Das Ende der Euphorie
5. Dezember 2018Zweifel hat Wolfgang Schäuble offenbar keine. Eigentlich soll der Bundestagspräsident an diesem Abend Ende November zwei Umweltschützer mit dem deutschen Afrika-Preis auszeichnen. Doch mit den Gewinnern hält sich Schäuble nicht lange auf. Er nutzt die Bühne, um dem Publikum einmal die ganz großen Linien aufzuzeigen. "Die Zukunft Deutschlands, die Zukunft Europas wird von der Entwicklung Afrikas mitgestaltet", ruft er mit schicksalhafter Miene in dem Raum.
In seiner gut 15-minütigen Rede spannt er den Bogen von den Gründungsvätern Europas ("das Bekenntnis zu Afrika gehört zum europäischen Einigungsprozess") über die aktuelle Situation ("Migration zwingt uns zu einem neuen Umgang mit unserem Nachbarkontinent") bis zur deutschen Afrika-Politik. Und da läuft es aus der Sicht des Bundestagspräsidenten rund: Einen neuen Ansatz in der Zusammenarbeit mit Afrika habe die damalige Bundesregierung 2017 unter großen Widerständen eingeführt, lobt Schäuble.
Kritiker: Große Pläne, wenig dahinter
Als Finanzminister gehörte er damals zu den Architekten des "Compact with Africa" - neben dem "Marshallplan mit Afrika" von Entwicklungsminister Müller und "ProAfrika" aus dem Wirtschaftsministerium eine der drei deutschen Afrika-Initiativen. Die Zauberformel ist immer gleich: Die Bundesregierung hilft privaten Firmen, in Afrika zu investieren. Die Firmen finden lukrative Märkte, die Menschen vor Ort Jobs.
Soweit die Theorie, die aber kaum noch Begeisterung auslöst. Trotz einer hochkarätig besetzten Investorenkonferenz Ende Oktober, bei der Kanzlerin Merkel zehn afrikanische Staats- und Regierungschefs in Berlin empfing. Trotz des geplanten Investitionsfonds von einer Milliarde Euro für Investitionen kleiner und mittlerer Unternehmen in Afrika.
Fast zwei Jahre, nachdem Entwicklungsminister Müller mit dem Marshallplan den Reigen der deutschen Afrikakonzepte eröffnete, gibt es noch immer keine gemeinsame Strategie der Bundesregierung. "Gescheiterte Ankündigungspolitik" sei die, kritisiert der FDP-Entwicklungspolitiker Olaf in der Beek. Mit dem "Klein-Klein der deutschen Entwicklungszusammenarbeit" müsse endlich Schluss sein.
Beteiligte Unternehmen: 0
In der Beek hat beim Ministerium nachgefragt, wie viele Unternehmen an den Vorhaben des Marshallplans beteiligt sind. Denn darunter fallen auch drei sogenannte "Reformpartnerschaften", die Deutschland mit Ghana, der Elfenbeinküste und Tunesien geschlossen hat. Mit 365 Millionen Euro unterstützt die Bundesregierung die drei Länder etwa beim Ausbau ihrer Energieversorgung und des Bankensektors - wichtige Voraussetzungen, um für Unternehmer attraktiv zu sein.
Doch zumindest hier klappt die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft nicht: "Bisher beteiligen sich keine Unternehmen finanziell an den genannte Maßnahmen und Projekten", schreibt das Entwicklungsministerium lakonisch in seiner Antwort. Schon lange kritisieren auch Unternehmer, dass hinter vielen Überschriften keine konkreten Maßnahmen stecken.
Afrikanische Kritiker sind sich hingegen gar nicht sicher, ob mehr Investitionen wirklich helfen würden. Hafsat Abiola-Costello aus Nigeria hat einst für eine Provinzregierung in ihrer Heimat gearbeitet, nun ist sie Aktivistin. "Wir brauchen kein Kapital, das hierher kommt und in ein oder zwei Jahren große Profite erwirtschaften will. Das Problem erlebt Afrika schon seit über hundert Jahren mit der Privatwirtschaft: Sie kommen hierher, aber ohne wirklich zu investieren. Das ist Ausbeutung". Sie drängt auf langfristige Anlagen und Investitionen, von denen Afrika auch wirklich etwas hat. "Wir brauchen Industrie. Industrie bedeutet Wohlstand und Arbeitsplätze", sagt Abiola-Costello zur DW.
Fehlende Standards
Wirtschaftsvertreter betonen unisono die soziale Verantwortung deutscher Unternehmen. "Eine der größten Stärken deutscher Unternehmer ist ihr guter Ruf", schreibt der Afrikaverein der deutschen Wirtschaft in einem Positionspapier. Das schlage sich beim Umweltschutz, den Arbeitsbedingungen und der Einhaltung von Sozialstandards nieder. Der Compact legt aber keine solchen Standards fest. Stattdessen, so die Bundesregierung, sollen die afrikanischen Regierungen selbst dafür sorgen, dass Unternehmen ethisch handeln.
Völlig unrealistisch, meint Glory Lueong, bei der Menschenrechtsorganisation FIAN für Uganda und Sambia zuständig. "Viele Regierungen wollen ihre Länder lediglich für Investoren attraktiv machen, die Rechte der Menschen vor Ort interessieren sie nicht", schimpft sie im DW-Interview. "Die Bundesregierung muss entsprechende Maßnahmen einführen, um sicherzustellen, dass die Rechte der Armen, der Frauen oder der Kinder nicht verletzt werden."
Lueong denkt dabei vor allem an die Landwirtschaft. Dort stehen auch deutsche Unternehmen und Organisationen in der Kritik. Ugandas Armee etwa soll tausende Menschen von ihrem Land vertrieben haben, der deutsche Kaffeehersteller Neumann legte dort eine Plantage an.
Die Deutsche Entwicklungsgesellschaft (DEG) steht ebenfalls nicht gut da: Sie unterstützt eine Palmölplantage des kanadischen Feronia-Konzerns im Kongo. Zahlreiche Menschen vor Ort können nun ihr Land nicht mehr betreten, Kritiker halten die Pachtverträge für illegal.
Ob deutsche Unternehmen nun stärker in Afrika investieren werden, ob die Investitionen Wohlstand und Arbeit bringen: Kritiker und Unterstützer der deutschen Afrika-Politik werden gespannt schauen, wie es 2019 weitergeht.