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Deutsche Unterstützung für die Landreform?

Heinrich Bergstresser16. August 2004

Vor 100 Jahren hatten deutsche Kolonialtruppen ein Massaker an dem Volk der Herero verübt. Nun hat sich die deutsche Entwicklungs-Ministerin dafür "entschuldigt". Ein Kommentar von Heinrich Bergstresser.

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Was immer auch zur Meinungsänderung innerhalb der deutschen Bundesregierung geführt hat, es waren mutige und längst überfällige Worte, die an der Stätte des wohl ersten Völkermordes des 20. Jahrhunderts fielen. Aber diese Worte - explizit bezogen auf einen tragenden Pfeiler des christlichen Glaubens, dem Gebet "Vater Unser", wo es unter anderem heißt: "... und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern" - ziehen auch schwerwiegende politische Konsequenzen nach sich. Denn sie besagen nichts anderes, als dass Deutschland eine doppelte Verantwortung für Namibia übernimmt: Eine für die Vergangenheit, die politisch relativ leicht einzulösen ist - wie der Auftritt der Entwicklungs-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul belegt - und eine für die Zukunft, die ungleich schwerer einzulösen ist, um begangenes Unrecht erträglicher zu gestalten.

Deutschland hilft Namibia

Kein Land hat soviel deutsche Entwicklungshilfe erhalten wie Namibia: bislang 500 Millionen Euro seit der Unabhängigkeit 1990. Und die Gedenkfeiern zum 100. Jahrestag des Völkermordes an den Herero weisen unmissverständlich darauf hin, dass Namibia auch in Zukunft der größte Nehmer ist, wahrscheinlich sogar mit höheren Zuwendungen als in der Vergangenheit. Die Ministerin hat sich diesbezüglich weit aus dem Fenster gelehnt und die Landreform als Kernstück herausgestellt, das es besonders zu unterstützen gilt.

Genau aber das ist der Schwachpunkt, der sich mittelfristig als Bumerang deutscher Entwicklungspolitik in Namibia entpuppen könnte. Seit einiger Zeit nämlich schielen namibische Politiker immer mal wieder gern nach Simbabwe, wo die Führungsclique um Robert Mugabe mit Feuer und Schwert eine Landreform durchgezogen und das Land damit an den Rand des Ruins getrieben hat. Selbst die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien, die viel mehr Einfluss auf ihre früheren Kolonien hat als Deutschland es jemals in den seinigen hatte, konnte das Desaster nicht verhindern. Dabei darf man nicht vergessen, dass Großbritannien mitschuldig ist an dem, was Mugabe vom Zaun gebrochen hat.

Vorsicht ist geboten

Eine jede Bundesregierung ist deshalb gut beraten, diesen Aspekt in den Mittelpunkt jeglicher entwicklungspolitischen Maßnahmen in Namibia zu stellen, will sie ihrer Verantwortung auch in Zukunft gerecht werden. Wie viel Geld in den nächsten Jahren auch immer fließt, es darf niemals so weit kommen, dass Deutschland zum Gehilfen einer Unrechtsreform avanciert oder auch nur der Eindruck entsteht, es zu sein. Mit Geld lässt sich vieles, aber nicht alles machen. Schon gar nicht, wenn die politische Einflussnahme eher gering ist. Und Verantwortung für die Vergangenheit und für die Zukunft Namibias übernehmen heißt nicht, dass sich das zweifellos notwenige deutsche Engagement in ein finanzielles Fass ohne Boden entwickelt.