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Die deutsche Berghoffnung

Joscha Weber15. Juli 2015

Der junge Deutsche Meister Emanuel Buchmann fährt sich bei der Tour de France ins Rampenlicht. Als einziger Neu-Profi der Tour de France beeindruckt er in den Bergen und weckt Hoffnungen für die Zukunft.

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Emanuel Buchmann, Tour de France 2015 (Foto: Francis Nicolas.)
Bild: picture-alliance/dpa/F. Nicolas/Maxppp

Elegant kurbeln die langen Beine, sein Tritt wirkt flüssig, obwohl die Straße gerade mit rund zehn Prozent ansteigt. Als das Kameramotorrad ihn während des Anstiegs hinauf zum legendären Col du Tourmalet begleitet, macht Emanuel Buchmann einen guten Eindruck. "Ich bin einfach nur meinen Rhythmus hochgefahren, es ging richtig gut - geil", wird Buchmann später im Ziel in die Mikrofone sagen und dabei sogar – für ihn untypisch – den Anflug von Emotionalität zeigen.

Eigentlich eher schüchtern und bisweilen ein wenig scheu wirkend, ist die Stärke des 22-jährigen Tour-Neulings vielmehr sein ruhiger, gleichmäßiger Tritt auf dem Rad. Auf dieser schweren 11. Etappe von Pau nach Cauterets mitten durch die Pyrenäen blitzt es auf, sein großes Talent am Berg. In der Ausreißergruppe des Tages fährt Buchmann locker mit, hängt im Finale große Namen wie den ehemaligen Tour-Vierten Thomas Voeckler ab und finisht nach 188 Kilometern sensationell auf Rang drei. Nur 1:23 Minuten fehlen ihm am Ende zum Etappensieg, den der starke Pole Rafael Majka holt. "Ich bin einfach nur kaputt, es war ein super harter Tag. Aber der dritte Platz ist ein richtig tolles Ergebnis für mich", meint Buchmann am Ende eines anstrengenden Arbeitstages.

Loyal, lernwillig, leistungsstark

Buchmann übertraf damit seine gute Leistung des Vortags, als er bereits stärker als sein Kapitän Dominik Nerz fuhr. Im Schlussanstieg hinauf nach La Pierre-Saint-Martin leistete er wichtige Helferdienste für Nerz, den auf dem Papier stärksten Fahrer des deutschen Bora-Rennstalls. Doch Nerz klagte über Übelkeit und Magenprobleme, die ihn auf der 11. Etappe schließlich zur Aufgabe zwangen, und lobte seinen jungen Teamkollegen. "Chapeau, wie er sich hier schlägt. Gebt ihm mal noch ein, zwei Jahre Zeit", glaubt Nerz an das Potential des einzigen Neu-Profis im Peloton der Tour. Buchmann selbst gibt später erfrischend offen zu: "Ich hätte etwas schneller fahren können."

Buchmann (l.) beeindruckt auf der 11. Etappe (Foto: dpa)
Gemeinsam mit den großen Namen auf der Flucht: Buchmann (l.) beeindruckt auf der 11. Etappe.Bild: picture-alliance/dpa/K. Ludbrook

Loyal, lernwillig und vor allem sehr talentiert - Emanuel Buchmann ist so etwas wie das Musterbeispiel eines Jungprofis. Sein Aufstieg ist ebenso steil wie verheißungsvoll: Im Vorjahr fuhr er noch ausschließlich kleine Rennen für das Nachwuchsteam des Bundes Deutscher Radfahrer Rad-net Rose, im Januar dann der Einstieg beim Bora-Team, für das er im Juni sensationell den Deutschen Meistertitel gewann. Gegen namhafte Konkurrenten wie John Degenkolb und André Greipel setzte sich der Neuprofi auf dem anspruchsvollen Kurs in Bensheim als Solist durch - zusammen mit einem starken Auftritt beim Dauphiné Libéré bedeutete das sein Ticket zur Tour de France.

"Wahnsinn, was hier los ist"

Dort angekommen, staunte er nicht schlecht: "Es ist viel mehr los hier, ganz anders als bei den anderen Rennen. Es ist viel mehr Presse da, die Aufmerksamkeit ist toll. Mir gefällt es hier sehr gut und ist ein tolles Gefühl dabei zu sein", schwärmte Buchmann im DW-Gespräch zum Auftakt der Tour. Mit großen Augen beobachtete Buchmann die Menschenmassen am Startort in Utrecht und war auch einige Tage später im belgischen Huy noch völlig begeistert von der Tour-Atmosphäre: "Es ist schon Wahnsinn, was hier los ist. Man sieht hier nur Menschen und wird die ganze Zeit angefeuert. Das motiviert mich nochmal zusätzlich", sagte Buchmann der DW, gab aber auch zu: "Manchmal ist es hier schon sehr stressig." Buchmann spricht leise, bevorzugt sehr kurze Sätze, blickt öfters verlegen zu Boden. Interviews sind für ihn noch eine ungewohnte Disziplin. Auch sonst gibt er sich weniger kommunikativ, einen Twitter-Account hat Buchmann im Gegensatz zu vielen Radprofis nicht.

Emanuel Buchmann (M.) gewinnt die Deutsche Meisterschaft 2015 vor Nikias Arndt (l.) und Marcus Burghardt (r.). (Foto: Arne Dedert/dpa)
Emanuel Buchmann (M.) gewinnt die Deutsche Meisterschaft 2015 vor Nikias Arndt (l.) und Marcus Burghardt (r.).Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Mit dem Trubel an der Strecke, den Medienanfragen gleich nach der Etappenankunft und nicht zuletzt der sportlichen Beanspruchung umzugehen - all das sind neue Herausforderungen für den jungen Mann aus Ravensburg am Bodensee, dem es schon "manchmal etwas stressig" bei der Tour wird. "Ich bin schon eher der ruhigere Typ", sagt er über sich und man glaubt es ihm sofort. Auch Rennfahrerkollegen erzählen, dass Buchmann kaum mehr als fünf Worte am Stück sagt.

Denk: Buchmann hat das Zeug zur Top Ten

Das muss er aber auch gar nicht, meint sein Teamchef Ralph Denk. "Er geht ganz unbedacht an das Ganze heran, das ist sein Vorteil. Er ist nicht der Leadertyp, aber er ist ja hier zum Lernen. Das kann alles noch kommen", sagte der Boss des Bora-Rennstalls im DW-Gespräch. Denk, der mit seinem Team in den vergangenen Jahren auch gezielt junge deutsche Fahrer aufbaute, traut seinem Youngster einiges zu: "Er kann auch bei einer großen Landesrundfahrt unter die ersten Zehn fahren."

Das wäre in der Tat ein völlig neues Level für den deutschen Radsport, der seit vielen Jahren einen (sauberen) Anwärter auf das Gesamtklassement bei Tour, Giro oder Vuelta sucht. Denn während im Sprint, Zeitfahren und bei den Klassikern André Greipel, Marcel Kittel, Tony Martin oder John Degenkolb die Weltspitze bilden, fehlt ein deutscher Fahrer für den Traum vom Gelben Trikot in Paris. Und das hat auch strukturelle Gründe: Dem hiesigen Radsport mangelt es in den bergigen Regionen des deutschen Südens an einem Leistungsstützpunkt und Denk ergänzt, dass es ebenso an anspruchsvollen Nachwuchsrennen fehle und deshalb "viele Bergtalente in Deutschland gar nicht entdeckt werden".

Emanuel - kurz "Emu" genannt - Buchmann ist ein solches Talent. Gerade mal 62 Kilogramm Körpergewicht verteilen sich auf 1,81 Meter - ideale Hebel für einen Kletterer. Allerdings ist er eher ein Zufallstreffer für den deutschen Radsport. Gegen Ende der Jan-Ullrich-Ära entdecke er das Rennrad für sich, begann aber erst mit 19 Jahren "richtig zu trainieren", wie er selbst sagt, und das alles aus Eigeninitiative. Wie schnell es dann bis ins Rampenlicht der Tour ging, kann er scheinbar selbst nicht glauben. "Das ist ein absoluter Traum, hier in Frankreich im Deutschen Meistertrikot dabei zu sein", sagte er mit einem zaghaften Lächeln und ließ dann doch noch etwas Selbstbewusstsein durchschimmern: "Ich will auf jeden Fall nach Paris kommen." Ein durchaus realistisches Ziel. Seine Ziele für die kommenden Jahre dürften dagegen deutlich ambitionierter sein.

Emanuel Buchmann (Foto: Francis Nicolas.)
Auf Lern-Tour durch Frankreich: Buchmann soll Erfahrung sammeln, überrascht aber mit seiner Leistung.Bild: picture-alliance/dpa/francis Nicolas/Maxppp