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Steuersünder-Affäre

6. Februar 2010

Die Steuersünder-Affäre zieht immer weitere Kreise: Auch Baden-Württemberg wurden brisante Daten zum Kauf angeboten. Zudem will die französische Justiz Deutschland Zugriff auf Daten einer Genfer Privatbank ermöglichen.

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Eine CD mit dem Aufdruck einer Schweizer Fahne (Foto: dpa)
Objekt der Begierde: Daten aus der SchweizBild: picture-alliance / dpa

Seit dem Angebot eines anonymen Schweizer Informanten beherrscht die Jagd auf Steuerbetrüger in Deutschland die Schlagzeilen und die politische Diskussion. Trotz einiger Kontroversen innerhalb der schwarz-gelben Regierungskoalition hat die Bundesregierung beschlossen, die zum Preis von 2,5 Millionen Euro angebotene CD zu kaufen. Darauf befinden sich die Daten von bis zu 1.500 Inhabern von Konten auf Schweizer Banken.

Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Focus" sollte der Kauf der brisanten Daten offenbar noch am Wochenende in der Schweiz über die Bühne gehen. Das Magazin beruft sich in einer Vorabmeldung vom Samstag auf Ermittlerkreise. Vier Fahnder der Wuppertaler Steuerfahndung seien auf dem Weg nach Frankreich, schreibt das Blatt weiter. Der bislang unbekannte Anbieter soll verlangt haben, dass das Treffen im benachbarten Ausland stattfinde. Denn er befürchtet dem Bericht zufolge offenbar, dass ihm bei einer Einreise nach Deutschland die Verhaftung droht.

Disput in Stuttgart: Kein Deal mit Ganoven?

Blick auf die Steuerfahndermarke eines Bediensteten des Finanzamtes Wuppertal (Archivfoto: AP)
Auf der Jagd nach SteuersündernBild: AP

Jetzt wurde bekannt, dass dem Land Baden-Württemberg weitere Daten potenzieller Steuersünder zum Kauf angeboten wurden. Dabei soll es sich um 2.000 Kunden verschiedener Schweizer Banken und Versicherungen handeln. Das bestätigte am Freitag (05.02.2010) der baden-württembergische Finanzminister Willi Stächele. Zugleich kündigte der CDU-Politiker an, den Datensatz nach Prüfung der rechtlichen Fragen kaufen zu wollen. Derzeit werde noch über die finanziellen Forderungen des Informanten verhandelt.

Innerhalb der schwarz-gelben Koalition in Stuttgart droht allerdings Streit: Justizminister Ulrich Goll (FDP) will einen Kauf illegal erlangter Daten nicht mittragen. "Ich will keine dubiosen Geschäfte mit dubiosen Leuten, die dubiose Motive haben", sagte er am Samstag nach Angaben seines Sprechers in Stuttgart. Ein Kauf derartiger Datensammlungen bewege sich "mindestens in einer rechtlichen Grauzone". Zudem werde auf diese Weise Denunziantentum gefördert. Der Minister bestätigte damit mehrere Medien-Berichte. "Für solche Dateien dürfe kein Steuergeld fließen. Kein Deal mit Ganoven", wurde der stellvertretende Ministerpräsident zitiert. Sein Chef, Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), setzte für Montag (08.02.2010) eine außerordentliche Kabinettssitzung an.

Bayerische Fahnder gehen offenbar weiteren Spuren nach

Nach Informationen des Magazins "Der Spiegel" werden derzeit mehr Datenpakete möglicher deutscher Steuersünder angeboten als bislang bekannt. So sollen dem Magazin zufolge beispielsweise Steuerfahnder in München gleich Kunden zweier Banken auf der Spur sein. Dabei handele es sich offenbar um eine kleine Schweizer Bank und ein Geldinstitut in Luxemburg. Allein von dort sollen Daten von mehr als 1.000 deutschen Kunden angeboten worden sein. Ein Sprecher des Finanzministeriums in München erklärte, dass die bayerischen Behörden allen Anzeigen nachgingen, wollte aber keine Details nennen.

Schäuble ruft Schweiz zur Kooperation auf

Symbollbild: Ein geöffnetes Schliessfach mit Schweizer Flagge (Foto: dpa)
Bröckelndes BankgeheimnisBild: picture-alliance / ZB / DW-Montage

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erwartet nach der jüngsten Steuersünder-Affäre eine Lockerung des Schweizer Bankengeheimnisses. "Das Bankengeheimnis darf im 21. Jahrhundert kein Instrument mehr sein, das von Staats wegen die Steuerhinterziehung ermöglicht", sagte Schäuble der "Süddeutschen Zeitung" (06.02.2010). Das Nachbarland müsse trotz aller Staatstraditionen Daten über Steuerhinterzieher herausgeben. "Die Schweiz wird ihr Bankengeheimnis lockern", sagte Schäuble.

Die Deutsche Steuergewerkschaft fordert die Bundesländer auf, kurzfristig zusätzliche Steuerprüfer einzustellen, um auch hierzulande mehr Steuersündern auf die Spur zu kommen. "Wir brauchen sofort 10 000 weitere Fachleute in den Finanzämtern und den Steuerfahndungsstellen", sagte Gewerkschaftschef Dieter Ondracek der "Rheinischen Post" (06.02.2010). Dadurch könne der Staat etwa zehn Milliarden Euro jährlich mehr einnehmen.

Immer mehr Selbstanzeigen

Symbolbild Steuerhinterziehung: Schatten des deutschen Bundesadlers über Euro- Geldscheinen (DW)
Der Fiskus lauert überallBild: picture-alliance/chromeorange

Nach einem Bericht des "Focus" soll sich mittlerweile in Berlin der Besitzer eines Schweizer Kontos selbst angezeigt haben und mit der Finanzbehörde die Begleichung seiner Steuerschuld in Höhe von rund 4,5 Millionen Euro vereinbart haben.

Wie viele Bürger davon tatsächlich Steuern hinterzogen haben, ist offen. Die Behörden rufen derweil weiterhin zur Selbstanzeige auf. Bei deutschen Finanzämtern gingen in jüngster Zeit mindestens 50 solcher Meldungen ein, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa in elf Bundesländern ergab.

Das Ausmaß der jüngsten Steuerdaten-Affäre ist nach Angaben der Bundesregierung noch nicht absehbar. Spekulationen, die gestohlenen Bankdaten könnten einen Steuerbetrug von bis zu 400 Millionen Euro entlarven, seien derzeit noch unseriös, sagte eine Sprecherin Schäubles. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte berichtet, die Aufdeckung der Schweizer Steueraffäre könne dem Fiskus maximal die genannte Summe einbringen. Medienberichten zufolge sollen insgesamt bis zu 100 000 Deutsche rund 23 Milliarden Euro an der Steuer vorbei auf Schweizer Konten versteckt haben.

Autor: Manfred Böhm (dpa, DAPD, rtr)
Redaktion: Anna Kuhn-Osius