Deutsche Solarbranche ist optimistisch
5. Juni 2017"Wir kommen aus einer großen Krise. Ich sehe aber überhaupt keinen Untergang der deutschen Solarindustrie. Wir haben eher das Gegenteil. Wir haben unglaublich viele innovative mittelständische Unternehmen", sagt Detlef Neuhaus, Geschäftsführer von Solarwatt.
2011, zur Hochzeit der deutschen Solarindustrie, hatte Solarwatt 490 Mitarbeiter, 2013 waren es nur noch 145, jetzt sind es 340. Das Unternehmen baut Module, Batterien und Steuerungstechnik in Deutschland und kauft nur die Zellen für Batterien und Module vor allem in Korea. "Das einer der prominentesten deutschen Hersteller jetzt in großen Schwierigkeiten ist, hat nichts mit der gesamten Solarindustrie zu tun", betont Neuhaus auf der Leitmesse für Solarkraft und Batterietechnik in München, der Intersolar Europe und electrical energy storage ees.
Die Pleite des großen deutschen Zell- und Modulhersteller Solarworld bezeichnet Carsten Körnig, Geschäftsführer vom Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) zwar als "bitter", zugleich sei dies aber auch eine "Konsolidierung, die es in jeder Branche gibt". Und die Solarbranche sei sehr jung und die "Energiewende steht ja ganz am Anfang", sagt Körnig gegenüber der DW.
Insgesamt sei Deutschland aber für die globale Energiewende sehr gut aufgestellt. "Entlang der gesamten Wertschöpfungskette haben wir hochwertige Unternehmen und teilweise Marktführer: Angefangen vom Rohstoff Silizium mit Firmen wie Wacker Chemie und dem Maschinen und Anlagenbau. Das heißt wir statten Solarfabriken weltweit mit deutscher Anlagentechnik aus. Dann haben wir Weltmarkführer für Schlüsselkomponenten wie Wechselrichter und neuerdings auch bei den Herstellern von Speichern", so Körnig.
Starker Rückenwind trotz Trump
Die Solarbranche ist auf Erfolgskurs. Ihre Produkte werden, neben der Windkraft, immer wichtiger für die Energieversorgung: Von den im letzten Jahr weltweit neu aufgestellten Kraftwerken hatte die Photovoltaik (PV) mit Abstand die Nase vorn. Fast ein Drittel der neu installierten Kraftwerksleitung zur Stromerzeugung entfiel nach Angaben von SolarPower Europe auf die Photovoltaik (77 Gigawatt). Auf den Plätzen dahinter folgen nach vorläufigen Schätzungen Wind- (55 GW), Kohle- (54 GW), Gas- (37 GW) und Atomkraft (10 GW).
Der Hauptgrund für diesen Trend zur Photovoltaik liegt vor allem am stark gefallenen Preis. Strom aus Solarmodulen lässt sich heute in Deutschland schon für rund sechs Cent pro Kilowattstunde erzeugen und in sonnenreicheren Ländern zwischen zwei bis fünf Cent. Damit hat Photovoltaik einen wichtigen Durchbruch geschafft und ist somit günstiger als Strom aus neuen konventionellen Kraftwerken.
Auch große deutsche Stromkonzerne wie RWE und EON, die noch mit fossilen Energien ihr Geld verdienen, haben inzwischen die preiswerte Stromquelle entdeckt und wollen jetzt zunehmend diese Stromgewinnung einsteigen. "Mit Produktionskosten von sechs Cent pro Kilowattstunde ist man in Deutschland absolut Wettbewerbsfähig gegenüber dem Neubau von Kohle oder Gaskraftwerken", sagt Energieexperte Ingo Alphéus von Innogy, dem Tochterunternehmen von RWE, gegenüber der DW.
Zu Innogy gehört inzwischen auch Belectric, ein weltweit führendes Unternehmen für Bau und Betrieb von großen Solarparks mit insgesamt 650 Mitarbeitern. Geschäftsführer Bernhard Beck prognostiziert ein Marktwachstum in ganz anderen Dimensionen. Er sieht dafür aber noch ein Wissens-Problem. "Der Wissenstransfer an die Politik ist gefragt", sagt Beck. "Wenn wir es schaffen die Entscheidungsträger mit dem richtigen Wissen zu versorgen, bekommen wir sehr viel mehr Solarkraft in den Markt, geht das Wachstum erst richtig los."
Wer dieses Wissen hat und in die günstigere Energie investiert, hat nach Ansicht von Beck deutliche Vorteile: "Das sind nicht nur die Gründe für Umwelt- und Klimaschutz. Es ist auch eine Frage der Sicherung der Wirtschaftsstandorte durch die günstigere Energie. Dies gilt für Deutschland, Europa und Weltweit."
Deutsche Branche gut aufgestellt
Auf der Solar- und Speichermesse in München ist die Stimmung gut. Die Preise auch bei den Stromspeichern fallen drastisch und die Produktpalette ist groß. Kunden können heute den selbst erzeugten Solarstrom durch eine gute Steuerung und leistungsfähige Batterie optimal nutzen. Jede zweite neue private Solaranlage wird in Deutschland inzwischen mit Batterie verkauft. Die deutsche Branche sieht sich mit ihren Produkten für die Energiewende gut aufgestellt und profitiert deshalb auch zusätzlich sehr stark vom Export.
US-Präsident Donald Trumps Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen trübt die Aussichten der Branche in München nicht wesentlich und ist auch kein großes Thema. Der Weltmarkt für erneuerbare Energien wächst rasant. Sollte die eigentlich gut aufgestellte US-Branche für erneuerbare Energien durch die Politik von Trump indes schwächeln, "könnte Europa sogar einen Wettbewerbsvorteil bekommen", meint Christine Lins, Generalsekretären des globalen Netzwerks für Erneuerbare Energien, REN21.
Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell (Die Grünen), der das Deutsche Energiewendegesetz EEG entwickelt hat und jetzt als globaler Energieexperte für die Energy Watch Group die Entwicklung weltweit verfolgt, sieht die deutsche Branche ebenfalls gut aufgestellt. Er rechnet damit, dass auch in Europa wieder Fabriken zur Zell- und Modulproduktion neu aufgebaut werden müssen.
Der Grund liege in den dramatischen Klimaveränderungen und in den Beschlüsse von Paris. "Wenn wir überhaupt eine Chance haben wollen die Ziele einzuhalten, dann geht das nur mit 100 Prozent erneuerbaren Energien. Und der Aufbau von dieser großen Erzeugungskapazität geht auch nur mit einer eigenen Produktion."