Deutschland: Debatte um Bezahlkarte für Geflüchtete
6. März 2024Die Bundesregierung plant eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Kommunen in Deutschland soll ermöglicht werden, Asylbewerbern staatliche Leistungen in Form von Bezahlkarten statt in Form von Bargeld oder Gutscheinen auszuzahlen.
Das neue Gesetz muss noch den Bundestag passieren. Derzeit heißt es im Entwurf: "Sind Sachleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, können auch Leistungen in Form von Bezahlkarten, Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden."
Wie sollen die Bezahlkarten für Asylbewerber funktionieren?
Die Idee ist, Asylbewerbern eine Karte auszustellen, auf die die meisten (aber nicht alle) staatlichen Leistungen einmal im Monat gebucht werden.
Da Asylbewerber noch keinen Aufenthaltsstatus in Deutschland haben, können sie kein eigenes Bankkonto eröffnen und erst dann legal arbeiten, wenn sie mindestens drei Monate im Land sind. Bisher haben die Behörden vor Ort den Asylbewerbern eine monatliche staatliche Unterstützung in Höhe von 400 bis 500 Euro bar oder in Form von Gutscheinen ausgezahlt.
Die neue Bezahlkarte können Asylbewerber in allen Geschäften benutzen, in denen normale Kreditkarten akzeptiert werden (was viele kleine Geschäfte in Deutschland ausschließt). Je nach den Vorschriften örtlicher Behörden können sie auf bestimmte Postleitzahlen beschränkt sein. Online-Zahlungen sind nicht möglich.
Alle 16 deutschen Bundesländer haben sich darauf geeinigt, ein Zahlkartensystem einzuführen, aber sie können alle unterschiedlich regeln, wie restriktiv diese sein sollen. Die bayerische Regierung zum Beispiel sagte, sie wolle die Verwendung der Karte für "bestimmte Arten von Geschäften" verbieten (sie gibt nicht an, welche). Dies könnte zum Beispiel die Glücksspielindustrie ausschließen.
Die Hamburger "Sozialkarte" ist das am wenigsten restriktive Modell. Asylbewerber können die Karte überall einsetzen und sogar einen kleinen Betrag an Geldautomaten abheben.
Die Bundesländer hatten eine einheitliche Regelung gefordert, um einen "Flickenteppich" im Land zu vermeiden. Über eine Ausschreibung soll ein Dienstleister gefunden werden, der die technische Infrastruktur für die Karten bundesweit einrichtet.
Warum sind einige Politiker so versessen auf eine Bezahlkarte für Asylbewerber?
Der offizielle Zweck der digitalen Guthabenkarte als Teil der deutschen Migrationspolitik wurde bei einem Treffen der 16 Regierungschefs der Länder so beschrieben: "Mit der Einführung der Bezahlkarte senken wir den Verwaltungsaufwand bei den Kommunen, unterbinden die Möglichkeit, Geld aus staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer zu überweisen und bekämpfen dadurch die menschenverachtende Schlepperkriminalität."
Manche Kommunen haben bereits Pilotprojekte gestartet. Sie berichten, dass die Karte den bürokratischen Aufwand und die Sicherheitsrisiken reduziere, die mit der Bereitstellung großer Bargeldbeträge zu Beginn jedes Monats verbunden sind. Einige sagten, die Karte trage dazu bei, soziale Spannungen abzubauen.
Nicht ganz so offiziell hoffen viele Politiker offenbar, dass Deutschland weniger attraktiv für Geflüchtete wird, dass weniger Menschen kommen und sich so Wähler von der extremen Rechten zurückgewinnen lassen.
Welche Einwände gibt es gegen die Bezahlkarte für Geflüchtete?
Kritiker bemängeln, die Bezahlkarte sei zu restriktiv und diskriminierend und würde damit die Spaltung der Gesellschaft vertiefen. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Karoline Otte sagte dem Nachrichtenportal t-online: "Die geplante Bezahlkarte verhindert Integration." Sie argumentiert: "Das schadet uns allen, insbesondere auch den Städten und Gemeinden. Die Bezahlkarte spielt Rechtsextremen damit in die Hände."
Einige Kritiker fordern Ausnahmen für Asylbewerber, die schon lange im Land sind oder einen Ausbildungs- oder Studienplatz gefunden haben. Diese Details müssen noch ausgehandelt werden. Migrationsforscher betonen, es gebe kaum Belege dafür, dass Migranten Sozialleistungen, die sie erhalten, in ihre Heimat schicken, oder dass Sozialleistungen ein wichtiger "Pull-Faktor" wären.
"Die aktuelle Studienlage sagt sehr klar, dass Sozialleistungen - oder die Form der Vergabe - dass das für sich gesehen keinen Einfluss auf die Migration hat", so Lena Frerichs, Rechtsreferendarin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), im DW-Gespräch. Untersuchungen zeigten, dass die meisten Migranten nur dann Geld nach Hause schicken, wenn sie genug haben: Wenn sie also arbeiten und Geld verdienen.
Sie habe den Eindruck, dass mit der Bezahlkarte ein politisches Ziel verfolgt werde, "das nicht unbedingt erreicht wird mit der Karte".
Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch und wurde ins Deutsche adaptiert.