauftragte für vier Jahre nach Deutschland entsandt - ähnlich wie die türkischen Imame, die im Unterschied zu den Predigerinnen auch Freitagsgebete leiten. Predigerinnen sind wichtige Ansprechpartner für religiöse Fragen, leisten aber auch viel im seelsorgerischen Bereich. Für die türkischstämmigen Frauen sind sie Vorbilder. Fatma Karahan ist vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen. In Essen und Umgebung betreut sie gleich mehrere Ditib-Moscheen. "Als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich als erstes einen Sprachkurs gemacht, auch weil ich den Frauen zeigen will, dass ich mich bemühe", erklärt die Theologin. Allgemeinbildung und Beruf seien wichtig für Frauen, damit sie ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln könnten. Deshalb empfehle sie ihren Frauen, sich mehr zu bilden. "Ich glaube, je gebildeter Frauen sind, desto stärker sind sie", sagt die 32-Jährige.

Predigerin Dr. Fatma B. Karahan
Predigerin Fatma KarahanBild: DW

Nachhilfe aus der Türkei?

Bei der Auswahl der Predigerinnen hilft die Diyanet, das staatliche Amt für Religionsangelegenheiten in der Türkei. Die Theologinnen werden mit Deutschkursen und Landeskundeunterricht am Goethe-Institut in Ankara vorbereitet. Doch das Ditib-Modell hat Schwachstellen: Können türkische Predigerinnen in einem zeitlich begrenzten Rahmen Werte und Rollenbilder vermitteln, die den Frauen in Deutschland weiterhelfen? Die SPD-Politikerin Lale Akgün kritisiert das Modell der Ditib: "Wir haben hier Menschen, die ihre eigene Lebenswirklichkeit haben. Und daraus entstehen Forderungen an den Alltag, die von Menschen gelöst werden müssten, die die Verhältnisse hier kennen." Frauen also, die in Deutschland groß geworden sind und die Normen der Gesellschaft hier teilen. "Wenn ich Menschen aus anderen Gesellschaften einfliege, zum Teil aus ganz bestimmten Verhältnissen in der Türkei, dann haben wir eine ganz bestimmte Auslese", sagt die SPD-Politikerin. Darüber müsse man diskutieren: "Also brauchen wir Nachhilfe aus der Türkei bezüglich Frauenrechten und Normen für Frauen?"

Predigerinnen-Ausbildung in Deutschland

Mit rund 50 Predigerinnen, auf das ganze Bundesgebiet verteilt, ist die Zahl der Religionsbeauftragten zu gering. Auch manche Schwachstellen im Modell sind bekannt, so dass man künftig mehr auf einheimische Theologinnen setzt. "Natürlich ist das eine Methode von kurzfristiger Natur", räumt der Ditib-Vorsitzende ein. Vor einigen Jahren habe man begonnen, das Personal in Deutschland auszubilden. "Wir werden die Anzahl weiblicher Religionsbeauftragter erhöhen und auch vermehrt einheimische Migrantinnen mit einbeziehen", sagt Ali Dere.

Bildung allein reicht nicht

Ziel der muslimischen Frauenarbeit ist es, die Gleichberechtigung der Geschlechter im Blick zu haben, den Frauenanteil in den Moschee-Vorständen zu erhöhen und auf die Bedeutung von Bildung hinzuweisen. Klassische Rollenbilder muslimischer Frauen stehen auf dem Prüfstand. Aber ein allzu entschiedenes Vorgehen, das mit etwaigen Tabu-Brüchen einherginge, ist nicht erwünscht. Für die SPD-Politikerin hat Gleichberechtigung jedoch viel mit Selbstbestimmung zu tun: "Es geht um mehr Bildung für die Frauen", sagt Akgün. Bildung allein aber stehe nicht für die Gleichberechtigung von Mann und Frau. "Für mich fängt Selbstbestimmung da an, wo man den Männern sehr aggressiv zeigt, wo die Grenze ist, über das Leben einer Frau zu bestimmen."

Lernende Muslimin
Lernende MusliminBild: Fotolia/Jasmin Merdan

Autorin: Ulrike Hummel
Redaktion: Gudrun Stegen