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Die Anden-Angst der Agrarlobby

Johannes Beck/ (jf)21. Mai 2002

Die EU ist das Leitbild für den Wirtschaftsverbund Mercosur und die Andengemeinschaft. Doch Europa stellt sich nur zögerlich der Partnerschaft mit Lateinamerika.

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Informationsstand der Europäischen Union anlässlich des Gipfels in MadridBild: Johannes Beck/DW

Dass die EU den beiden größten Regionalblöcken Lateinamerikas als Inspirationsquelle diente, ist kein Wunder. Zum einen verbinden beide Kontinente tiefe kulturelle Wurzeln seit der Kolonisation durch Spanien und Portugal im 16. Jahrhundert. Zum anderen haben die Europäer den Lateinamerikaner mehrere Jahrzehnte Integrationserfahrung voraus. Daher konnten die Lateinamerikaner auf das EU-Wissen zurück greifen, um gemeinsame politische Institutionen aufzubauen oder Zollnormen zu vereinheitlichen.

Begeisterung über Zusammenschluss

Die Europäer unterstützen die südamerikanischen Ländern sogar finanziell beim Aufbau des 1991 gegründeten Mercosur. Zahlreiche EU-Beamte waren geradezu begeistert, dass sich mit Argentinien und Brasilien zwei der größten Volkswirtschaften Südamerikas zu einem ähnlichen Wirtschaftsblock wie die EU zusammengeschlossen hatten.

Das versprach den Europäern im ansonsten eher von den USA dominierten Lateinamerika zusätzlichen politischen Einfluss, vereinfachte die bilateralen Kontakte und bewies nicht zuletzt, dass sich die Idee der Europäischen Einigung auch auf andere Erdteile exportieren ließ.

Aufbauhilfe Süd

Im Mai 1992 unterzeichneten die Europäische Kommission und der Rat des Mercosur ein Abkommen zur Institutionellen Zusammenarbeit mit dem die Kooperation zwischen EU und Mercosur offiziell wurde. In den folgenden Jahren reisten europäische Zoll-Experten nach São Paulo, Montevideo, Asunción oder Buenos Aires, und halfen ihren Mercosur-Kollegen beim Aufbau einer gemeinsamen Zoll-Nomenklatur. Die etwa 20 Millionen Euro, die von der EU überwiesen wurde, flossen unter anderem auch in den Aufbau des Mercosur-Sekretariates in Montevideo.

Doch dabei sollte es nicht bleiben. Die Europäer und ihre südamerikanischen Partner hatten große Pläne. Eine gemeinsame, interregionale Freihandelszone sollte her. Es wäre die weltweit erste zwischen zwei regionalen Wirtschaftsblöcken. Um die Verhandlungen dafür vorzubereiten, unterzeichneten EU und Mercosur 1995 in Madrid ein Rahmenabkommen. Die eigentlichen Verhandlungen begannen aber erst nach dem ersten EU-Lateinamerika-Gipfel 1999. Als Knackpunkt erwies sich die Agrarpolitik.

Agrarlobby bremst

Bis heute hat die mächtige Agrarlobby einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen verhindern können. Mit etwa der Hälfte des EU-Haushalts hoch subventioniert, sitzt den europäischen Landwirten die Angst vor den an den freien Markt gewöhnten südamerikanischen Farmern im Nacken. Vor allem die europäischen Rinderzüchter fürchten, dass sie in Zukunft ihr qualitativ minderwertiges Rindfleisch nicht mehr verkaufen könnten. Die europäischen Verbraucher würden das Fleisch der auf der grünen Pampa Argentiniens und Uruguays aufgewachsenen Rinder vorziehen. Zumal diese garantiert frei vom Rinderwahnsinn BSE sind.

Überall dort, wo diese Interessen der europäischen Landwirte in Gefahr sein könnten, spricht die EU von so genannten "sensiblen Produkte". Diese könnten nicht so schnell dem freien Handel überlassen werden und bedürften zusätzlichem Schutz vor dem Weltmarkt.

USA sitzt den Europäern im Nacken

Eigentlich sollten die Europäer Interesse an einer schnellen Einigung haben. Sonst verlieren sie gegenüber den USA an Boden in Lateinamerika. Als warnendes Beispiel könnte Mexiko dienen: Nachdem die USA 1994 mit Mexiko und Kanada die Nordamerikanische Freihandelszone NAFTA gegründet hatten, stieg der Anteil der USA am Handel Mexikos schnell auf über 80 Prozent. Der Anteil der EU sank dagegen von 11 Prozent im Jahr 1990 auf nur noch 6 Prozent im Jahr 1999. Als Antwort darauf verhandelte die EU innerhalb kürzester Zeit ein Freihandelsabkommen mit Mexiko, das bereits im Juli 2000 in Kraft trat. Mit Erfolg: Seitdem wuchsen die Exporte der EU um 30 Prozent und die Importe aus Mexiko nahmen um 50 Prozent zu.

Die EU wäre aber schlecht beraten, wenn sie darauf hofft, dass die USA ihre für 2005 geplante gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA nicht zustande bekommen. Denn bisher ist Europa noch der größte Handelspartner des Mercosur. In allen anderen Region stehen die USA dagegen an erster Stelle.