1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Wagner in America“

Gero Schließ6. Juni 2013

Es war ein Wagnis, Wagner und Jazz zusammenzubringen. Zum Wagner-Jahr 2013 erteilte die DW der Jazzerin Angelika Niescier einen Kompositionsauftrag. In Washington wurde “Kundry“ jetzt uraufgeführt.

https://p.dw.com/p/18jZG
Das "German Women´s Jazz Orchestra", Leitung von Angelika Niescier, im National Museum of Women in the Arts in Washington DC (Foto: Stefan Czimmek)
Bild: DW/S. Czimmek

Wagner und Jazz, das ist eine ungewöhnliche Kombination, die Phantasien weckt, aber auch Fragen aufwirft. Ist die Musik Richard Wagners überhaupt offen für Einflüsse und Austausch mit anderen Musikstilen? Oder hat Wagner nicht vielmehr einen in sich geschlossenen Musikkosmos geschaffen, der sich selbst genügt? Die in Köln lebende Komponistin und Saxophonistin Angelika Niescier, die vom deutsch-französischen Kultursender Arte als "eine der aufregendsten Stimmen im deutschen Jazz" gepriesen wird, hat sich diese Fragen gestellt. Sie war neugierig und mutig genug, sich der Herausforderung zu stellen und nahm einen entsprechenden Kompositionsauftrag der Deutschen Welle an.

Musikalische Auseinandersetzung mit Wagner

Das von der Deutschen Welle initiierte und geförderte Musikprojekt "Wagner in America" habe für sie erst einmal sehr viel Forschung bedeutet, sagte Angelika Niescier der Deutschen Welle in Washington: die Beschäftigung mit Wagners Musikdramen, seinen Charakteren, der Aufführungsgeschichte, seiner Ideenwelt. Schließlich stieß sie auf die Figur der Kundry aus Wagners Oper "Parsifal". Kundrys komplexer Charakter hat sie besonders gereizt: als Hüterin des Grals und als Verführerin verkörpert Kundry gleichzeitig das Gute und das Böse - für die Jazz-Komponistin eine schillernde Figur, die geradezu dazu einlädt, sich intensiv mit ihr zu beschäftigen. Ergebnis dieser musikalischen Auseinandersetzung mit Richard Wagner ist "Kundry", ein knapp 60-minütiges Werk für Solo-Sopran und Jazz-Orchester.

Angelika Niescier im Portrait (Foto: alliance/ schroewig)
Angelika NiescierBild: picture-alliance/schroewig

"Parsifal" goes Jazz

In der Residenz des deutschen Botschafters in Washington DC fand jetzt die Uraufführung von "Kundry" statt - in amerikanisch-deutscher Koproduktion: mit der jungen Opern-Sopranistin Magdalena Wor aus den USA und dem "German Women's Jazz Orchestra" unter Leitung der Komponistin Angelika Niescier. Während Magdalena Wor mit ihrem kraftvollen Mezzosopran in Wagners Opernwelt Zuhause ist, verkörpern die zwölf Musikerinnen des "German Women's Jazz Orchestra" die Jazz-Sphäre. Und entsprechend unterschiedlich ist die Aufgabenverteilung in diesem "neuen Wagner": so besteht Magdalena Wors Partie ausschließlich aus originalen Versatzstücken der "Parsifal-Partitur" und die Jazz-Frauen spielen Niesciers auskomponierte Jazz-Annäherung an Wagner.

Transatlantische Musikbrücke

Herausgekommen ist ein starkes Musikdrama eigener Qualität, eine energiegeladene, quirlige Komposition, für die sich das Publikum begeistert mit Standing Ovations bedankte. Selbst die Vertreter der traditionellen Wagner-Welt des Wagner-Verbandes in Washington zeigten sich angetan von dieser ungewöhnlichen Sicht. Das Projekt "Wagner in America" bedeutet allerdings nicht, dass Wagner erst noch in den USA eine Heimat finden müsste. Eine reiche Aufführungsgeschichte, etwa an der Metropolitan Opera in New York, und viele lokale Wagner-Verbände in amerikanischen Städten zeugen von einer traditionellen Wagner-Verehrung. Doch für die Amerikaner war es wohl das erste Mal, dass die Musik Richard Wagners mit Jazz-Musik zusammengebracht wurde. Wenn man so will - eine transatlantische Musikbrücke, die im Herbst auch auf der anderen Seite des Atlantiks zu erleben sein wird: Angelika Niescier und das "German Women's Jazz Orchestra" werden "Kundry" beim Beethovenfest 2013 in Bonn präsentieren.

Magdalena Wor singt beim DW-Projekt "Wagner in America" (Foto: Stefan Czimmek)
Magdalena Wor singt beim DW-Projekt "Wagner in America"Bild: DW/S. Czimmek