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Musik

Popband hilft beim Deutschunterricht

9. August 2021

Die deutsche Sprache zu lernen, ist nicht ganz einfach. Im Auftrag von DW und Goethe-Institut schreibt die Band "ok.danke.tschüss" Songs für Deutschlerner.

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Eva Sauter, Lucas Firmbach und Manuel Praxmare  (v.l.n.r.) sitzen auf einem Sofa
Pause muss sein: ok.danke.tschüss nimmt sich während der Studioarbeiten eine AuszeitBild: Willie Schumann

Im Frühjahr 2021 gewann das Synthiepop-Trio ok.danke.tschüss einen von DW und Goethe-Institut initiierten Bandcontest. Der Auftrag, den die Band aus Mannheim bekommen hat, dreht sich naturgemäß um die deutsche Sprache: Das Trio sollte Songs speziell für junge Deutschlernende schreiben und die dazugehörigen Videos produzieren. Denn "Musik ermöglicht einen kreativen und spielerischen Zugang zur Sprache", so das Credo von Kristina Diewald-Orth, Projektleiterin bei den Bildungsprogrammen der DW-Akademie. So manche Grammatikhürde wirkt nämlich nicht mehr ganz so bedrohlich, wenn sie musikalisch verpackt daher kommt.

Eine Herausforderung für Eva Sauter, Lucas Firmbach und Manuel Praxmarer, die zwar seit 2018 zusammen musizieren, aber sich über Bedürfnisse der Deutschlern-Community bis dato keine großen Gedanken gemacht hatten. Außer vielleicht Manuel, der gebürtiger Österreicher ist und mit Tiroler Gelassenheit konstatiert: "Ich lerne seit 30 Jahren ‚Deutsch‘ und kann es immer noch nicht fehlerfrei."

Was Liebe und Bausparverträge gemeinsam haben

Für das einwöchige Songwriting-Projekt traf man sich auf einem Hausboot auf der Elbe. Kristina Diewald-Orth hatte der Band ein paar Vorgaben an die Hand gegeben, welche Themen für das Deutschlern-Klientel interessant sind: von "A" wie Ausbildung über "D" wie Deutsche Geschichte, über "P" wie Prüfung und Probleme beim Sprachenlernen bis hin zu "V" wie Vorstellungsrunde. "Also, es war schon eine Umgewöhnung, so eine Aufgabe beim Songwriting zu haben und bestimmte Wörter einbauen zu müssen", sagt Sängerin Eva Sauter. "Aber ich finde, daraus sind ganz tolle Sachen entstanden. Jetzt haben wir zum Beispiel einen Song über Banken, der dann davon handelt, dass jemand versucht, seine Liebe zu sparen. Da sind dann solche Wörter wie Bausparvertrag und Zinsen, Zinseszins und so was drin."

Sängerin Eva Sauter steht im Studio
Eva Sauter hat sichtlich Spaß bei den ProbenBild: Willie Schumann

Wenn es mal hakte, kein Problem: Denn den drei Musikern stand auch eine DaF (Deutsch als Fremdsprache)-Expertin mit Rat und Tat zur Seite - und nicht zuletzt Songwriting-Coach Nicholas Müller: Der Mann ist kein Unbekannter, schließlich ist er Frontsänger der angesagten Band Jupiter Jones.

Der Coach ist begeistert 

Bei so viel geballter Kreativität konnte ja eigentlich nichts schief gehen. "Am Anfang hatte ich so ein bisschen Bammel, dass jetzt von uns erwartet wird, dass wir hier sofort das komplette ganze Album fertig schreiben", gesteht Eva Sauter. Doch der Coach nahm ihr die Sorge: "Einfach mal loslegen und gucken, wie viel wir hinkriegen", so die Ansage. 

"Und dann hat sich das "viel hinkriegen" fast von selbst ergeben, was echt cool war", erzählt Eva weiter. Rückblickend sei alles sehr harmonisch gewesen im Hausboot-Studio. „Es ist ja so ein kreatives Nest", lacht sie. "Man fühlt sich so ein bisschen wie ein Küken in einem warmen Nest und will gar nicht mehr raus."

Kein Wunder, dass Coach Müller da väterliche Gefühle entwickelte, obwohl er gar nicht so viel älter ist als die Mitglieder von ok.danke.tschüss. Er ist begeistert von dem musikalischen Nachwuchs: "Die machen alles, was eine gute Band machen muss", schwärmt er gegenüber der DW. "Wenn ich ein Bild wählen müsste, würde ich sagen, sie funktionieren wie eine perfekt geölte Maschine. So ist es aber nicht. Eigentlich funktionieren sie wie ein wie ein sehr gesundes Organ." Die Songs seien in einer unfassbaren kurzen Zeit entstanden - und trotzdem alle "fantastisch, ohne dabei irgendwie an der Qualität zu rütteln. Und ich bin ein ganz, ganz großer Fan, spätestens seit dieser Woche."

ok.danke.tschüss auf der Bühne
Vor-Corona-Zeiten: Die Band sorgt live für richtig Stimmung Bild: Ruben Bischler

Studio auf dem Hausboot 

Bis zur gemeinsamen Produktionswoche kannten sich Coach, Band und das Welle-Team - wie in Corona-Zeiten üblich - nur per Videoscreen. "Es war großartig, die Band persönlich zu treffen, nachdem wir fast ein halbes Jahr lang nur über Videomeetings zusammengearbeitet haben", so DW-Projektleiterin Kristina Diewald-Orth. "Und endlich die Songs live zu hören - das war das Allerschönste!

Für eine gute Stimmung sorgte wohl auch das Setting mit perfekt ausgerüstetem Studio auf dem Hausboot – ein Ort, der sich für alle Beteiligten eher nach Urlaub als nach Arbeit anfühlte. Wobei der ein oder andere auch schon mal mit Symptomen leichter Seekrankheit zu kämpfen hatte. Den Songs hat das nicht geschadet. "Eva ist eine gottbegnadete Texterin", gerät Nicholas Müller erneut ins Schwärmen. "Da ist Spielfreude und Spielwitz. Das sind alles so Fußball-Trainer-Ausdrücke, die alles und nichts sagen. Aber hier stimmt es einfach tatsächlich." Man spüre, dass die Band mit voller Überzeugung hinter ihrer Musik stehe", sagt er. "Das hat nichts damit zu tun, dass das erfolgreich sein muss, sondern weil die Bock auf Pop haben."

Hausboot liegt am Kai in der Abenddämmerung
Das Hausboot in Hamburg war eine Woche das Domizil der BandBild: Willie Schumann

Lieblingswort: "Eierschalensollbruchstellenverursacher"

Besser gesagt: auf "Einhorn-Rock", denn so betitelt die Band selbst ihren unkonventionellen Stil. Wie steht es so schön auf der Homepage: "Sie zeigen mit einem freundlichen Lächeln und erhobenem Mittelfinger auf alles, was in der Welt schief läuft. Die deutschen Texte sind mit einer gewaltigen Portion Wortwitz gepfeffert und behandeln in der Tiefe ernste Themen." Der ungewöhnliche Name der Band wurde übrigens maßgeblich von ihrem ehemaligen Gitarristen Tim geprägt: Wenn er sich beim Üben verspielte, rief er immer wieder entnervt: "Ok, danke, tschüss."

Noch sind die neuen Songs geheim; man darf aber gespannt sein, ob Sängerin Eva ihr Lieblingswort  "Eierschalensollbruchstellenverursacher" in einen Text eingebaut hat. Und sie ist nicht die einzige, die lange Wörter mag: "Die deutsche Sprache ist wie ein Baukastenprinzip: Man-kann-alle-Wörter-zu-einem-langen-Wort-verbinden. Und dann entstehen so tolle Wörter wie 'Schifffahrtsgesellschaftsvorsitzende:r'", erläutert Lucas Firmbach - und klingt dabei fast schon wie ein Deutschlehrer.

ok.danke.tschüss  stehe auf einer Wiese
Eva Sauter, Lucas Firmbach (l.) und Manuel Praxmare freuen sich darauf, dass es 2022 richtig losgehtBild: ok.danke.tschüss

Coach Nicholas Müller findet die Idee, Unterricht per Musik zu vermitteln, grandios. "Vor allen Dingen als jemand, der tatsächlich früher so wenig Bock auf Schule hatte", lacht er. "Aber hier sind meine zwei Lieblingsdinge in der Welt, Musik und Sprache, zusammengefasst. Was die Methodik angeht, ist das beinahe unschlagbar."

2022 geht's endlich los 

Die jetzt entstandenen Songs werden zum ersten Mal live im August 2022 in Wien auf der Bühne präsentiert - im Rahmen der Internationalen Tagung der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer (IDT). Anschließend sind  mehrere Konzerte und Workshops an Goethe-Instituten weltweit, Auslandsschulen und anderen Locations geplant, gefördert mit Mitteln des Auswärtigen Amts.

Außer der deutschen Sprache wollen ok.danke.tschüss mit ihrer Musik noch etwas ganz anderes fördern: Nach eigener Aussage ist das "eine zirkulare Bewegung im mittleren Körperbereich" - definitiv eine Formulierung für fortgeschrittene Deutschlerner. Anfänger könnten auch einfach sagen: Jetzt wird getanzt.

Suzanne Cords Weltenbummlerin mit einem Herz für die Kultur