Cannabis-Markt: Die Luft wird dünner
5. September 2021Nic Easley ist nach eigenen Angaben seit 2007 im Cannabis-Geschäft. Der Unternehmer berät Cannabis-Firmen beim Markteinstieg und beim Aufbau von Produktionsanlagen. Nach eigenen Angaben ist seine Firma 3C in 17 Ländern weltweit tätig. In den USA, das in etlichen Bundesstaaten auch den Freizeitkonsum legalisiert hat, ist Easley in 34 davon aktiv.
Der Cannabis-Markt in den USA sei bei seiner Entwicklung etwa mit dem eines "vierjährigen Kleinkindes an Halloween nach einer ganzen Menge Zucker" gleichzusetzen, sagt Easley in Anspielung auf die ungebändigte Finanzkraft vieler Cannabis-Unternehmen, die sich in den USA derzeit mit einem Wildwuchs unterschiedlicher Gesetze herumschlagen.
Viele Spieler und ein (noch) geringer Umsatz
Auch für den Cannabis-Markt in Deutschland hat Easley eine blumige Beschreibung. Der sei gerade einmal das Glänzen in den Augen der werdenden Eltern. "Es gibt schon eine vage Ahnung, was dieses ungeborene Kind einmal sein kann”, so der Unternehmer, der auch in Deutschland Firmen berät. Trotz dieser "Ahnung" rät Easley derzeit davon ab, in Deutschland ein neues Cannabis-Unternehmen zu gründen. "Auf gar keinen Fall!" Dafür gebe es bereits zu viele Firmen im Markt, die medizinisches Cannabis importierten und vertrieben.
Seit die deutsche Bundesregierung im Jahr 2017 Cannabis auf Rezept ermöglich hat, ist der Markt anfangs schnell gewachsen. Absolut gesehen ist das Volumen aber noch überschaubar. Laut Berechnungen des Datendienstleisters Insight Health stieg der Umsatz 2020 um 30 Prozent auf 175 Millionen Euro. Die Zahl der Patienten, die medizinisches Cannabis nutzen, wird im Jahr 2021 auf rund 90.000 steigen. Diesen Kuchen teilen sich derzeit um die 90 Unternehmen auf, die Blüten, Extrakte oder auch Arzneimittel auf Basis von Cannabis kaufen, importieren und vertreiben.
Mit einem Fertigarzneimittel das Stigma brechen
Finn Hänsel ist Geschäftsführer der Sanity Group. Mit seinem Unternehmen will er dieses Jahr 15 Millionen Euro Umsatz machen. Profitabel ist er aber noch lange noch nicht. Gemeinsam mit seinem Partner hat Hänsel deshalb mittlerweile knapp 65 Millionen Euro bei Investoren eingesammelt - so viel wie kein anderes deutsches Cannabis-Start-up.
Das Geld fließe in CBD-Gesundheitsprodukte mit Cannabis, aber vor allem in die Erforschung eines Fertigarzneimittels, das frühestens 2024 auf den Markt kommen soll. "Wir kommen aus einer Start-up-Welt: Man investiert heute, macht dann ein paar Jahre Verluste und hat dann am Ende den Benefit", so Hänsel, der auch schon eine Brauerei gegründet hat und die Umzugsfirma Movinga.
Der Markt für Cannabis sei auch noch so klein, weil die Ärzte oft noch Berührungsängste hätten und den bürokratischen Aufwand nicht wagten, glaubt Hänsel. Circa 30 Prozent der Anträge an deutsche Krankenkassen werden abgelegt. Mit dem Fertigarzneimittel auf Cannabisbasis geht Hänsel neue Wege - denn bisher gibt es mit Sativex und Epidiolex nur zwei solcher Arzneimittel auf dem deutschen Markt.
Zwar sind die Kosten für die Studien eines Fertigarzneimittels sehr hoch, Hänsel glaubt aber, dass es sich für sein Unternehmen und die Cannabis-Industrie lohnt: "Jedes Produkt, das rauskommt und eine Evidenz mit sich bringt, hilft am Ende der ganzen Branche."
Durch Cannabis "Made in Germany” Vertrauen schaffen
Cornelius Maurer setzt aktuell auf den Cannabisbau in Deutschland. Als Geschäftsführer von Demecan baut sein Unternehmen im Auftrag des deutschen Staates medizinisches Cannabis an. Bisher hat der Staat nur drei Firmen eine solche Lizenz erteilt. Aber die Auflagen sind enorm: Stahlbetonwände und eine hermetisch gesicherte Anlage mussten Maurer und seine beiden Geschäftspartner errichten lassen.
Im ersten Quartal 2022 soll die erste Cannabis-Ernte an den deutschen Staat übergeben werden. Maurer setzt auf den Standortfaktor: Ein so sensibles Produkt wie medizinisches Cannabis müsse kontrolliert angebaut werden "und das kann am besten in Deutschland passieren, wo die Behörden auch die Kontrolle über das Produkt habe", sagt der Geschäftsführer.
Die Cannabis-Fabrik des Start-ups in Sachsen soll langfristig zu einem Zentrum für medizinisches Cannabis in Deutschland werden. Maurer, der mit der Demecan auch Cannabis importiert und auch mittelfristig eine eigene Sorte auf den Markt bringen möchte, erzählt von positivem Feedback der Ärzte. "Da freut man sich schon, dass endlich ein Unternehmen mit deutschen Wurzeln Cannabis produziert und vertreibt."
Mit neuen Lieferquellen in den Markt
Ob sich der Anbau in Deutschland tatsächlich lohnt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Zwar sind die Abgabepreise der einzelnen Unternehmen an den deutschen Staat geheim, die meisten Branchenkenner gehen aber davon aus, dass Cannabis langfristig in anderen europäischen Ländern günstiger zu produzieren ist- zum Beispiel in Portugal, das sich zunehmend in Stellung bringt.
Lana Korneva, Geschäftsführerin von Drapalin verfolgt ähnliche Pläne. Als erste Firma überhaupt bringt Drapalin medizinisches Cannabis vom afrikanischen Kontinent in deutsche Apotheken. Die Produktionsstätte liegt im von Südafrika umschlossenen Königreich Lesotho. Das Cannabis von dort sei vor allem wegen der Qualität wettbewerbsfähig: "Wir haben eine kalifornische Blüte mit einer lokalen Blüte gekreuzt und bringen nun ein komplett neues Produkt in die Apotheken", sagt Korneva.
Übernahmen und Fusionen nicht ausgeschlossen
In der Cannabisbranche halte man noch zusammen. "Im Grunde ziehen wir hier alle am gleichen Strang: Wir wollen, dass das Thema Cannabis in der Medizin in der Mitte der Gesellschaft ankommt", sagt die 40-Jährige. Doch angesichts der vielen Unternehmen auf dem deutschen Markt ist sie sich sicher: "Es wird eine Konsolidierung geben. Du musst das richtige Produkt, ein bestimmtes Geschäftsmodell oder eine Innovation haben". Deutschland müsse sich da nicht verstecken, sagt Korneva.
Auch der Cannabis-Berater Nic Easley geht davon aus, dass der Cannabisanbau in Deutschland langfristig wohl eher nicht in Deutschland stattfindet. "Wird Kaffee in Deutschland angebaut?", fragt er provokant. Mit Blick auf die deutschen Start-ups ist er sich sicher, dass sich das Feld langfristig räumen wird. "Derzeit treiben die vor allem Geld ein, aber Geld verdienen die wenigsten." Und natürlich hat er auch hier ein knackiges Bild parat: "In den USA lernen wir gerade uns die Schuhe zu binden, ihr habt noch nicht einmal Beine."
Wohl auch deshalb wappnet man sich derzeit auf dem deutschen Markt gegen die finanzstarken Unternehmen aus Kanada, den USA und zunehmend auch Israel. So ging das auf den Import und Vertrieb von Cannabis spezialisierte Unternehmen Cannamedical mit dem - nach eigenen Angaben - deutschen Marktführer für Betäubungsmittel, PS Pharma, zusammen. Und auch größere deutsche Pharmaunternehmen blicken zunehmend auf die Branche. So hat beispielsweise das hessische Unternehmen Stada jüngst ein Cannabisprodukt auf den Markt gebracht. Für einige der Cannabis-Start-ups könnte somit auch bald auch eine altbekannte Exit-Möglichkeit wieder aktuell werden: der Verkauf.