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Die NATO auf Sinnsuche

Bernd Riegert, z.Zt. Nizza 10. Februar 2005

Die NATO ist derzeit auf dem Balkan, in Afghanistan und im Irak präsent. Über die Zukunft der Auslandseinsätze haben die Verteidigungsminister der NATO in Nizza beraten - und festgestellt, dass es nicht vorangeht.

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NATO-Treffen in Nizza: Viel reden für wenig ErgebnisBild: AP

Fortschritte gab es eigentlich nur bei der internationalen Schutztruppe in Afghanistan. Nach größeren Mühen wurde beschlossen, dass die ISAF mit zusätzlichen Soldaten seine Tätigkeit in den Westen des Landes ausdehnen solle. Im Norden und in Kabul ist eine Befriedung bereits gelungen. Ausgeklammert wird allerdings weiterhin das heikle Vorgehen gegen den Drogenanbau, den wichtigsten Wirtschaftszweig Afghanistans.

Ausweitung der Mission denkbar - theoretisch

Nach und nach soll die NATO auch die Wiederaufbau-Teams im Süden und die gefährliche Jagd auf Terroristen und Taliban im Osten des Landes übernehmen - ein Zugeständnis an die USA, die möglichst viele Soldaten aus Afghanistan abziehen wollen, um den Rücken für die wichtigere Irak-Operation freizuhaben. Wann mit diesem Schritt zu rechnen ist, darauf konnten sich die NATO-Minister nicht einigen. Er wird voraussichtlich noch einige Jahre auf sich warten lassen. Denn: Wenn es nicht nur um politische Erklärungen, sondern um konkrete Truppengestellung geht, tun sich die meisten europäischen NATO-Staaten schwer.

Wahlmöglichkeit bei Ausbildung

Die Ausbildungsmission der NATO im Irak - von den USA und Großbritannien immer wieder eingefordert - kommt nicht richtig voran. Die bescheidende Zahl der versprochenen Ausbilder ist bei weitem nicht erreicht. Um dem amerikanischen Präsidenten, der am 22. Februar die NATO in Brüssel beehren wird, wenigstens ein akzeptables Gastgeschenk überreichen zu können, haben die Verteidigungsminister in Nizza eine neue Formel geprägt: Die NATO-Mitglieder können sich aussuchen, ob sie im Irak oder - wie Deutschland - außerhalb des Landes ausbilden. Wer keine eigenen Ausbilder stellen will, darf in einen gemeinsamen Fond einzahlen. Die USA nehmen dies zähneknirschend hin.

Transatlantischer Unmut

Der neue, versöhnlichere Kurs in den transatlantischen Beziehungen soll nicht gefährdet werden. Hinter vorgehaltener Hand ärgern sich die Amerikaner dennoch über die Europäer, die erst viel versprechen - wie beim letzten Gipfel im Juni in Istanbul - und dann hinterher nicht liefern. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat sich damit offenbar abgefunden, denn er setzt weiter darauf, sein Konzept "Bündnisse der Willigen" von Fall zu Fall zu gründen.

NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer hat richtig erkannt, dass das System der Truppenstellung und der Finanzierung von Missionen überdacht werden muss. Wie das konkret geschehen soll, ist jedoch umstritten. Es gibt eine Glaubwürdigkeitslücke zwischen angekündigten Vorhaben und dem, was tatsächlich passiert. Diese Lücke, so mahnt de Hoop Scheffer gebetsmühlenartig, müsse dringend geschlossen werden.

Zu viel Theorie, wenig Konkretes

Es verwundert, dass innerhalb der NATO Diskussionen angestoßen werden, ob man nicht weitere Missionen, zum Bespiel bei der Friedenssicherung im Nahen Osten oder im Sudan übernehmen könnte. Die Verteidigungsminister klagen, dass die Außenminister sich immer neue Verpflichtungen ausdenken, die die Militärs mit knappen Budgets dann irgendwie umsetzen sollen. Das könne so nicht weitergehen, schimpften NATO-Diplomaten in Nizza.

Die NATO befindet sich mitten in einer teilweise schmerzhaften Transformation weg von der Heimatschutzarmee hin zu einer weltweit einsetzbaren Eingreiftruppe. Dieser Prozess geht langsam voran. Zu langsam.