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Welttag des Radios: Beispiel Kongo

Julia Hahn, Saleh Mwanamilongo13. Februar 2015

Am 13. Februar ist Weltradiotag. Kein Medium erreicht in Afrika mehr Menschen als das Radio. Und dort, wo Krieg und Krisen toben, kann das Radio sogar Leben retten: mit unabhängigen Informationen. Zum Beispiel im Kongo.

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Radio in der DRC, Goma 2008 (Foto: Getty Images)
Bild: Uriel Sinai/Getty Images

Die letzten Takte Musik klingen aus, der Moderator haucht "Bonjour, Kongo" ins Mikrofon - und er kann sich sicher sein, dass er gehört wird. Fast zehn Millionen Menschen leben in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo (DRC) und die meisten lieben das Radio. "Ich höre es oft am Morgen, zum Aufwachen - auch über mein Handy", sagt etwa Tschipo Ilunga aus Kinshasa. "Ich höre gerne den Unterhaltungen zu, ich mag die Gebete, ich mag die Ratgeber-Sendungen", sagt Maitre Kongo. Und im kleinen Laden von Silet Moussasa läuft das Radio rund um die Uhr. "Vor allem Nachrichten, denn man muss ja informiert sein, was so passiert", sagt er.

Über 200 Radiostationen gibt es im Land - das sind mehr als alle TV-Sender und Zeitungen zusammen. "Digital Congo" ist einer von 22 Partnersendern der DW im Kongo, er allein erreicht täglich mehrere Millionen Hörer. "Das Radio ist nach wie vor die Nummer Eins in der Medienlandschaft dieses Landes", sagt Severin Bamany, einer der Chefs des Multimedia-Senders mit Fernsehangeboten und Internetseite. Denn Radios sind leicht, lassen sich überall hin mitnehmen und funktionieren mit Batterie auch dann, wenn mal wieder der Strom ausfällt. In einem Land, in dem die Mehrheit der Menschen nicht lesen und schreiben und sich auch keinen Fernseher leisten kann, ist das Radio nicht nur die Tür zur Welt sondern auch zur eigenen Heimat. Die ist riesig, nahezu unüberschaubar und chronisch instabil.

Afrika Burundi Radio
Selbst in abgelegenen Gebieten ist das Radio die Tür zur Welt: auch für diesen Hörer aus BurundiBild: picture alliance/blickwinkel/Blinkcatcher

Radio für den Frieden

Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer, heißt es in einem Sprichwort. Denn gekämpft wird nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Meinungen. Unabhängige Informationen sind schwer zu bekommen. Im Kongo war das besonders Anfang der 2000er Jahre so. Das Land war politisch zerrissen: Im Westen hatte der damalige Präsident Laurent Désiré Kabila das Sagen, den Norden und Nordosten kontrollierten Rebellen mit Unterstützung aus Uganda und in den Kivu-Regionen im Osten waren von Ruanda finanzierte Milizen auf dem Vormarsch. "Jeder dieser Landesteile hatte seine eigene Radiostation und die haben hauptsächlich Hasstiraden gesendet", erinnert sich Radiotrainer und Berater David Smith. "Statt unabhängiger Berichte verbreiteten die Kriegsparteien Gerüchte darüber, was die gegnerische Seite angeblich gerade machte."

Deshalb baute der Kanadier damals Radio Okapi mit auf, finanziert von den Vereinten Nationen und anderen Gebern. Das Okapi ist eine Giraffenart, die nur in den Regenwäldern des Kongo lebt. Das Ziel des Senders: unabhängige, glaubwürdige Informationen statt Propaganda. Am 25. Februar 2002 ging Radio Okapi zum ersten Mal on air. Überwiegend kongolesische Journalisten berichteten in den fünf Nationalsprachen, aus dem Hauptstadtstudio in Kinshasa und aus den Regionalstudios, darunter Goma, Bukavu, oder Kisangani.

Kongo: Radiostation Radio Okapi (Foto: Ulrike Koltermann, dpa)
Ein Moderator von Radio Okapi in KinshasaBild: picture-alliance/dpa/dpaweb/U. Koltermann

Auf den Erfolg ist David Smith auch heute noch stolz. "Kurz nach dem Sendestart ging der Chef der UN-Mission damals, der Kameruner Amos Namanga Ngongi, zum Weltsicherheitsrat in New York und sagte: 'Radio Okapi hat mit elektronischen Mitteln geholfen, die Kriegsfronten im Kongo zu zerstören'." Noch im selben Jahr schlossen die Kriegsparteien Frieden, eine Übergangsregierung nahm die Arbeit auf, mit dem heutigen Präsidenten Joseph Kabila an der Spitze. Auch wenn der Frieden nicht lange gehalten hat, und weiter gekämpft wird, vor allem im Ostkongo, ist Radio Okapi inzwischen einer der am meisten gehörten Sender im Land. Themen sind Sport, Musik, Kultur und Politik - die großen Regierungsskandale genauso wie die kleinen Geschichten aus der Provinz.

Schlecht bezahlte, verängstigte Journalisten

Doch unabhängig berichten hat seinen Preis. Viele Journalisten - auch von Radio Okapi - haben ihre Einsätze im Kampfgebiet mit dem Leben bezahlt. Sachlichkeit und Objektivität bleiben in Krisenstaaten wie Kongo aber auch deshalb auf der Strecke, weil Journalisten unter Druck gesetzt, bedroht und verfolgt werden. Im aktuellen Ranking der Pressefreiheit, das die Organisation Reporter ohne Grenzen gerade veröffentlicht hat, belegt die DRC nur Platz 150 von 180. "Es gibt immer wieder Versuche uns Journalisten politisch zu vereinnahmen", bestätigt Severin Bamany von 'Digital Congo'. "Es heißt dann: 'Du bist entweder für die Opposition oder für die Regierung'. Und wenn man für keine der beiden Seiten ist, gibt es Probleme. Dabei wollen wir doch genau das: Die Menschen wahrheitsgemäß informieren, so objektiv wie möglich."

Dazu kommt für viele Reporter der finanzielle Druck. Sie müssen Familien durchbringen, doch die meisten Medien-Jobs sind schlecht bezahlt. Weit verbreitet, auch in anderen Teilen des Kontinents, ist deshalb der sogenannte "brown bag" Journalismus. "Die Journalisten nehmen Schmiergelder von Leuten an, die wollen, dass sie eine Geschichte auf eine bestimmte Weise schreiben - oder eben nicht schreiben", sagt Radioexperte Smith. Bei Radio Okapi liegen die Löhne deshalb etwas über dem Durchschnitt. Die Reporter werden zwar nicht reich, aber sie können berichten - ohne die Angst, am nächsten Tag nichts zu Essen zu haben.

Projekt der DW Akademie in Sansibar (Foto: DW)
Auch die DW bildet Radiomacher in Afrika aus, hier in SansibarBild: DW/C. Achaye-Odong

Smith ist heute nicht mehr bei Radio Okapi, er engagiert sich inzwischen für andere Projekte in Afrika, zum Beispiel in Nordnigeria. Dort hilft er einen Sender aufzubauen, der Sicherheitsinformation und Ratschläge verbreiten soll, an die Menschen, die unter dem Terror der Islamisten-Miliz Boko Haram leiden - in Nigeria selbst, aber auch in Niger, Kamerun und Tschad.

Mitarbeit: Saleh Mwanamilongo (Kinshasa