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Bomben im Ferienparadies

10. August 2009

Die Terrororganisation ETA hat in den vergangenen Tagen mehrere Anschläge auf Mallorca verübt. Im Interview dazu: Marc Koch, langjähriger Spanien-Korrespondent der ARD und jetziger Chefredakteur von DW-RADIO/DW-WORLD.DE.

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DW-WORLD.DE: Welche Ziele verfolgt die ETA mit der neuen Anschlagswelle?

Marc Koch: Das ist nicht neu, das macht ETA seit 1979. Das sind die so genannten Sommerkampagnen, wie die Terrororganisation das zynischerweise nennt. Sie versucht mit relativ kleinen Sprengsätzen, bei denen in der Regel nicht beabsichtigt ist, jemanden ums Leben zu bringen, sondern nur kleinen Sachschaden anzurichten, Angst und Unruhe an Urlaubsorten zu verbreiten, die von ausländischen Touristen stark frequentiert werden. Das hat sie von Kantabrien bis in den Süden an die Costa del Sol immer wieder gemacht. Sogar an den Ausfallstraßen von Madrid kommt es gelegentlich vor, dass an Tankstellen und an Papierkörben kleine Rohrbomben festgemacht werden, wenn die Leute sich ins Auto setzen und in die Ferien fahren. Das ist eine ganz gezielte Kampagne, die den spanischen Tourismus treffen und die Urlauber abschrecken soll.

Touristen blicken auf ein rauchendes Gebäude (Foto: AP)
Ein Anschlag ohne Vorwarnung auf Mallorca (30.07.2009)Bild: AP

Dass ETA allerdings auf den Balearen tätig wird, das ja das Mekka der Urlauber ist, ist neu. Dabei handelt es sich offensichtlich um eine doppelte Taktik: Der Anschlag auf die Polizisten, die ums Leben gekommen sind, wurde nicht angekündigt; es war also ein klassischer ETA-Angriff. Diese kleineren Anschläge der vergangenen Tage dagegen wurden angekündigt, so dass die Polizei genug Zeit hatte, diese Orte zu räumen und dafür zu sorgen, dass es keine Opfer gibt.

In den vergangenen Monaten wurden zahlreiche angeblich hochrangige ETA-Kader verhaftet. Die Sicherheitsvorkehrungen auf Mallorca waren immens. Warum kann die ETA denn trotzdem weiterbomben?

ETA hat ein bestimmtes Reservoir an Nachwuchskräften, die von unten durchgereicht werden können, sobald oben welche verhaftet werden. Zum Unterstützerpotential zählen viele junge Leute aus dem Baskenland, die sich sehr schnell radikalisieren lassen und die auch extrem gewaltbereit sind. Sie kommen aus einem Umfeld, das man im Baskenland als Straßenkampf bezeichnet. Sie sind eigentlich dafür zuständig, spanische Bankautomaten in die Luft zu jagen oder Busse abzufackeln. So rekrutieren sie sich langsam für die Terroraufgaben.

Ein Mann wird abgeführt (Foto: AP)
Javier Lopez Pena wurde 2008 verhaftetBild: AP

Das Problem ist, dass in den vergangen Jahren die Verhaftung von prominenten ETA-Mitgliedern, die zum Teil wenigstens noch politisch gedacht haben, immer schneller von statten gegangen ist. Die Leute, die nachgeschoben wurden, verfügen über ein politisches Potential, das gleich null ist. Denen geht es wirklich nur um reine Gewalt, die haben kein politisches Konzept mehr.

Welchen Rückhalt genießt die ETA jetzt im 50. Jahr ihres Bestehens noch bei der spanischen Bevölkerung?

Bei der spanischen Bevölkerung überhaupt keinen Rückhalt. Bei der baskischen Bevölkerung kann man davon ausgehen, dass es einen sehr kleinen Prozentsatz von Unterstützern gibt, die politisch hinter ETA und auch hinter der Gewaltbereitschaft stehen und sagen, nur auf diesem Wege käme ein unabhängiges Baskenland zustande. Das ist eine relativ kleine, aber sehr beharrliche Minderheit, die oft aus sehr ländlichen Gegenden kommt, wo ETA ihre Hochburgen hat. Politisch ist ETA in den Parlamenten nicht mehr richtig vertreten. Sie konnte jetzt zum ersten Mal nicht bei den baskischen Wahlen antreten, weil alle ihre Parteien verboten worden sind, die sozusagen vorgeschoben werden, um das politische Alltagsgeschäft zu rechtfertigen, während sich ETA als Armee versteht. Der Gerichtshof in Straßburg hat das Verbot von Batsasuna gerade bestätigt. Von daher ist keine politische Organisation mehr da.

Die ETA fordert immer noch die Unabhängigkeit des Baskenlandes. Gibt es überhaupt noch eine Chance darauf?

Menschen halten spanische Flaggen hoch (Foto: AP)
In Spanien hat die ETA nicht viele UnterstützerBild: AP

Nein. Es gibt überhaupt keine Chance auf eine Unabhängigkeit des Baskenlandes. Es gibt allerdings noch Parteien, die ganz offen dafür eintreten. Es gibt eine Abspaltung der verbotenen Batasuna, die Aralar, die auch bei den Wahlen antreten darf. Sie ist die einzige der linksradikalen nationalistischen Organisationen ist, die sich klipp und klar von ETA-Gewalt distanziert. Sie sagt, dass Gewalt nicht der Weg zu einem friedlichen und unabhängigen Baskenland sei. Sie sagt, wir müssen das verhandeln und auf dem politischen Weg erreichen und deswegen ist diese Gruppe bei den Wahlen zugelassen. Deren Ziel ist eindeutig, das französische und das spanische Baskenland und die Region Navarra zu einem unabhängigen Baskenland zusammenzuführen. Das werden sie nie und nimmer erreichen, aber die politische Forderung steht nach wie vor im Raum.

Das Interview führte Silke Wünsch.
Redaktion: Julia Kuckelkorn