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Wirklich erste Liga?

Richard A. Fuchs13. Mai 2007

G8 steht für die acht führenden Wirtschaftsnationen der Welt. Ob heutzutage in diesem Klub aber noch die richtigen Mitglieder sitzen, ist weltweit umstritten. Überzeugende Reformvorschläge gibt es allerdings nur wenige.

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Gruppenfoto während des G8-Gipfels in St. Petersburg, Quelle: AP
Gruppenfoto der G8Bild: AP

Wenn Jim O’Neill an die heutige Gruppe der Acht denkt, dann bekommt er schlechte Laune. "Ich habe keine Ahnung, warum ein Land wie Italien in diesem Klub noch mitspielen darf", sagt O’Neill, Chef-Volkswirt der Investmentbank Goldman Sachs. Er ist Autor einer viel beachteten Studie über die Wirtschaftsmächte im Jahr 2050. Dort tauchen Länder wie Brasilien, Russland, Indien und China auf – aber nicht Italien. "Italien ist doch schon lange ein stetig schrumpfender Teil der Weltwirtschaft, beteiligt sich aber trotzdem auf G8-Gipfeln an all den großen Verlautbarungen, wie die Welt heute zu funktionieren hat." Auch an den anderen sieben bislang führenden Industrienationen Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, USA, Kanada und Russland lässt O’Neill kein gutes Haar.

Keine bindenden Beschlüsse

Hier werden die Gewinne der Zukunft gemacht - Schanghai, Quelle: DPA
Hier werden die Gewinne der Zukunft gemacht - SchanghaiBild: picture alliance / dpa

Wie O'Neill halten heute viele die G8 für bedeutungslos, für einen Klub der hohle Phrasen drischt. Einige Wissenschaftler würden die meist informellen Treffen der Staats- und Regierungschefs am liebsten gleich abschaffen. Sie stören sich an der Unverbindlichkeit des Klubs, der weder ein festes Budget kennt, noch ein Gründungsdokument. Ihre Begründung für eine Radikalkur: Es werde viel geredet über die Entschuldung armer Länder, den internationalen Terrorismus oder auch die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen. Tatsächlich verbessert habe sich durch die vielen Abschluss-Erklärungen aber noch nichts. Das liegt vor allem daran, dass die G8 keine feste Regeln kennt, um gemachte Versprechungen auch später einzufordern.

Klimaschutz ohne Brasilien, Indien und China?

Gruppenfoto G8 mit Schwellenländern, Quelle: AP
Beim G8-Umweltminister-Treffen im März 2007 durften die Schwellen-Länder mit aufs FamilienfotoBild: AP

"Am Schlimmsten ist aber tatsächlich, dass die falschen Teilnehmer am Tisch sitzen", sagt O’Neill forsch. Die heutige G8, das ist für ihn die Welt vor 62 Jahren. "Die Welt heute noch nach dem Nachkriegs-Schema regieren zu wollen, das ist schon eine ziemlich einfältige Idee." Bei dem Gedanken, wer dagegen die richtigen Teilnehmer einer reformierten G8 sein könnten, gerät der Investmentbanker ins Schwärmen. BRICS-Länder hat O’Neill sie in seiner Studie getauft, und er meint damit die Wachstumsmärkte der Zukunft – Brasilien, Russland, Indien und China. 2050 könnten diese Nationen zu den vier dominierenden Wirtschaftsmächten der Welt werden, mit einem Großteil der Welt-Industrieproduktion. China, dann eine 20-Mal größere Wirtschaftsmacht als heute, hätte sogar die USA überholt. Und die BRICS-Länder könnten 2050 sogar mehr wirtschaftliches Gewicht aufbringen als die restlichen G7-Staaten von heute.

Erste Liga mit Auf- und Absteigern

Multinationale Konzerne aus Indien - Stahl-Magnat Ratan Tata, Quelle: AP
Multinationale Konzerne aus Indien - Stahl-Magnat Ratan TataBild: AP

Lange reagierte der G8-Klub überhaupt nicht auf diese dramatischen Gewichtsverlagerungen in der Weltwirtschaft. Erst auf dem G8-Gipfel von Gleneagles 2005 wurden unter dem Slogan "G8 plus 5" China, Indien, Brasilien, Südafrika und Mexiko offiziell dazu gebeten. Das hält Peter Hajnal, Wissenschaftler der G8-Forschungsgruppe der Universität Toronto auch für eine gute Reaktion. Die Alternative wäre gewesen, nach dem Vorbild der G20-Finanzminister Treffen eine Gruppe der 20 führenden Staatsoberhäupter aufzubauen. Das könne es aber noch schwieriger machen, zu echten Ergebnissen zu kommen, und werde momentan auch von niemandem ernsthaft verfolgt, sagt Hajnal.

Auch Investmentbanker O'Neill will den Klub der Acht nicht aufblasen. Er möchte Regeln einführen, damit die Wachstumsmärkte von heute nicht mehr am Nebentisch von G8-Gipfeln wie kleine Schuljungen sitzen müssen. "Wir sollten vom Fußball lernen und eine feste Liga installieren, in der nur die aktuellen Weltwirtschaftsmächte spielen dürfen. In diese Liga könnte man auf- und absteigen". Auch an einen Schiedsrichter hat O’Neill gedacht: Der Internationale Währungsfonds IWF, eine Sondereinrichtung der Vereinten Nationen, könnte anhand der aktuellen Wirtschaftsdaten acht oder mehr Erstligisten bestimmen.

G8 ist nur zum Anschieben da

Für G8-Forscher Hajnal ist eine Liga der Weltwirtschaftsmächte im Moment aber keine Option. Der Kanadier, der selbst schon an zehn G8-Gipfeln als Beobachter teilgenommen hat, bezweifelt, dass einige BRICS-Länder wirklich feste Mitglieder werden wollen. "China hat wiederholt unterstrichen, dass es im Moment gar nicht in den Klub der acht führenden Industrienationen aufsteigen möchte", sagt Hajnal. "Die Chinesen profitieren wirtschaftlich eher davon, dass sie noch eine Weile lang als Schwellenland gelten." Wenn sie beitreten wollten, dann könne der viel gescholtene informelle Charakter des G8-Klubs auch hilfreich sein. "Da steckt eine Menge Flexibilität drin, um schnell neue Mitglieder aufzunehmen." Hajnal stimmt Investmentbanker O’Neill aber zu, dass der Klub der Weltwirtschaftsmächte viel vom Fußball lernen kann. "Die G8 ist dazu da, den Ball ins Rollen zu bringen."