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Der Wunderheiler

Arend Wulff5. Mai 2004

Er gilt als Vater des spanischen Wirtschaftswunders. Als neuer Chef des Internationalen Wirtschaftsfonds versucht Rodrigo Rato sich jetzt als Wunderheiler der Weltwirtschaft.

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Der neue IWF-Chef: Rodrigo RatoBild: AP

Noch vor kurzer Zeit wirkte Rodrigo Rato wie der klassische politische Verlierer - ein Opfer von Seilschaften, Männerfreundschaften und Machtkalkül in der Parteispitze der konservativen Volkspartei Spaniens (PP). Der 55-jährige "Superminister" für Wirtschaft und Finanzen hatte jahrelang als Wunschnachfolger von Premierminister Jose Maria Aznar gegolten. Aber Aznar gab seiner rechten Hand, Mariano Rajoy, den Vorzug. Doch während seine ehemaligen Regierungskollegen nach der Wahlniederlage der PP jetzt die Oppositionsbank drücken müssen, kann sich Rato im Licht der Weltöffentlichkeit sonnen.

Rato wird Chef des IWF, derjenigen Organisation, die strauchelnden Staaten mit Krediten hilft - wenn diese die Stabilitätskriterien des IWF einhalten. Und mit Stabilitätskriterien kennt Rato sich aus: Als Verfechter strikter fiskalischer Disziplin in Spanien und Europa, als personifiziertes, lautstarkes schlechtes Gewissen der Defizit-Sünder Deutschland und Frankreich. Doch der gelernte Jurist kam nicht nur wegen seiner finanzpolitischen Meriten auf den IWF-Chefsessel. Ihm half auch, dass die USA seinen Konkurrenten, den Franzosen Jean Lemierre, ablehnten.

Der Vater des spanischen Wirtschaftswunders

Als Rato 1996 sein Amt als Finanzminister antrat, lag die Arbeitslosenquote bei 23 Prozent, das Haushaltsdefizit bei über sechs Prozent. Acht Jahre später war die Arbeitslosenquote halbiert, das Defizit auf null gesenkt. Plötzlich waren die Maastricht-Kriterien für einen Beitritt zur Euro-Zone erfüllt, die Wachstumsrate jahrelang eine der höchsten in Europa.

Doch seine Politik rief auch Kritiker auf den Plan. Die beklagen, dass das Wirtschaftswachstum größtenteils über Kredite finanziert sei. Auch die hohe Verschuldung der Privathaushalte sei eine der Schattenseiten des Aufschwungs. Weiterhin habe der Minister die Arbeitslosenquote, noch immer beachtliche 11 Prozent, vor allem mit statistischen Tricks gedrückt. Sein jahrelanger Chef und alter Studienfreund Aznar lobt Rato dennoch in den höchsten Tönen: "Er war der beste Wirtschaftsminister, den Spanien seit der Rückkehr zur Demokratie hatte."

IWF Gebäude in Washington
Ratos neuer Arbeitsplatz: das IWF-Hauptquartier in WashingtonBild: IMF

Mit goldenem Löffel im Mund geboren

So viel Lob vom einstmals so populären Ex-Premier - da wundert es, dass Rato trotz seiner Erfolge von der Bevölkerung nie wirklich geliebt wurde. In den Augen der meisten Spanier weist Rato ein großes Defizit auf: Den sprichwörtlichen goldenen Löffel im Mund. Er stammt aus einer der reichsten Unternehmerfamilien Spaniens. Bei seinen Gegnern gilt er als arrogant, häufig wirkt er unterkühlt. "Er strahlt nicht gerade Güte aus", sagt ein ehemaliger Kollege. "Weich ist er nicht."

In seinem neuen Job wird Rato sich zumindest wirtschaftspolitisch nicht umstellen müssen. Als Wunderheiler mit harten Heilmethoden kommt er aus Madrid. Und auch der IWF will bei seiner harten Linie gegenüber Schuldnerländern bleiben, die auf Wunder aus Washington warten.

Humorvoll und kommunikativ

Privat gibt sich Rato eher von der lockeren Seite: Seine konservativen Parteifreunde sahen es nicht gerne, als er im Wahlkampf durch die Madrider Homosexuellenhochburg Chueca zog oder sich wegen einer 20 Jahre Jüngeren von seiner Frau trennte. Kollegen beschreiben ihn als humorvoll und sehr kommunikativ.

Seinen letzten großen Erfolg abseits der Politik feierte er im Sommer 2003. Mit einer 400-seitigen Dissertation über die Rolle der Fiskalpolitik in Spaniens Wirtschaftswachstum erwarb er seinen Doktor der Wirtschaftwissenschaften. Das Ergebnis: Bestnote - natürlich.