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Politik

Klimaschutz: Deutschland tritt auf der Stelle

4. März 2019

Lange Jahre war Deutschland führend beim Klimaschutz, aber seit Jahren gelingt es nicht mehr, die Treibhausgase zu senken. Und der Regierung fällt es schwer, sich auf ein Klimaschutzgesetz zu einigen.

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Symbolbild | Deutschland | CO2 | Klimawandel
Bild: picture-alliance/dpa

Beim Thema Klimaschutz reagieren Vertreter der deutschen Regierungskoalition von CDU, CSU und SPD in diesen Tagen ziemlich genervt. Gerade erst hat Umweltministerin Svenja Schulze von der SPD einen ersten Entwurf des Klimaschutzgesetztes vorgelegt, dass (so hoffen die Beteiligten) bis September verabschiedet werden soll. Und schon gibt es Ärger.

"Wir stehen zum Klimaschutz, aber wir wollen es vernünftig machen", sagte CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus. Und weiter: "Wir müssen das zusammen mit den Menschen in diesem Land machen und nicht von oben durch Verbote und Vorschriften."

Unionsfraktion im Bundestag -  Ralph Brinkhaus (CDU), stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDUCSU Fraktion
"Beim Klimaschutz die Menschen mitnehmen": CDU-Fraktionschef Ralph BrinkhausBild: picture-alliance/dpa/K.Nietfeld

Union bremst beim Schutz des Klimas

Was war passiert? Schulzes Entwurf sieht vor, dass alle Ressorts eigene Vorschläge machen, wie die Treibhausgase bis 2030 um satte 55 Prozent verringert werden können. Und zwar rechtlich verbindlich. Bislang hatten alle Bundesregierungen einfach pauschal versprochen, Klimagase zu mindern, was auch lange Jahre gut klappte. Aber zuletzt war diese Methode krachend gescheitert. Das Ziel, 40 Prozent an Klimagasen bis 2020 zu verringern, wird klar verfehlt. Jetzt sollen vor allem die Bereiche liefern, die bisher in Deutschland so gut wie nichts zum Klimaschutz beigetragen haben, etwa der Verkehr. Aber der zuständige Minister Andreas Scheuer von der CSU fürchtet zu harte Auflagen für Autofahrer und Industrie. Und mit ihm viele Abgeordnete von CDU und CSU.

"Vor zehn Jahren war Deutschland der Einäugige unter den Blinden"

Vor zwölf Jahren, ungefähr zu Beginn der Kanzlerschaft von Angela Merkel (CDU) war das alles anders. Deutschland richtete den G7-Gipfel in Heiligendamm aus, der Klimaschutz war das wichtigste Thema. Auch Christoph Bals, Klimaexperte der Umweltgruppe Germanwatch, erinnert sich an damals: "Wenn man sich die Entwicklung des Treibhausgas-Ausstoßes anschaut, dann war Deutschland vor gut zehn Jahren tatsächlich ein Vorreiter im Klimaschutz und der Einäugige unter den Blinden weltweit." Doch heute spricht niemand mehr vom Klassenprimus bei der Verringerung der Klimagase, die tatsächlich in den letzten Jahren entweder stagnieren oder sogar leicht gestiegen sind. Der Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, erklärte: "Als hätten die erst gestern gehört, dass wir so etwas wie Klimaschutz machen müssen. Ich weiß nicht, in welcher Welt sie gelebt haben. Und ob die keine Nachrichten geguckt haben in den letzten Jahren." Die Zeit sei vorbei, dass man vollmundige Versprechungen machen könne, ohne Taten folgen zulassen, meint Habeck. 

Flash-Galerie Deutschland 60 Jahre Kapitel 6 1999 – 2009 G8 Heiligendamm
Gruppenbild der G7- Staats-und Regierungschefs im Strandkorb in Heiligendamm 2007Bild: AP

Koalitionsvertrag fordert ein Klimaschutz-Gesetz

Eigentlich setzt Umweltministerin Schulze - trotz des strittigen Weges - mit ihrem Vorgehen die Ziele des Koalitionsvertrags vom Frühjahr 2018 um. Dort heißt es, die Regierung wolle die Einhaltung des Klimaziels diesmal verbindlich festschreiben. Und neben der Industrie sollen auch der Verkehr und die Landwirtschaft Treibhausgase mindern, die Gebäude sollen modernisiert werden, um Heizenergie zu sparen. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: "Auf dieser Grundlage wollen wir ein Gesetz verabschieden, das die Einhaltung der Klimaschutz-Ziele 2030 gewährleistet." 

Angst vor schmerzhaften Schritten

Aber die Umsetzung bereiten den Regierungsparteien jetzt große Schwierigkeiten. Für Christoph Bals von der Umweltgruppe German-Watch ist das damit erklärbar, dass die deutsche Klimapolitik erheblich an Elan verloren hat. Lange Jahre habe sich die Regierung um eher populäre Ziele gekümmert, etwa den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Um jetzt weiter zu kommen, müsse man schmerzhafte Schritte gehen. Einschränkungen für Autofahrer etwa, oder der Ausstieg aus der Kohleverstromung, um nur zwei Punkte zu nennen. "Man traut sich nicht, an die ernsten Strukturwandel-Fragen im Kohlebereich, im Verkehrsbereich, im Gebäudebereich, in der Landwirtschaft, in der Industrie heranzugehen", sagte Bals der DW. Einen Kohle-Ausstieg hat eine eigens eingerichtete Kommission vor einigen Wochen zwar vorgeschlagen, allerdings soll der erst 2038 erfolgen, was viele Klima-Experten als viel zu spät erachten.

Jetzt drohen sogar Strafzahlungen

Schon auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Kattowitz in Polen im vergangenen Dezember war Deutschland schwer unter Druck geraten. Der international renommierte Klimaforscher Hans-Joachim Schellnhuber, Chef des Klimafolgenforschungsinstituts in Potsdam, zürnte auch in Richtung der Deutschen: "Das Defizit ist irrsinnig. Kaum ein Staat tut genug. Wir fahren diesen Planeten gerade an die Wand!" Damals hatte Schulze noch um Verständnis geworben für die komplizierte Situation Deutschlands. "Wir sind das einzige Industrieland, das gleichzeitig aus der Atomkraft aussteigt und angekündigt hat, aus der Kohle aus zusteigen. Und schon ein Drittel an Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung hat" - sagte sie im DW-Interview. - "Diese Leistung, das als Industrieland zu tun, wird hier sehr, sehr geschätzt." Inzwischen hat auch Schulze erkannt, dass das zumeist Erfolge sind, die in der Vergangenheit liegen. Und will jetzt verhindern, dass Deutschland Strafzahlungen leisten muss, wenn etwa das Klimaziel, zu dem sich das Land innerhalb der EU verpflichtet hat, nicht geschafft wird. Das kann etwa im nächsten Jahr durchaus passieren. Und wäre eine schlimme Blamage für den früheren Klima-Vorreiter.

Kattowitz  - Jens Thurau im Interview mit Svenja Schulze Umweltministerin in Kattowitz COP24
"Wir werden hier sehr geschätzt" : Umweltministerin Svenja Schulze auf der Klimakonferenz in Kattowitz 2018 Bild: DW/M. Koschyk