Deutschlands kleine Wahlkämpfer
Mehr als 5000 Kandidaten möchten am 24. September in den Bundestag gewählt werden. Wer sind diese Menschen, die sich auf die Straßen stellen und Luftballons verteilen? Wir haben welche kennengelernt. In ganz Deutschland.
Politik statt Playstation
Jan Wieczorek, 19, steht für den SPD-Direktkandidaten Christoph Matschie vor einem Jenaer Einkaufszentrum, verteilt Flyer und Kugelschreiber. Er macht es freiwillig - denn die Politik hat er zu seinem Hobby gemacht. "Ich kann zu Hause Computerspiele spielen, das würde mir vielleicht sogar mehr Spaß machen. Aber dann kann ich nichts erreichen." Von älteren Politikern wünscht er sich mehr Offenheit.
"Mich treibt die Idee der Freiheit an"
In Freiburg vertritt der junge Zahnarzt Adrian Hurrle die FDP, die es hier nicht ganz leicht hat. Wahlkampf kann aber auch lustig sein: "Wenn man zum Beispiel auf einer Podiumsdiskussion die AfD zum Christopher Street Day einlädt und die AfD-Leute im Publikum dann ausrasten, das macht Spaß." Hurrles Wahlspruch: "Zusammen. Wachsen". Integration ist für ihn die Grundlage des Zusammenlebens.
Grünes Urgestein
Wolfgang Hypko ist Ortsratsmitglied von Bündnis 90/Die Grünen in Osterode, einer 24.000-Seelen-Gemeinde im Harz. Er unterstützt seine Direktkandidatin für die Region im Wahlkampf. Hypko ist Grüner aus der ersten Generation. Und bedient mit einer gesunden Portion Humor alle gängigen Klischees: "Ich hab mal versucht zu stricken. Aber dann wurde es doch nur ein gehäkelter Topflappen."
Ein schwieriger Bezirk
Güldane Tokyürek vertritt Die Linke in einem Kölner Problemviertel mit 75 Prozent Migrationsanteil. Sie als Türkin hat einen Vorteil: Sie spricht die Sprache vieler Menschen hier: "Meine Herausforderung ist es, mit den Menschen hier ins Gespräch zu kommen und sie zu motivieren, zur Wahl zu gehen. Mir ist es wichtig, dass sie merken, dass sie mitmachen können und ein Teil der Gesellschaft sind."
Der jüngste Bundestagskandidat aller Zeiten
Die Satire-Partei "DIE PARTEI" schickt den 18-jährigen Floris Beer in den Wahlkampf. Er tritt im Wahlkreis Frankfurt (Oder) an - auch gegen den AfD-Spitzenkandidaten Alexander Gauland. Das stört ihn jedoch nicht. DIE PARTEI stört eher die anderen. Oder macht satirisch auf echte Probleme aufmerksam: So steht man schonmal mit Staubsaugern an einer Hauptstraße und saugt Feinstaub weg. Symbolisch.
Bayern/Oberfranken: Das junge Gesicht der CSU
Emmi Zeulner (30) ist die jüngste Person, die jemals für die CSU im Bundestag saß. Sie kandidiert wieder für ihren Wahlkreis Kulmbach, in dem sie äußerst beliebt ist. Auch wenn nicht immer alle Entscheidungen nachvollziehbar sind. "Manchmal gibt es nur Kompromisse, weil einfach nicht mehr drin ist. Man muss den Leuten dann auch erklären, warum das so ist. Auch das ist die Aufgabe von Politik."
Der Promi
Wolfgang Bosbach (CDU) ist ein häufiger Talkshow-Gast im deutschen Fernsehen. Er eckt an und beharrt auf seinen Positionen - und polarisiert damit. In diesem Wahlkampf fungiert er als prominenter Wahlhelfer. Statt Kugelschreiber und Ballons zu verschenken, teilt er verbal aus und unterstützt auf Wahlveranstaltungen die Kandidaten der Unionsparteien. Er selbst geht schwerkrank in den Ruhestand.
Er will es nochmal wissen
Christoph Matschie (SPD) war schon ein hohes Tier in der Politik - unter anderem stellvertretender Ministerpräsident von Thüringen. 2014 wurde es ruhig um ihn. Doch was gerade in der Welt passiert ist - Brexit, die Flüchtlinge, die zunehmenden nationalistischen Bewegungen - das alles lässt ihn jetzt noch einmal in Jena antreten. Er will Ausgleich schaffen. Sein Motto: Leben und leben lassen.
Weit im Osten: Malermeister und politischer Seiteneinsteiger
AfD-Kandidat Tino Chrupalla hört den Leuten gern zu und spürt, "wie sehr seine Partei gebraucht wird". Hier in Görlitz und Umgebung kommt die AfD locker auf über 20 Prozent. So schön das für ihn ist, so hässliche Sachen muss Chrupalla auch erleben: "Da wird meine Mauer besprüht mit Hakenkreuzen und antifaschistischen Symbolen, das nimmt eine andere Qualität an, weil es auch die Familie belastet."
Wahlkämpferin mit großem Herz
Eigentlich ist es vor Ort ja schöner als im Bundestag, sagt Die Linke-Kandidatin Kerstin Kassner in Stralsund. Aber wenn sie in Berlin ist, kann sie sich in verschiedenen Ausschüssen für die Leute aus ihrem Wahlkreis einsetzen. Mit vielen hier vor Ort ist sie vertraut, auf der Straße schütteln ihr die Passanten die Hände. Ihr Motto ist lokal und gleichzeitig global: "Frieden. Freude. Vorpommern."
Der Beschützer
Thomas Ludewig ist mit 33 Jahren ein Senior bei der Jungen Union.Er gehört zu den vier jungen Männern des Wahlkampfteams von CSU-Kandidatin Emmi Zeulner. "Wir versuchen immer, so viele wie es geht von uns zu den Wahlkampfveranstaltungen mitzunehmen, damit wir unserer Emmi die gefühlte Sicherheit geben können, dass immer Leute da sind, die sie auch hundertprozentig unterstützen."
Ost-Harz: Wahlkampf mit dem E-Bike
Die Grünen-Politikerin Viola von Cramon will für ihre Region, den Harz, kämpfen. Sie möchte verhindern, dass Landstriche wie dieser "abgehängt" werden. Der Bevölkerungsrückgang macht sich in der Infrastruktur bemerkbar, auch bei den öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie will die Elektromobilität voranbringen und radelt zu Demonstrationszwecken mit ihrem E-Bike durch den gesamten Wahlkreis.
"Ich habe keine Chance, also nutze ich sie"
Berlin, Kreuzberg/Friedrichshain: Spannend für CDU-Mann Timur Husein ist, dass sein Bezirk aus einem ehemaligen West- und einem ehemaligen Ostbezirk besteht. "Die Unterschiede zwischen den beiden Ortsteilen sind und bleiben groß, auch was die Zusammensetzung der Wählerschaft anbelangt. Aber das macht ja auch gerade das Besondere hier aus." Er will die CDU im linksalternativen Kiez stark machen.
"Heute schon an morgen denken!"
Sophia Blum ist Studentin. Mit drei Kollegen läuft sie im Weihnachtsmann-Kostüm für die FDP durch Freiburg. Sie fallen auf und stoßen nicht überall auf Zustimmung. "Was soll denn das, im September schon mit Weihnachten zu kommen", grummelt ein älterer Passant. Sophia stört dies nicht. Sie ist stolz darauf, dass sie zum ersten Mal wählen gehen wird und dazu noch aktiv beim Wahlkampf mitmachen kann.
Beherzt gegen Altersarmut
Susanne Puvogel ist SPD-Kreistagsabgeordnete in Cuxhaven. Altersarmut von Frauen ist ihr wichtigstes Thema. Sie kämpft recht allein auf weiter Flur, denn dies ist nicht das wichtigste Thema der Parteigenossen. Sie wird es aber "unbedingt auf den Tisch bringen", wenn sie in den Bundestag gewählt wird. Die Herausforderung für ihren ländlichen Wahlkreis: "Mobilität! Eine existenzielle Frage!"