DFB-Elf mit zwei Gesichtern
9. Oktober 2019Wie tickt die neue deutsche Nationalelf? Nehmen wir einmal diese Szene aus der 45. Minute: Es regnet, es ist kühl und ungemütlich im Signal-Iduna-Park in Dortmund, doch das DFB-Team dreht auf. Voller Lust und Tatendrang - und offenbar ohne jeden Gedanken an die Halbzeitpause, die nur einige Momente später wartet. Stattdessen: Blitzartige Kombination, schnelles Umschaltspiel. Joshua Kimmich zirkelt den Ball auf den schnellen Serge Gnabry auf der rechten Seite. Den Mann mit der Rückennummer 20 hatten die Argentinier ein weiteres Mal aus dem Blick verloren, trotz seiner auffälligen Flechtfrisur. Sprint und Abschluss - nur knapp saust der Ball an der linken Torhälfte vorbei. Fast das 3:0 für die deutsche Elf. Und das gegen Argentinien.
Eine Szene, die bezeichnend war für das deutsche Spiel in der ersten Halbzeit. Hohes Tempo, präzise Pässe, starker Abschluss und immer wieder die Balleroberung in der gegnerischen Hälfte. Die ganz in weiß gekleideten deutschen Spieler schmeichelten dem geneigten Fan mit ihren kunstvollen Darbietungen. Die meisten Aktionen gingen dabei über den rechten Flügel und landeten in aller Regel bei Gnabry. Der war es dann auch, der Deutschland in der 16. Minute in Führung nach einem sehenswerten Spielzug brachte. Es war der Auftakt zu einer engagierten Phase der Deutschen, die sich in der 22. Minute mit dem 2:0 durch den Leverkusener Kai Havertz belohnten. Es war sein erster Länderspieltreffer.
Vieles anders nach der Pause
Und viele Zuschauer staunten nicht schlecht. Das stark ersatzgeschwächte Team von Joachim Löw, das gerade einmal fünf Feldspieler auf die Reservebank setzen konnte (bei Argentinien waren es zehn), spielte die Südamerikaner in der Anfangsphase förmlich an die Wand. Von Argentinien hatte man bis dahin offensiv wenig gesehen, bis auf einen Pfostentreffer von de Paul in Minute 33, bei dem der deutsche Torwart Marc-André ter Steegen nichts hätte ausrichten können. Nach der Pause zeigten die Südamerikaner dann aber, dass sie nicht nach Dortmund gereist waren, um sich vorzeigen zu lassen. Nun nahmen die schwarzgekleideten Argentinier die Sache in die Hand. 66. Minute, Flanke in den Strafraum, Abwehr-Debütant Robin Koch stand zwischen zwei Argentiniern im Strafraum - und der in der Bundesliga für Bayer Leverkusen spielende Südamerikaner Alario köpfte zum Anschlusstreffer ein: 2:1.
Alario war erst in der 62. Minute für Dybala ins Spiel gekommen und brachte die deutsche Defensive ein ums andere Mal in arge Verlegenheit. Ein wegweisender Wechsel: Der in seinem Land nicht unumstrittene Nationalcoach Lionel Scaloni wollte ein gutes Ergebnis mitnehmen. Einen Schuss von Paredes pflückt ter Steegen in der 70. Minute noch aus dem Winkel.
Unglücklich abgefälscht
Zwischenzeitlich hatte Emre Can die beste deutsche Chance in der zweiten Hälfte, doch der über Havertz und Kimmich eingeleitete schnelle Konter geht am Ende nicht ins Tor. Stattdessen gaben die Deutschen die Partie aus der Hand. Spätestens nachdem die Leistungsträger Julian Brandt, Serge Gnabry und Kai Havertz das Feld verlassen hatten (für Amiri, Serdar und Rudy), zeigte sich, dass die Zuordnung im Team nicht immer stimmte und man dem Druck der Argentinier letztlich doch nicht standhalten konnte. Die 85. Minute: Ocampos kommt viel zu nah am Torraum zum Schuss, den Emre Can unglücklich und unhaltbar für ter Steegen abfälscht.
Wie hatte der Bundestrainer vor der Partie gesagt? Viel Herzblut werde zu sehen sein. da hatte Joachim Löw recht. Er sagte aber auch: "Perfektion werden wir nicht erwarten können." Auch das ist so eingetreten. Für das EM-Qualifikationsspiel gegen Estland am kommenden Sonntag gab der Bundestrainer noch keine Vorhersage ab.