Bundesregierung erhöht Wachstumsprognose
21. Oktober 2010Endlich hatte der von den Medien oft geschmähte liberale Wirtschaftsminister Grund zur Zufriedenheit. Mit einem kleinen Lächeln des Triumphes präsentierte Rainer Brüderle (FDP) vor der Presse die neue Prognose seiner Regierung: "Der Aufschwung ist da und das mit voller Kraft", so der Minister. Die Bundesregierung erwartet in diesem Jahr ein sattes Wachstum von real 3,4 Prozent. Ein Wachstum dieser Art habe es seit dem Wiedervereinigungsboom nur einmal gegeben: "2006 hatten wir auch 3,4 Prozent. Deutschland ist damit die Konjunkturlokomotive Europas, Deutschland ist Aufschwungland."
Aufschwung schlägt auf den Arbeitsmarkt durch
Einen Aufschwung wie im Lehrbuch sieht Brüderle, angestoßen durch weltwirtschaftliche Erholung und Außenhandel, mit dem Kernstück Industrie und gewerbliche Wirtschaft. Die Investitionen hätten nachgezogen, Arbeitsmarkt und Beschäftigung profitieren. Schon in diesem Herbst werde die Arbeitslosenzahl erstmals seit 1992 unter die "Schallmauer" von drei Millionen sinken und 2011 im Durchschnitt darunter bleiben. Für 2011 erwartet die Bundesregierung allerdings nur noch ein Wachstum von 1,8 Prozent.
Brüderle verwies darauf, dass der deutsche Aufschwung auch auf einem Anziehen der Binnennachfrage beruhe und verteidigte ihn im übrigen vor dem Vorwurf, er gehe zu Lasten anderer Länder: "Unsere Exportstärke ist nicht das Ergebnis einer staatlichen Strategie, sondern die Summe vieler einzelunternehmerischer Entscheidungen. Wir manipulieren keine Währung, bei uns gibt es keinen Protektionismus und wir handeln nicht zu Lasten anderer Handelspartner", sagte Brüderle. Deutschland stelle sich dem fairen Wettbewerb und sei nicht nur Weltspitze beim Export, sondern auch bei den Importen.
Brüderle warnt vor Handelskrieg
Beim Finanzministertreffen der G20 in Südkorea, bei dem Brüderle den erkrankten Fachminister Schäuble vertritt, setze er auf kooperatives Vorgehen und die Einbeziehung Chinas, um den sogenannten Währungskrieg in "rationalen Bahnen" zu halten. In einem Interview vor seiner Abreise warnte Brüderle, aus einem Währungsstreit könne leicht ein Handelskrieg werden. Zugleich betonte er, Wechselkurse müssten die ökonomischen Fundamentaldaten widerspiegeln, das gelte auch für den US-Dollar und den chinesischen Yen. Beide gelten aus der Sicht der Europäer als unterbewertet. In der Weltwirtschaft sieht Brüderle mehr Chancen als Risiken. China und Indien wüchsen weiter, brächten mittlerweile die Hälfte des weltwirtschaftlichen Wachstums und seien insbesondere an deutschen Investitionsgütern interessiert.
Der deutsche Wirtschaftsminister bekräftigte, Berlin werde trotz der erwarteten höheren Steuereinnahmen keine Abstriche an seinem Sparkurs machen, mit dem die Staatsverschuldung begrenzt werden soll. Die positive Entwicklung der deutschen Wirtschaft wird auch durch die Herbstumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) unterstrichen. Danach will die deutsche Wirtschaft mindestens 300.000 neue Arbeitsplätze schaffen, vor allem in der Gesundheitsbranche. Der Chef des deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, befürchtet allerdings, dass viele schlecht bezahlte Jobs in der Leiharbeitsbranche entstehen.
Autor: Bernd Gräßler
Redaktion: Monika Lohmüller