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Schneller Prozess

2. August 2008

Radovan Karadzic soll vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal der Prozess gemacht werden. Andreas Paulus vom Institut für Internationales Recht in Göttingen setzt auf die Erfahrung des ICTY und auf ein schnelles Verfahren.

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Karadzic vor dem UN-Tribunal (31.07.2008)Bild: AP

DW: Mit welchen Anklagepunkten hat Karadzic zu rechnen?

Andreas Paulus: Er muss rechnen mit einer Anklage sowohl wegen des Vorwurfs des Völkermords in Srebrenica als auch wegen der Angriffe auf Sarajewo und einiger anderer Kriegsverbrechen während des bosnischen Bürgerkriegs.

Wird es wie beim Prozess gegen Slobodan Milosevic zu einem monatelangen Hin und Her kommen - oder geht es dieses Mal wirklich nur um die wesentlichen Anklagepunkte?

Ich denke, dass die Anklage aus ihren Fehlern im Milosevic-Prozess gelernt hat. Es wird sicherlich schon ein monatelanges Verfahren geben. Es muss ja ein faires Verfahren sein, in dem auch Karadzic die Möglichkeit hat, seine Sicht der Dinge zu präsentieren. Aber ich glaube nicht, dass es die Anklage und das Gericht zulassen werden, dass das Tribunal zu einem politischen Forum wird.

Am Dienstag (29.7.) sind serbische Soldaten wegen der Beteiligung am Massaker von Srebrenica im Juli 1995 zu 38 bzw. 42 Jahren Haft verurteilt worden. Kann das Urteil für Karadzic wesentlich anders ausfallen?

Wenn es beweisbar ist, dass er selber in den Völkermord von Srebrenica verstrickt war, dann kann das Urteil eigentlich nur auf lebenslang lauten.

Mit welcher Dauer des Tribunals rechnen Sie?

Das Tribunal sollte nach der so genannten Erfüllungsstrategie bis zum Jahre 2010 fertig sein. Es kann gut sein, dass das Karadzic-Verfahren das Ganze etwas verlängert. Ich glaube aber nicht, dass es sich um mehr als zwei Jahre oder so handeln wird. Natürlich sind Prognosen bei Strafprozessen sehr schwierig.

Trauen Sie dem Tribunal insgesamt von den Möglichkeiten, die es hat, eine zügige Abwicklung dieses Prozesses zu oder gibt es Möglichkeiten der Verteidigung, einfach Sand ins Getriebe zu werfen?

Die Verteidigung hat immer die Möglichkeit, das Verfahren zu verlängern. Aber ich glaube, dass das Tribunal aus seinen Erfahrungen gelernt hat und diesmal ein zügiges Verfahren abwickeln wird, das sich nicht über mehrere Jahre hinzieht.

Betrachten wir die Rolle des Tribunals insgesamt. Welche Rolle kann es spielen bei der Aufklärung und Bestrafung von derartigen Verbrechen in der Welt?

Zunächst ist es ein strafrechtliches Tribunal, dass individuelle Schuld, individuelle Verantwortung für Verbrechen gegen das Völkerrecht aburteilt. Darüber hinaus kann es eine Rolle spielen bei der historischen Aufarbeitung, aber nur im Rahmen seiner strafrechtlichen Funktion. Insofern stellt es durchaus ein Problem dar, dass zuviel vom Tribunal erwartet wird, Dinge, die eigentlich am Ende nur sorgfältige historische Forschung werden erfüllen können.

Das Interview führte Matthias von Hellfeld