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Weltnebenregierung Bilderberg-Konferenz?

Volker Wagener9. Juni 2016

Wenn die Bilderberger tagen, dann haben Verschwörungstheoretiker Hochkonjunktur. Schauplatz der Wichtigen aus Politik und Wirtschaft ist diesmal Dresden. Eine Einführung in ein Mysterium.

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Deutschland Hotel Kempinski im Taschenbergpalais in Dresden (Foto: +++ (C) Imago/momentphoto/Killig)
Diesmal im Hotel Kempinski im Dresdner Taschenberg-Palais: Die Bilderberg-Konferenz 2016Bild: Imago/momentphoto/Killig

Was hatte Jürgen Trittin 2012 im amerikanischen Chantilly zu suchen, wollten seine grünen Parteifreunde damals von ihm wissen? Schon in der Frage schwang massiver Unmut mit, denn die Antwort war bekannt: Der Spitzen-Grüne war Teilnehmer der Bilderberg-Konferenz. Ein Affront gegenüber der Partei. Ein Linker bei einer geheimen Kungelrunde der Mächtigen und Reichen, eine Provokation. Trittin erlebte einen klassischen Erklärungsnotstand und löste das Problem mit dem Hinweis, grüne Überzeugungen müssten gerade da vertreten werden, wo sie noch nicht mehrheitsfähig seien. Das ging gerade noch so durch an der Basis.

Rechtfertigungen dieser Art braucht Wolfgang Schäuble nicht. Der mächtige Finanzminister ist dieses Jahr ebenso auf der exklusiven Einladungsliste wie die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Innenressortchef Thomas de Maizière. Alle drei sollen ihr Kommen für die viertägige Veranstaltung mit 150 einflussreichen Personen aus Politik, Wirtschaft und Finanzwelt hinter verschlossenen Türen (vom 9. bis 12. Juni) schon zugesagt haben. Die geheimnisumwobene Bilderberg-Runde tagt jedes Jahr an einem anderen Ort, in einem anderen Land. Diesmal im Taschenberg-Hotel mitten in Dresden. Für Schlagzeilen ist gesorgt. Fast zwei Dutzend Demonstrationen gegen die Bilderberger sind inzwischen angemeldet. Angela Merkel, die Kanzlerin, ihr Außenminister Frank-Walter Steinmeier, sowie SPD-Parteichef Siegmar Gabriel wollen nicht kommen - trotz Einladung.

Geheimnisumwittert, elitär, verschwiegen

Bilderberg-Teilnehmer unterliegen besonderen Teilnahmeregeln. Die wichtigste nennt sich "Chatham House Rule" (Regel gilt seit 1927, damals erstmals aufgestellt vom Royal Institute of International Affairs) und verpflichtet jedes Konferenz-Mitglied zu absoluter Verschwiegenheit über Gesprächsinhalte und Aussagen von Referenten. Der Stammtisch der Mächtigen steht deshalb auch Jahr für Jahr in der Kritik ob seiner Intransparenz. Veranstalter und Teilnehmer halten entgegen, dies seien seltene Gelegenheiten, unter globalen Entscheidern offen zu reden. Denn die Medien sind, obwohl immer wieder Journalisten als Teilnehmer geladen werden, zur Berichterstattung nicht zugelassen. Man ist unter sich.

Österreich Bilderberg-Konferenz 2015 (Photo by Sean Gallup/Getty Images)
Bilderberg-Konferenzen - wie im österreichischen Tirol 2015 - sind stets Hochsicherheits-VeranstaltungenBild: Getty Images/S. Gallup

Das, was man über Bilderberg-Zusammenkünfte weiß, ist unspektakulär. Hier wird erklärt und gestritten und das im 90-Minuten-Takt. Vor drei Jahren im "The Grove", einer Luxusherberge nördlich von London, gab es nach Auskunft eines Teilnehmers zwischendurch "nichts Dolles". Typische Büfett-Verköstigung, und den Wein dazu musste jeder selbst zahlen.

Bilderberg – Der Liebling der Verschwörungstheoretiker

Zwischen Riesling und Roastbeef geht es im Regelfall um nichts weniger als die Rettung der Welt, mindestens aber um Lösungen globaler Probleme. Laut den Memoiren des ehemaligen US-Botschafters in Deutschland, George McGhee, soll die Bilderberg-Runde maßgeblich am Zustandekommen der Römischen Verträge, einer Vor-Vorstufe der heutigen Europäischen Union beteiligt gewesen sein. Und Etienne Davignon, belgischer Unternehmer und Bilderberg-Ehrenvorsitzender, will sogar die Geburt des Euro in diesem Zirkel miterlebt haben. Und immer wieder tauchen wie aus dem Nichts Fragen auf. Wer steckte hinter der Ölkrise 1973, wie kam die deutsche Einheit zustande? Wenn es um die Bilderberger geht, haben Verschwörungstheoretiker Hochkonjunktur.

Seit es die Konferenzen der Wichtigen gibt, beteiligen sich auch die Kritiker lebhaft an Interpretationsversuchen darüber, was denn der innere Kern dieser Veranstaltung sei. Der Mediensoziologe Rudolf Stumberger hält den noblen Kreis in der Tendenz für einen Versuch der Re-Feudalisierung. Und der niederländische Politologe Kees van der Pijl bescheinigt den dort vertretenen Interessen, wenig mit Demokratie zu tun zu haben. Bilderberg-Treffen seien, so ist seit Jahren zu hören, eine "absolut vordemokratische Veranstaltung". Die Anziehungskraft des Geheimzirkels Bilderberg scheint jedenfalls im siebten Jahrzehnt seiner Existenz ungebrochen. "Mit einigen der einflussreichsten Leute der Welt zu fraternisieren", schrieb 2011 der britische Schauspieler Ian Richardson, "wirkt wie ein psychologisches Aphrodisiakum".

Wie alles anfing

Das muss schon 1954 beim ersten Treffen dieser Art so gewesen sein. Ort der Premiere und fortan Namensgeber war das "Hotel de Bilderberg" im niederländischen Oosterbeek. Die ersten 20 Jahre führte Prinz Bernhard die Amtsgeschäfte der Edel-Konferenz, bis er wegen seiner Verstrickung in einen Bestechungsskandal um den Rüstungskonzern Lockheed den Rückzug antreten musste. Ein Parade-Argument und Beleg der Kritiker, die die Bilderberger stets unter Generalverdacht stellten. Wegen der unterstellten Verflechtung zwischen Politik und Wirtschaft.