1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die marode Infrastruktur der USA

Sophie Schimansky New York
17. Juli 2017

Amerikas Infrastruktur steckt in der Krise. Straßen und Gleise sind alt und gefährlich und dämpfen das Wirtschaftswachstum. Trump will das ändern - mit Anreizen für private Investoren.

https://p.dw.com/p/2gWJ8
DW SHIFT | New York City mit Subway
Bild: DW

Für die New Yorker hat an diesem Montag der "Sommer der Hölle" begonnen. Wenn die Angestellten nachmittags von der Arbeit nach Hause eilen, ist der Bahnhof Pennsylvania Station in Midtown brechend voll. Durch die "Penn Station" pendeln jeden Tag 600.000 Menschen zur Arbeit in Manhattan und dann wieder zurück nach New Jersey oder Long Island. Das sind mehr Reisende als an den drei New Yorker Flughäfen JFK, Laguardia und Newark zusammen.

Ausgerechnet an diesem wichtigen Knotenpunkt sind seit Montag mehrere Gleise für den Sommer über stillgelegt - sie müssen dringend repariert werden. Der Ausfall könnte zu einer Kettenreaktion führen und das Transportsystem in New York City an den Rande des Zusammenbruchs bringen, sagte Andrew Cuomo, der Gouverneur des Bundesstaats New York, vor zwei Wochen auf einer Konferenz. Die Reparaturen sind unumgänglich. Im Frühjahr waren an der Penn Station zwei Züge entgleist, rief Cuomo danach den Notstand für den öffentlichen Verkehr in New York State aus.

USA, Baumaßnahmen in New York's Pennsylvania Station
Arbeiter im Tunnel der New Yorker Penn Station, dem verkehrsreichsten Bahnhof der USABild: Reuters/B.McDermid

Alte und überlastet

Der Schienenverkehr in New York City ist chronisch überlastet, die U-Bahn mehr als 120 Jahre alt. Die Straßen sind mit Schlaglöchern übersät, Tunnel baufällig, Brücken und Abwassersystem marode.

Besser sieht es aus bei Stromnetzen, Gas- und Ölleitungen, Häfen, dem Bahn-Frachtverkehr und dem Ausbau von Breitband-Internet, weil diese Bereiche der Infrastruktur größtenteils in privater Handsagt sind, sagt Ingo Walter, emeritierter Professor für Finanzen an der New York University.

Die restliche Infrastruktur zerfällt dagegen zusehends. Der Verband der Bauingenieure vergibt alle vier Jahre Noten für Verkehrswege, Wasser- und Stromversorgung. New York State erhielt 2017 eine Vier plus, für die USA insgesamt gab es ein Mangelhaft.

2000 Dämme könnten jederzeit brechen, 56.000 Brücken landesweit sind marode und jede fünfte Straße müsste ausgebessert werden. Schlaglöcher, Umleitungen, Baustellen und ausfallende Züge kosten jeden amerikanischen Haushalt 3400 Dollar im Jahr, sagt Verbandsdirektor Brian Pallasch.

Aufgrund der Mängel drohten bis 2025 Einbußen bei der Wirtschaftsleistung von bis zu 4000 Milliarden Dollar, so der Verband. Die gleiche Summe brauche man, um die Infrastruktur wieder auf Vordermann zu bringen.

Mehr Geld - aber woher?

Die marode Infrastruktur war ein willkommenes Wahlkampfthema für Donald Trump. Immerhin 1000 Milliarden Dollar hatte er den geplagten Amerikanern versprochen. "Wir wünschen uns noch etwas mehr, aber es ist ein guter Anfang", sagt Pallasch vom Verband der Bauingenieure.

Im Mai veröffentlichte das Weiße Haus ein sechsseitiges Papier, das einen Grundsatz erkennen lässt: Der Staat wird sich in Zukunft zurückziehen. Das zeigt auch das Budget: Die Bundesregierung in Washington wird nur rund 200 Milliarden Dollar in das versprochene Infrastruktur-Paket stecken. Die restlichen 800 Milliarden sollen von Bundesstaaten und Kommunen kommen. Das stellt vor allem ländliche Gegenden in klammen Bundesstaaten vor Probleme.

Trump will zudem private Investoren für die Finanzierung öffentlicher Infrastrukturprojekte gewinnen - durch günstige Kredite und Steuererleichterungen. Diese Subventionierung der Privatwirtschaft soll Arbeitsplätze zu schaffen und den Fiskus entlasten.

Bildergalerie Detroit ist bankrott
Detroit, einst Zentrum der US-Autoindustrie, meldete 2013 Konkurs an. Es ist der größte städtische Bankrott in den USA.Bild: Getty Images

"Geschenk an die Wall Street"

Doch private Unternehmen könnten zusätzliche Gebühren erheben, etwa eine Maut für die Straßennutzung, um auf attraktive Renditen zu kommen, sagt John Rennie Short, Professor für Öffentliche Verwaltung an der University of Maryland. Belastet würden letztlich die Bürger, zusätzlich zu ihren Steuern.

Short nennt Trumps Plan deshalb "ein Geschenk an die Wall Street". Private Investoren würden sich zudem eher für Projekte interessieren, die eine baldige Rendite einbringen. Infrastruktur erfordere dagegen einen langen Atem. "Eine Rendite in 20-25 Jahren kann ein Unternehmen seinen Anlegern nur schwer schmackhaft machen", sagt Short.

Das gelte auch für Projekte in ländlichen Gegenden, die weder schnelle noch hohe Renditen bringen. Trumps Modell verstärke die Ungleichheit, glaubt Short. "Die Städte, die es am nötigsten hätten, ziehen keine Investoren an."

Städte wie Flint und Detroit, ehemalige Hochburgen der Autoindustrie im Bundesstaat Michigan. Die Finanzwebsite Wallethub zählt sie "schlimmste Städten" Amerikas, unter anderem wegen der mangelhaften Infrastruktur. Hier gibt es keine prestigeträchtigen Projekte, glaubt Short.

Jahrzehnte nicht gekümmert

Brian Pallasch vom Verband der Bauingenieure widerspricht. Viele Bundesstaaten würden ohnehin nicht mehr auf Hilfe aus Washington warten. Und auch in Staaten wie Michigan gebe es interessierte Investoren, denn Trumps Pläne machen Infrastrukturprojekte für sie attraktiver.

Zudem glaubt Pallasch nicht, dass Investoren nur auf der Suche nach schnellen Renditen sind: "Gerade Pensionskassen sind durchaus auf langfristige Renditen aus." Dort zahlen die Anleger heute ein und wollen ihre Rendite erst in Jahrzehnten sehen. Solange wird es auch dauern, die Infrastruktur in den USA zu verbessern, glaubt er.

Doch warum hat man sie überhaupt so verfallen lassen? "Der Kongress hat sich ein ganzes Jahrzehnt nicht um die Infrastruktur gekümmert, nun sehen wir die Konsequenzen", sagt Pallasch. Gleichzeitig sei die finanzielle Zuständigkeit zwischen Bundesstaaten und der Regierung in Washington hin- und hergeschoben worden, ergänzt Finanzfachmann Ingo Walter.

John Short fügt hinzu, dass es wohl erst zu einer Katastrophe kommen müsse, bevor gehandelt wird. Die Warnsignale häufen sich. Seit den beiden Vorfällen im Frühjahr sind weitere Züge entgleist: Anfang Juli ein Pendlerzug in der Nähe der Penn Station, Ende Juni eine U-Bahn; 34 Menschen wurden verletzt.