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Der Traum vom Fliegen

9. März 2011

Fliegen zu können ist eine große menschliche Sehnsucht. Ihr widmet sich auch das Haus der Kulturen der Welt in Berlin und erzählt dabei weit mehr als die traditionelle Technikgeschichte.

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Der Traum vom Fliegen – The Art of Flying (Foto: André Bernet)
Bild: André Bernet

Der Mensch ist das einzige Lebewesen, dem es gelingt, über den Wolken eine warme Mahlzeit zu sich zu nehmen. Das klappt freilich nur, weil er sich die Technik gefügig gemacht hat. Gelungen ist das erstmals zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Damals steuerten die tollkühnen Brüder Wilbur und Orville Wright ihr Motorflugzeug zunächst Richtung Himmel und dann wieder zurück auf die sichere Erde. Was sich daraus entwickelte, ist hinlänglich bekannt und heißt aktuell: Billigflieger nach Mallorca, London und Madrid. Hat die westliche Welt damit den alten Traum des Menschen, fliegen zu können, realisiert? War sie wieder einmal Vorreiter?

Eben danach, sagt Bernd Scherer, der Intendant des Hauses der Kulturen der Welt, fragt die Ausstellung "Der Traum vom Fliegen". Alle Entwicklungstheorien unterstellten ja, dass sich andere Gesellschaften, andere Kulturen, dahin bewegen sollten, wo der Westen schon ist. "Und diese Ausstellung zeigt am Beispiel des Fliegens, dass es nur eine mögliche Form ist, diesen Traum zu realisieren."

Andy Hope 130 “Epic Imperial, The Long Tomorrow” 2003 Öl auf Board 220 x 300 cm Privatbesitz München (Foto: Roman März)
Bild: Privatbesitz München/Foto:Roman März

Oder, anders formuliert, in anderen Gesellschaften und in anderen Zeiten wurde dieser Traum einfach nur anders geträumt. Aber immer und überall, so die Überzeugung der Kuratoren Thomas Hauschild und Britta Heinrich, habe es Menschen gegeben, die nur das eine im Sinn hätten: sich wie ein Vogel in die Lüfte erheben zu können und die Welt von oben zu betrachten.

Vögel, Schamanen und mutige Männer

Aerodynamisches Wissen erwarben Erdenbürger schon in grauer Vorzeit, indem sie Steine und Bumerangs in die Lüfte geworfen und Vögel beobachtet haben. Sibirische Schamanen nutzten dann Drogen und Trommelschläge, um den Gleichgewichtssinn zu irritieren und Menschen das Gefühl zu vermitteln, sie würden schweben. Und um 1631, erzählt Thomas Hauschild, überquerte ein mutiger Türke mit einem Fluggerät den Bosporus. Das sei überhaupt der historisch erste freie menschliche Flug, der überliefert ist. "Und damals war das Osmanische Reich eben sehr mächtig, Deutschland lag noch in Fetzen, im 30-Jährigen Krieg. So schnell kann das gehen mit der Intelligenz und der technischen Entwicklung und den Regionen auf der Welt."

Eine Kulturgeschichte des Fliegens

Im himmelblauen Ausstellungssaal begrüßen sanft dahin gleitende Vögel die Besucher und laden sie ein zu einem Flug durch Zeit und Raum. Pioniere der Luftfahrt treffen sie dabei, natürlich auf Zeichnungen, Gemälden oder symbolisiert durch ihre Gerätschaften – die Sprungschuhe eines Vogelmenschen, Löffel aus einem Zeppelin, Pilotenstiefel und -helme. Man begegnet prähistorischen Flugäxten und Hexen auf ihren fliegenden Besen, religiösen Votivbildern, Wolkenwagen im Stile des barocken Theaters und einem chinesischen Rollbild, in das, wer die daneben hängende Anleitung befolgt, sozusagen schwebend einsteigen kann.

Das hätten die Menschen in China jahrtausendelang genossen, sagt Hauschild, solche Standpunkte einzunehmen und in diesen Bildern umherzuschweben. "Bis hin zu der mystischen Steigerung, dass man sich sogar vorgestellt hat, ich könnte in diesem Bild verschwinden und aus der realen Welt heraustreten."

Der Traum vom Fliegen - The Art of Flying 4.3.2011 - 8.5.2011 (Foto: Stefan Hartmaier / Gustav Mesmer Stiftung)
Bild: Stefan Hartmaier/Gustav Mesmer Stiftung

Was dann passiert wäre, mittels dieser phantastischen Flugtechnologie, kann man sich im Haus der Kulturen nur in der eigenen Phantasie vorstellen. Aber die Faszination des Fliegens lässt sich auch ganz konkret erproben. In einem Space-Trainer für Astronauten etwa, in dem man sich nur mit der eigenen Körperkraft drehen und überschlagen kann. Eine bereitliegende Spezialbrille, die die Welt auf den Kopf stellt, verwirrt die Sinne wie ein schamanischer Trunk. Und in einem Traumraum erzählt der Künstler Thomas Hitzel Geschichten vom Fliegen.

Ungewisse Zukunft

Und wie geht es nun weiter? In einer Realität, in der die fossilen Brennstoffe knapp werden? Bernd Scherer lächelt und sinniert. Vielleicht gibt es solargetriebene Flugzeuge. Oder eine Zeit, in der wir nicht mehr technologisch, sondern nur noch mit unserem Bewusstsein fliegen können. Diese Frage, sagt der Intendant des Hauses der Kulturen der Welt, sei völlig offen. "Was die Ausstellung nur dazu sagt ist, selbst wenn der Flugzeugflug, wie wir ihn kennen, nicht mehr möglich ist, ist Menschsein immer noch möglich."

Immerhin. Womit auch gewährleistet scheint, dass weiterhin geträumt wird. Vom körperlichen Alleinflug beispielsweise. Und ob den nun Götter, Tränke oder neue Technologien ermöglichen – lassen wir uns überraschen!

Autorin: Silke Bartlick
Redaktion: Conny Paul