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Die Invasionen fremder Arten – Immer ein Problem?

11. November 2013

Dazu ein Studiogespräch mit Dr. Ingolf Kühn, Biodiversitätsforscher vom Umweltforschungszentrum Leipzig.

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DW:
Sie beschäftigen sich vor allem mit eingeschleppten Pflanzen. Dass es diese gibt, finden Sie gar nicht so schlimm. Warum?

Ingolf Kühn:
Das kommt darauf an. Wir haben in Deutschland ungefähr 1500 eingeschleppte Arten, von denen vielleicht dreißig bis vierzig problematisch sind. Die große Mehrzahl der Pflanzenarten, fügen sich irgendwie ins Ökosystem ein und haben keine großen negativen Einflüsse.

Was sind das für Pflanzen, die sozusagen keine Schäden verursachen? Sind das Nutzpflanzen in der Landwirtschaft? Haben Sie da ein Beispiel?

Das sind beispielsweise Kartoffeln, oder Tomaten, die immer mal wieder auch verwildert vorkommen, den Winter nicht überleben und dann auch wieder verschwinden.

Wir haben ja schon Auswirkungen des Klimawandels. Hier in Mitteleuropa soll es trockener werden. Brauchen wir nicht auch neue Pflanzenarten?

Die verschiedenen Projektionen sagen vorher, dass tatsächlich ein Verlust von einheimischen Arten aus Deutschland zu erwarten ist. Und dann wäre es natürlich gut, wenn die Funktionen, die diese Arten im Ökosystem erfüllen, auch durch Arten aus dem angrenzenden Ausland wieder erfüllt werden können. Wir brauchen diese Arten, die in Südfrankreich, Norditalien oder anderswo im Augenblick in einem Klima vorkommen, das bei uns in 100 oder 50 Jahren zu erwarten ist. Problematisch werden können Arten, die tatsächlich von ganz anderen Kontinenten kommen, ganz andere evolutionsgeschichtliche, ökologische Hintergründe haben.

Dann sprechen doch einmal über die Arten, die wirklich invasiv, also gefährlich sind. Sie sagen, es sind nicht ganz so viele und trotzdem sind sie eine Bedrohung. Welche Pflanze macht denn gerade am meisten Schwierigkeiten hier in Europa?

Ganz aktuell in Mitteleuropa ist das zum Beispiel die Beifuss-Ambrosie. Das ist eine Art, die stark allergen ist und Heuschupfen bis zu Asthma hervorrufen kann. Sie blüht insbesondere im September und bis Ende November hinein. Das heißt, zu Zeiten, wo die einheimischen Arten schon aufgehört haben zu blühen. Sprich: Wer allergisch ist und normalerweise im August Ruhe hätte, hat dann bis in den November hinein Probleme. Und dazu kommt, dass diese Art noch viel allergener wirkt als die meisten einheimischen Arten.

Die Pflanzen werden oft auch unbewusst eingeschleppt. Was können wir und was können die Wissenschaftler dagegen tun?

Bei der Beifuss-Ambrosie ist es im Prinzip fast ein technisches Problem. Sie wird insbesondere als Verunreinigung im Vogelfutter eingeführt. Das heißt, man kann zum Beispiel gereinigtes Vogelfutter kaufen. Es gibt aber Bereiche in Süddeutschland und auch in Brandenburg, wo große Felder schon mit der Beifuss-Ambrosie überwuchert sind. Da muss man immer wieder "Unkraut jähten" und regelmäßig überprüfen, dass die Art sich nicht verbreiten kann. Und das über mehrere Jahre hinweg, damit die Samen nicht mehr auskeimen.

Schauen wir noch einmal ein bisschen in die Zukunft. In unserer globalen Welt werden die Wege, die Reiserouten immer kürzer, immer einfacher. Das Problem mit den eingeschleppten Arten wird ja zunehmen. Wie stark wird das in zwanzig bis dreißig Jahren sein?

Das kann eine richtige Belastung werden. Ungefähr 15 Prozent der Pflanzenarten kommen als Verunreinigungen in Gütern zu uns und weitere 10 Prozent werden als blinde Passagiere mit den Verkehrsströmen eingeschleppt. Je weiter die Verkehrsströme zunehmen, desto größer ist auch die Gefahr, dass Arten, die bisher nicht bei uns waren, zu uns kommen.

Wir sollten auf jeden Fall ein Auge darauf haben.

(Interview: Maria Grunwald)