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Die Roboter kommen

Dennis Stute6. August 2008

Roboter drängen in die menschliche Privatsphäre: Sie sollen als Altenpfleger, Butler und Babysitter arbeiten. Konzerne wie Toyota wollen so genannte Partner-Roboter zu einem Kerngeschäft machen.

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Roboter von Toyota geben inzwischen Konzerte, Quelle: Toyota
So sehen bei Toyota Konzerte ausBild: Toyota

Wenn die Entwicklungsabteilung von Toyota zeigen will, wozu sie inzwischen in der Lage ist, kann sie eine vollständige Roboter-Band auf die Bühne schicken. Die vier Musiker beherrschen Tuba, Trompeten und Schlagzeug gut genug, um ein kleines Jazzkonzert zu geben; zum Applaus verbeugen sie sich artig.

Smalltalk mit 10.000 Worten

Mit solchen Shows will der japanische Konzern demonstrieren, wie präzise und vor allem sanft die Roboter inzwischen zu arbeiten imstande sind. Denn ihr vorgesehenes Einsatzfeld ist sensibel: Sie sollen Alte und Kranke pflegen. Wegen der Bevölkerungsentwicklung in Japan sei dieser Bereich von besonderer Bedeutung, sagt Paul Nascolo, Sprecher von Toyota in Tokio. Rund 21 Prozent der Japaner sind – Rekord unter den Industriestaaten - älter als 65 Jahre, im Jahr 2050 werden es 40 Prozent sein.

Tanzt und spricht: Asimo von Honda, Quelle: AP
Tanzt und spricht: Asimo von HondaBild: AP

Die ersten Pflege-Roboter werden schon verkauft: die Bademaschine Hirb der Firma Sanyo etwa oder der menschenähnliche Wakamaru, der Personen erkennt, während er umherrollt und sich zum Smalltalk mit 10.000 Worten anbietet. Mit Asimo hat Honda einen komplexeren, menschenähnlichen Roboter entwickelt, der tanzen, sprechen und sich den Weg zur lebenswichtigen Steckdose suchen kann. Papero von NEC ist ein künstlicher Babysitter: Während das niedliche Gerät den Kleinen Spiele anbietet und über einen Funkchip immer weiß, wo sie gerade sind, können die Eltern am Computer arbeiten, in einem kleinen Fenster das Geschehen verfolgen und sich gegebenenfalls per Mobiltelefon in die Erziehung einmischen.

Japanische Übermacht

Das neue Geschäftsfeld wird von japanischen Konzernen dominiert, denn in der Robotik ist das Land führend. Rund 80.000 der 120.000 im vergangenen Jahr verkauften Industrie-Roboter kamen aus Japan, Deutschland folgt mit rund 12.000 weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz.

Ein Toyota-Roboter beim fehlerfreien, wenngleich etwas mechanischen Geigenspiel, Quelle: AP
Ein Toyota-Roboter beim fehlerfreien, wenngleich etwas mechanischem GeigenspielBild: AP

Im Bereich der so genannnten Partner-Roboter, die mit Menschen interagieren, sieht sich Toyota gut aufgestellt. "Es gibt viele Synergien mit der Automobil-Produktion", sagt Paul Nascolo und verweist auf Produktionsroboter und technische Schnittmengen wie Spracherkennung in Navigationssystemen, Entfernungs-Sensoren oder Mini-Motoren. "Wir wollen den Verkauf von Partner-Robotern zu einem Kerngeschäft ausbauen." Derzeit konzentriert sich der Konzern auf vier Bereiche: Haushaltsroboter, Roboter für die Alten- oder Krankenpflege, Industrie-Roboter und intelligente Transporthilfen. Bis zur Marktreife gelte es freilich noch, den mechanische Aufbau und die künstliche Intelligenz zu verbessern. "Die Roboter müssen noch besser darin werden, ihre Umgebung und Menschen zu erkennen."

Eine Welt voller Fallstricke

Wie vertrackt das ist, weiß auch Martin Hägele, Abteilungsleiter des Fraunhofer Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung. Der knapp 1,40 Meter kleine Care-O-Bot, den sein Institut entwickelt hat, kann beispielsweise Haushaltsgegenstände bringen oder den Tisch decken. "Selbst bei einem scheinbar einfachen Befehl wie 'Hol' mir die Brille' kommt man schon in die anspruchsvollsten Themenstellungen der Informatik", erklärt Hägele. Der Roboter muss Gesten verstehen und gegebenenfalls zielgerichtet Zusatzinformationen im Dialog abfragen. Er muss wissen, dass er nicht im Kühlschrank zu suchen braucht und lernen, dass er bei seinem Besitzer in 80 Prozent der Fälle im Badezimmer fündig wird. Dabei muss er ständig mit Störgrößen fertig werden: veränderten Lichtverhältnissen, Geräuschen im Hintergrund, einem Stuhl vor der Tür. "Kann der Roboter das nicht auflösen, ist er blockiert - und fragt im schlimmsten Fall nicht einmal, woran das liegt", sagt Hägele.

Der Care-O-Bot III des Fraunhofer Instituts reicht Getränke, Quelle: Fraunhofer Institut
Der Care-O-Bot III des Fraunhofer Instituts reicht GetränkeBild: Fraunhofer IPA

Toyota wagt derzeit die ersten Feldversuche. Seit vergangenem Jahr wird der Mobilitätsroboter IReal - ein futuristischer Rollstuhl, der selbständig fahren und Treppen steigen kann – in Kliniken eingesetzt. Durch solche Versuche wollen die Entwickler herausfinden, welche Funktionen im Alltag gebraucht werden und welche reine Ingenieurs-Phantasien waren. In den kommenden zehn Jahren sollen die Toyota-Roboter so zuverlässig werden, dass sie regulär einsetzbar sind. In den 2020er Jahren könnte dann die Vermarktung beginnen – wobei derzeit noch niemand weiß, wie teuer die Roboter sein werden und wie die Nachfrage aussehen wird. "Zuerst wollen wir 'Mitwohn-Roboter' verkaufen, die in Wohnungen, Altenheimen oder Krankenhäusern mit den Menschen zusammenleben – oder vielleicht besser: koexistieren", sagt Paul Nolasco.

Sollten Roboter Kinder erziehen?

Mit einer gewissen Skepsis verfolgt Noel Sharkey, die Entwicklung. "All das kann wunderbar sein – vorausgesetzt, es gibt Regeln", sagt der Professor für Künstliche Intelligenz und Robotik an der englischen Universität Sheffield. Wenn Altenpfleger mehr Zeit hätten, sich mit Patienten zu unterhalten, weil sie von Aufgaben wie Aufwischen oder Bettenmachen entlastet würden, sei das zu begrüßen. Problematisch werde es, wenn die Maschinen den menschlichen Kontakt ersetzten. Es müsse daher frühzeitig eine Diskussion über das Thema geben.

Der "Familienroboter" IROBI von dem südkoreanischen Hersteller Yujin Robotics, Quelle: AP
Der "Familienroboter" IROBI von dem südkoreanischen Hersteller Yujin RoboticsBild: AP

Fertige Antworten hat auch Sharkey nicht, er stellt lieber Fragen. Sollten Kinder Roboter als Vorbilder haben? Darf ein Roboter Entscheidungen über Menschen treffen – etwa, indem er ihn alle zwei Stunden zur Toilette bringt? Darf er im Notfall reanimieren? Wer ist verantwortlich, wenn etwas schief geht? Der Hersteller? Die Klinik? Das Wartungspersonal? "Ich hoffe, dass das reguliert wird, bevor sich die Roboter durch die Hintertür hineinschleichen", sagt Sharkey. "Aber ich glaube, die Diskussion wird erst dann ernsthaft beginnen, wenn sie schon längst in Aktion sind."

Ob das in großem Maßstab passieren wird, weiß man auch bei Toyota nicht mit Sicherheit. "Was über den Erfolg der Roboter entscheiden wird, ist nicht die Technologie. Die größte Unbekannte ist der Markt", sagt der Konzernsprecher Nolasco."Wir werden nicht mit der Massenproduktion von Partner-Robotern beginnen, wenn es keine Bestellungen gibt."