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Deutschlands Afrika-Politik gibt sich bescheiden

Luisa von Richthofen
11. September 2023

In Afrika sinkt Europas Einfluss. Deutschland schlug deshalb eine neue Richtung seiner Afrika-Politik ein - auf Werten basierend und dennoch ohne Bevormundung.

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Nigeria Svenja Schulze mit Arbeiterinnen in der Cassanovas Fabrik in Abuja
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze im Gespräch mit Arbeiterinnen in Abuja, NigeriaBild: Leon Kuegeler/photothek.de/IMAGO

In Nairobi fand vergangene Woche der erste afrikanische Klimagipfel statt. 54 afrikanische Staaten, die für knapp vier Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich sind, machten sich für eine Reform des globalen Finanzsystems stark und riefen die internationale Gemeinschaft dazu auf, den Ausbau erneuerbarer Energien zu unterstützen.

William Ruto, Kenias Präsident, steht am Rednerpult
"Wenn die Apokalypse kommt, kommt sie für alle“, warnte William Ruto, Kenias Präsident und Gastgeber des GipfelsBild: Khalil Senosi/AP/picture alliance

Diese Forderungen kamen bei den Ländern des globalen Nordens an. Auch in Deutschland, das als Gastland auf dem Gipfel teilnahm. Dabei war bemerkenswert, dass die Bundesregierung keine eigenen Vorschläge mitgebracht hatte. "Wir starten bewusst keine neuen deutschen Initiativen bei diesem Gipfel," teilte Bärbel Kofler, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), vorab mit. Auch wenn der Kampf gegen den Klimawandel ein zentrales Thema der deutschen Außenpolitik ist.

Mehr Partnerschaft auf Augenhöhe

"Es geht darum, dass afrikanische Staaten hier ihre Lösungsansätze diskutiert und präsentiert haben", führte Kofler nach der Konferenz in einem Pressegespräch aus. Deutschland wolle lediglich zuhören und tatkräftig unterstützen. Mit dieser Position reagiert die Bundesregierung auf die Kritik, Deutschland trete zu selbstbewusst auf und begegne den afrikanischen Partner nicht auf Augenhöhe.

Das wurde zum Beispiel bemängelt, als Anfang des Jahres das Social-Media-Team des Auswärtigen Amtes mit einem Leoparden-Emoji den Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow in Südafrika beschrieb. Viele warfen dem deutschen Ministerium vor, Stereotype über den Kontinent zu verbreiten. 

Auch WTO-Generaldirektorin Ngozi Okonjo-Iweala hatte vergangene Woche auf die schwierigen Beziehungen aufmerksam gemacht. Bei der Botschafterkonferenz soll sie laut "Table Media" einen afrikanischen Diplomaten zitiert haben: "Sprechen wir mit China, bekommen wir einen Flughafen; sprechen wir mit Deutschland, bekommen wir einen Vortrag."  

Russland, China, Türkei: Besser, schneller, bequemer 

Doch afrikanische Staaten haben in den vergangenen Jahren ein neues Selbstbewusstsein entwickelt und wollen nicht mehr von europäischen Regierungen belehrt werden. "Die Europäer sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass es für afrikanische Länder mittlerweile andere Möglichkeiten gibt", meint Paul-Simon Handy vom Institute for Security Studies in Südafrika. Nun sei Afrika eine Art "offener Markt", auf dem der Meistbietende den Zuschlag erhalte.

Ein Kenianer und Chinese gehen an einem Zug entlang
Die Zugstrecke von der kenianischen Hauptstadt Nairobi nach Mombasa an der Küste hat zu 90 Prozent China finanziertBild: Wang Guansen/Xinhua/IMAGO

Auf diesem Spielfeld schlagen sich derzeit Russland und China besser als die Europäer. Sie servieren ihren afrikanischen Partnern mundgerecht genau das, was diese brauchen. Im Falle Russlands konkrete Militärhilfe. Die Volksrepublik China hat seinerseits massiv in die Infrastruktur des Kontinents investiert. Das Gegenangebot: Europa und die USA mit ihren komplizierten Wirtschaftsprojekten, die an viele Bedingungen geknüpft sind und immer wieder mit Verzögerungen kämpfen. 

Arbeiter beim Brückenbau, über der Baustelle wölbt sich ein haushoher Kran
In vielen afrikanischen Ländern mittlerweile ein gewöhnlicher Anblick: Baustellen mit chinesischen Aufsehern und MaschinenBild: Joerg Boethling/IMAGO

Afrika: Chancenkontinent für Deutschland

Deutschland sollte in die strukturelle Stabilität der Länder investieren, meint Paul-Simon Handy im Gespräch mit der Deutsche Welle. "Investitionen in die Infrastruktur: Straßen, Brücken, Flughäfen. Das ist, was afrikanische Länder wirklich wollen." Investitionen statt guter Ratschläge. 

Die Maßnahmen, die Deutschland auf dem Gipfel angekündigt hat, zeigen, dass die Botschaft auch bei deutschen Entscheidungsträgern angekommen ist. Im Bereich der erneuerbaren Energien etwa könnten beide Seiten profitieren. So soll Kenia mit deutscher Unterstützung künftig grünen Wasserstoff gewinnen, um damit Dünger zu produzieren und dadurch zur Ernährungssicherheit in Ostafrika beitragen kann. Im namibischen Örtchen Lüderitz soll eine der weltweit größten Anlagen für grünen Wasserstoff entstehen - mit deutscher Beteiligung. Der Wasserstoff würde dann teils nach Deutschland exportiert werden.

Erster Afrikanischer Klimagipfel in Kenia eröffnet

Die Zusammenarbeit kann allerdings noch erweitert werden, findet Stefan Rouenhoff, Abgeordneter der CDU im Bundestag und Leiter des Arbeitskreises Afrika seiner Partei. Er wünscht sich von der Bundesregierung neben der klassischen Entwicklungshilfe auch verstärkte Anreize für deutsche Unternehmen, in Afrika zu investieren, besonders in den Aufbau von erneuerbaren Energien. "Das ist eine Riesenchance für beide Seiten, sowohl für einzelne afrikanische Länder, in denen entsprechend investiert wird, als auch für Deutschland, für deutsche Unternehmen, neue Absatzmärkte zu generieren und auch den Klimaschutz wirklich international voranzubringen," sagt er im Gespräch mit der DW.

Abschied von der wertegeleiteten Außenpolitik?

Wenn die Interessen übereinstimmen, wie etwa beim Klimaschutz, ist eine Partnerschaft so gut wie sicher. Doch wie verhält es sich mit Werten, bei denen die Bundesregierung und einige afrikanische Partner nicht auf einer Linie sind, etwa Frauen- oder LGBTQ-Rechte? Bedeutet die neue deutsche Bescheidenheit ein Abrücken von der wertegeleiteten Außenpolitik?

Für Stefan Rouenhoff kann auch da die außenwirtschaftliche Diplomatie helfen. "Die allermeisten deutschen Unternehmen tragen erheblich dazu bei, dass unsere Standards, unsere Wertvorstellungen auch auf dem afrikanischen Kontinent Gehör finden." So trügen deutsche Unternehmen zu sozialen Veränderungen bei. 

Kenianische Schwule und Lesben mit Regenbogen-Masken beim Protest vor dem ugandischen Hochkommissariat
Ugandas Anti-LGBTQ-Gesetze sehen seit Mai 2023 in manchen Fälle die Todesstrafe vor - westliche Partner reagierten entsetzt Bild: Ben Curtis/AP/dpa/picture alliance

Auch Paul-Simon Handy findet, die Förderung von Menschenrechten sei wichtig und richtig. Die Frage sei nur, in welcher Form. "Wird die Einhaltung der Werte zur Bedingung für eine Gegenleistung? Legt man den Rhythmus fest, in dem ein Land bestimmte Werte übernehmen sollte? Wenn man das tut, dann wird man paternalistisch."

Weniger belehren, mehr investieren. Damit könnte Deutschland in Afrika punkten.