"Deutschland hat in Lima vernünftige Figur abgeliefert"
19. Dezember 2014Die Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ratterte ihren Redetext, eine Regierungserklärung zum Klimagipfel in Lima, ein wenig leidenschaftslos herunter. So leidenschaftslos, wie auch die Ziele des Gipfels ausfielen. Hendricks stellte wohl deshalb die vier Erfolgskriterien in den Vordergrund, die sich die deutsche Delegation mit auf den Weg gegeben hatte. "Wir wollten die Grundzüge eines weltweiten Klimaabkommen festlegen, das ist gelungen!", sagte Hendricks. Einen Kompromiss musste Deutschland aber bei der Frage eingehen, welche Informationen die Staaten vorlegen müssen, damit die Klimaschutzziele vergleichbar und verständlich sind. "Es gibt eine Reihe von Schwellenländern, die sich nicht zu einer umfassenden Transparenz verpflichten wollten, wie wir es gern gesehen hätten."
Weniger Appell und mehr Handlungsorientierung hätte sich die deutsche Umweltministerin bei dem Vorhaben gewünscht, dass sich die Staatengemeinschaft schon vor einem neuen Abkommen 2020 zu mehr Klimaschutz durchringt. Dass Deutschland bis 2020 mit dem kürzlich verabschiedeten nationalen Aktionsplan glaubwürdige Schritte gehe, wurde "geradezu weltweit positiv wahrgenommen", berichtete Hendricks und betonte: "Durch die frühzeitige Zusage Deutschlands, 750 Millionen Euro in den grünen Klimafond einzuzahlen, wurde eine positive Dynamik ausgelöst". Dadurch konnte das Etappenziel von 10 Milliarden Dollar sogar etwas überschritten wurde. "Alle vier Punkte, die wir uns vorgenommen haben, sind erfüllt oder doch zumindest ein gutes Stück voran gebracht worden", fasste Hendricks zusammen.
Alte Unterscheidung überholt
Ein Streitpunkt in Lima sei gewesen, dass bisher reiche Industrie- und ärmere Schwellenländer unterschiedlich mit Umweltschutzmaßnahmen umgehen durften, berichtete Hendricks. Die alte, im Kyoto-Protokoll festgehaltene Unterscheidung zwischen beiden Staatengruppen sei inzwischen überholt und mache 2014 keinen Sinn mehr. China und Indien mit ihren Rekord-Emissionen an CO2 zeigten, dass der nationale Beitrag zum Klimaschutz an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und den Treibhausgas-Emissionen gemessen werden sollte, also auch Schwellenländer etwas beitragen müssten.
"Wer mehr zur Erhitzung der Erde beiträgt, muss auch mehr zum Klimaschutz tun. Wer leistungsfähiger ist, muss mithelfen, die ärmeren Länder zu unterstützen." Um diese grundlegend andere Herangehensweise habe Deutschland in Lima gerungen und werde das international weiter tun, versprach Hendricks. Noch gelte es, tiefe Gräben zu überwinden, wobei die Ministerin eine "grundlegende Bereitschaft" für ein neues Klimaabkommen gesehen habe.
System-Kritik von der Opposition
"Deutschland hat eine vernünftige Figur in Lima abgegeben", lobte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter. Wenn zukünftig beim internationalen Klimaschutz verstärkt auf nationale Ziele gesetzt werden solle, so Hofreiter, "sind wir mitten im Elend der nationalen Klimaschutz- und Energiepolitik". Deutschland sei inzwischen nur noch auf Platz 22 im internationalen Ranking der Klimaschützer. Dabei wäre Deutschland einmal Vorreiter gewesen, schimpfte Hofreiter. Die Regierung von Kanzlerin Merkel (CDU) und Vizekanzler Gabriel (SPD) mache die Industrie der Erneuerbaren Energien kaputt, so Hofreiter weiter. Im vergangenen Jahr habe es einen massiven Einbruch von 56 Prozent bei den Investitionen in diesem Bereich gegeben, und für 2014 sehe es ähnlich aus. Von den zehn "schmutzigsten Kohlekraftwerken" stünden sechs in Deutschland. Das so gelobte nationale Aktionsprogramm sei nur eine Ansammlung von Prüfaufträgen und nenne zu wenige Zahlen.
Kritik kam auch von der anderen Oppositionspartei: "Die Linke". "Lima war kein Minimalkompromiss, sondern ein trauriger Offenbarungseid", sagte die Linken-Abgeordnete Eva Bulling-Schröter. Alte neoliberale Instrumente wie "freiwillige Ziele" und "das Vertrauen auf die Privatwirtschaft" lösten das Problem nicht. Ohne zusätzliche öffentliche Mittel gehe es nicht. Die Klimaschutzkonferenz 2015 in Paris drohe zu einer "großen Selbstlüge" zu werden, hieß es bei den Linken.